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sich doch gar nicht in den besseren Kreisen.“

      „Das ist ihr bestimmt rausgerutscht, weil sie sich so aufgeregt hat. Viel schlimmer finde ich die radikalen Ansichten, die sie vertritt. Ich dachte, das hätten wir schon mehrere Jahrzehnte hinter uns gelassen.“

      „So etwas kommt immer mal wieder aus dem Gully gekrochen, glaub mir.“

      „Da hast du wahrscheinlich recht, aber es ist erschreckend. Mal sehen, was uns in Exten erwartet.“

      Als Wolf und Peter an der Haustür der Familie König klingelten, machte zunächst niemand auf. Es war halb drei. Sie klingelten erneut und hämmerten auch mit dem Löwenkopf gegen das Metallschild im Türbalken.

      „Ja, ja, ich komm ja schon“, rief es durch die Tür. „Kann man nicht mal am Wochenende ein Nickerchen machen?“

      Die Beamten sahen auf die Uhr.

      „Was wünschen Sie?“, fragte eine leicht verschlafene Stimme durch den Türschlitz.

      „Kripo Rinteln. Wir hätten da in einem Vermisstenfall ein paar Fragen an Sie.“

      „Können Sie sich ausweisen?“

      Hetzer und Kruse hielten ihre Ausweise durch den Spalt.

      „Na, dann mal hereinspaziert. Ich bin gespannt, wobei wir Ihnen helfen könnten.“ Der Mann schlurfte ins seinen Puschen voraus. Er war unrasiert und circa Mitte fünfzig.

      „Entschuldigen Sie, wir waren gestern lange wach. Ich hole mal meine Frau.“

      Wolf und Peter nahmen Platz. Sie sahen sich um. Nichts Besonderes. Ein eher biederes Wohnzimmer mit Dreisitzer, Zweisitzer und Sessel, in der Ecke eine Stehlampe. Der Fernseher war allerdings neuester Bauart.

      „Verzeihen Sie, mein Mann hat mir gesagt, dass wir Besuch haben. Ich bin noch leicht derangiert. Wir waren bis spät in die Nacht auf einem Ball in Hameln. Eigentlich war es schon Morgen.“ Sie zog ihren Morgenrock fester um sich und nahm im Sessel Platz. „Was kann ich für Sie tun, meine Herrn?“

      „Frau König, Sie sind Samtgemeindebürgermeisterin von Exten. Ist das richtig?“

      „Das ist korrekt.“

      „Stimmt es, dass Sie Benno Kuhlmann aus Rinteln kennen? Ich glaube, er gehört derselben Partei an wie Sie.“

      Marlies wurde ein bisschen blass um die Nase, aber sie hatte ihre Fassung wieder, bevor sie sprach:

      „Benno ist ein früherer Schulfreund von mir. Ein ganz alter Kumpel. Das hat mit Politik weniger zu tun. Wir haben nie den Kontakt zueinander verloren über die Jahre. Wenn wir uns auch nur sporadisch mal gesehen haben. Was ist denn mit Benno? Ich habe mich schon gewundert, dass er gestern nicht beim Ball war. Da haben wir uns jedes Jahr getroffen.“

      „Benno ist seit mehr als zehn Tagen verschwunden. Wir wissen nicht, wo er ist. Wir dachten, dass Sie vielleicht einen Anhaltspunkt für uns hätten – eine Idee, wo er sein könnte.“

      Inzwischen war auch Jochen König zurückgekehrt. Er hatte sich rasiert und angezogen.

      „Keine Ahnung. So eng war der Kontakt nun auch wieder nicht!“, sagte Marlies bedauernd.

      „Ach“, entgegnete Hetzer, „dann würden Sie eine sexuelle Beziehung also für nicht allzu eng halten?“

      Marlies wurde so weiß wie ihr Morgenrock.

      „Ich bitte Sie, meine Herren, wie kommen Sie denn auf so etwas?“

      „Ein Vöglein hat das vom Dach geträllert. Wir haben nur genau zugehört.“

      „Dann muss ich Sie enttäuschen. Ich betrüge meinen Mann nicht. Wir führen eine glückliche, christliche Ehe.“

      „Von Betrügen habe ich auch gar nicht gesprochen. Sie beide hatten ein Verhältnis mit Benno. Eine ,Ménage à trois’, wie der Franzose so schön sagt. Aber keine Angst, das bleibt so lange unter uns wie möglich. Wenn Sie mit uns zusammenarbeiten und alles dafür tun, dass wir Benno finden, bleibt ihr kleines Geheimnis bei uns sicher. Aber wir müssen alles über Benno wissen, damit wir uns ein Bild machen können, was mit