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werde ich Ihnen in groben Zügen erklären, was wir bis jetzt wissen.“

      „Bitte, Herr Hetzer, meine Gedanken werden sich sonst die schlimmsten Dinge ausmalen und die Ungewissheit ist grausamer, glauben Sie mir. Als ich ein junges Mädchen war, ist meine Katze verschwunden. In den Nächten der folgenden Jahre ist sie auf jede nur erdenkliche Art in meinen Träumen gestorben, misshandelt und umgebracht worden.“

      „Hier haben wir es aber mit einem Menschen zu tun und mit der Realität. Ich weiß nicht, ob ich Ihnen einen Gefallen tue.“

      „Wenn Sie es mir nicht sagen wollen, dann habe ich andere Möglichkeiten, es herauszufinden. Mein Mann hatte bedeutende Persönlichkeiten in seinem Bekanntenkreis – auch bei der Polizei.“

      „Gut, Frau Kuhlmann, dann werde ich Ihnen sagen, was wir wissen. Ihr Mann muss einige Tage gefangen gehalten worden sein. In dieser Zeit ist er operiert worden. Man hat ihm seine Geschlechtsorgane entfernt.“ – Marga schlug sich die Hand vor den Mund. – „Soweit wir das in seinem Zustand erkennen konnten, hatte er neben der Halsstichwunde auch noch eine weitere Narbe im vorderen Halsbereich. Ihr Mann hing kopfüber an einem Balken auf dem Dachboden der Eulenburg. Durch die Halswunde ist er vermutlich verblutet. Die Obduktion steht aber noch aus. Zusätzlich weist seine Haut Brandspuren auf. Die Körperhaare fehlen komplett.“

      Marga Kuhlmann holte tief Luft.

      „Dann ist mein Mann einem Sexualverbrechen zum Opfer gefallen?“

      „So würde ich das nicht nennen. Ich glaube nicht, dass der Täter sexuelle Handlungen an Ihrem Mann vorgenommen hat. Wenn es sich um ein und dieselbe Person handelt, die ihn gefangen genommen und getötet hat, dann würde ich eher davon ausgehen, dass derjenige Benno Kuhlmann der Männlichkeit berauben wollte. Dafür könnte es dann mehrere Gründe geben. Möchten Sie uns jetzt vielleicht den Namen seiner Geliebten nennen?“

      „Mich hat es nie interessiert, mit wem er sich traf. Ich hätte das aufgrund seiner politischen Aktivitäten sowieso nicht kontrollieren können. Neulich hat mir eine Freundin gesagt, dass sie seinen Wagen oft vor einem Haus am Dingelstedtwall gesehen hat. Aber das hat mich nicht interessiert. Vielleicht wohnt da auch ein Parteibruder.“

      „Wir prüfen das. Schreiben Sie uns doch bitte die Adresse auf. Vielen Dank.“

      „Wenn Sie erlauben, würde ich jetzt gerne allein sein.“

      „Das verstehen wir, Frau Kuhlmann.“ Peter drückte ihr die Hand. „Es tut uns sehr leid.“

      Als Hetzer und Kruse wieder an der frischen Luft waren, mussten sie erst mal tief durchatmen. Wie Blei lastete dieser Sonntagnachmittag auf ihnen. Auch hier draußen hatte sich der Himmel bezogen.

      „Kommst du nun noch mit zu mir zum Essen?“, fragte Hetzer.

      „Och nö, du. Das ist echt nett von dir, aber ich sehe dich morgen früh schon wieder. Manchmal bin ich auch gern allein. Ich hole mir auf dem Weg eine Currywurst und vielleicht ein paar Pommes.“

      „Wie du meinst, bei mir gibt es Nudeln in Gorgonzolasoße mit Feigen. Aber wenn du Fastfood vorziehst ...“

      Kruse lachte und tippte sich an die Stirn.

      „Na dann, guten Appetit! Hauptsache, es ist kein altes Gulasch.“

      „Du Idiot!“, sagte Hetzer und verzog angewidert das Gesicht. Er dachte, dass er für einige Zeit ganz bestimmt kein Gulasch essen würde, auch wenn sein Bœuf bourguignon eine ganz besondere Delikatesse war.

       Sonntagabend

      Als Hetzer nach Hause kam, sah er erleichtert, dass die Mülltonne schon an der Straße stand. Ein Glück, das scheußliche Zeug war aus seiner Tonne verschwunden. Dafür warf er jetzt die Overalls hinein und zog die Tonne wieder auf den Hof. Irgendwie fühlte er sich durch diese ungewollte Gabe bedroht. Jemand war auf sein Grundstück gekommen und hatte ihm schaden wollen. Und dieser Jemand war in seine Privatsphäre eingedrungen. Gaga stand längst am Tor, als er den Wagen in der Garage geparkt hatte. Emil machte hinter seinem Zaun einen langen Hals und schlug mit den Flügeln. Er hatte sich einen ganz besonderen Begrüßungston angewöhnt. Man hätte das sanfte Gackern fast „Gurren“ nennen können.

      Weil es mittlerweile dämmerte, war es wohl am besten, wenn er den Ganter gleich in den Stall brachte. Dann musste er später nicht noch einmal raus. Sobald die Sonne unterging, wurde es jetzt schon empfindlich kalt. Nachdem sich vorhin erste Wolken gezeigt hatten, sah es jetzt so aus, als ob es bald regnen würde.

      „Komm, Emil, mein Guter. Willst du ein paar Körner? Put, put, put“, lockte er das Tier in den Stall, füllte Wasser nach und machte die Wärmelampe an. Dann kraulte er Emil zwischen den Flügeln und an der Brust. Er streckte sich vor Vergnügen.

      Aus dem großen Sack füllte er mit einer Schütte das Körnergemisch in Emils Napf. Sofort ließ dessen Interesse an ihm nach. Hetzer lachte und sagte: „Da seid ihr alle gleich. Wenn es ums Fressen geht, bin ich abgeschrieben.“

      Gaga wartete vor dem Stall. „Ja, du auch! Von wegen treue Seele. Alle korrupt.“

      Mit diesen Worten ging er zufrieden schmunzelnd durch den Hauswirtschaftsraum ins Haus. Es waren eben Tiere und das sollten sie auch bleiben dürfen. Sein Magen sagte ihm, dass er auch essen wollte. Da fiel ihm der Topf wieder ein. Er vermutete, dass dessen Inhalt einmal Benno gehört hatte. Ein unteres, delikates Stück Benno. Gut, dass es heute kein Fleisch bei ihm gab. Wahrscheinlich würde er in den nächsten Tagen eher Fisch oder vegetarisch essen. Wenigstens bis er wusste, ob seine Vermutung richtig war. Nach einem Abend ohne besondere Vorkommnisse schlief Wolf friedlich ein. Dazu hatten auch das Nudelgericht und der Weißwein ihren Beitrag geleistet.

      Mitten in der Nacht schreckte er plötzlich hoch. Er musste wieder geträumt haben. Aber das Einzige, woran er sich noch erinnerte, war ein riesengroßer, haarloser Säugling mit den Gesichtszügen eines alten Mannes. Etwas stimmte an dem Bild nicht. Doch er wusste nicht was, weil es längst verblasst war.

       Unter dem Griff

      Es war Seppi, der ihn schon früh am Morgen zu Hause anrief.

      „Du, Hetzer, hör mal, dein Topf hat mir keine Ruhe gelassen. Ich konnte sowieso nicht schlafen. Da hab ich ihn mir mal vorgenommen.“

      „Ja und?“

      „Nix!“

      „Wie, nix?“

      „Ganz normales, vergammeltes Schweinegulasch mit ein paar Maden drin. In unterschiedlichen Lebensstadien. Es ist also schon länger her, dass das gekocht wurde. Der Topf ist nichts Besonderes. Billige Supermarktware. Da kommen wir nicht weiter. Aber eine Sache hab ich noch.“

      „Jetzt lass dir doch nicht jedes Wort aus der Nase ziehen, Seppi. Das ist anstrengend. Das hast du schon immer so gemacht.“

      „Macht ja auch Spaß. Also: Ich habe noch ein klein wenig DNA gefunden. Menschliche DNA.“

      „Könnte die auch von mir sein?“

      „Könnte schon, weil es männliche ist. Aber ist es nicht. Ich meine, deine ist es nicht. Die war natürlich auch vorhanden, aber ich habe unter dem Griff noch eine weitere gefunden und die könnte von diesem miserablen Koch stammen.“

      „Sehr interessant. Aber jetzt sag mir mal, woher du weißt, dass das meine DNA ist, die da auch an dem Topf war.“

      „Deine Nachbarin war so freundlich, mir deine Bürste zu bringen, zwecks Abgleich. Da waren übrigens auch weibliche Haare drin. Aber das geht mich ja nix an, wer deine Bürste so benutzt. Von einem anderen Mann habe ich jedenfalls keine Haare gefunden. Das spricht für die Dame oder dafür, dass du nicht homosexuell veranlagt bist.“

      „Deine Schlussfolgerungen bezüglich meines Privatlebens sind sehr aufschlussreich. Mich interessiert aber mehr diese unbekannte, männliche DNA. Kannst

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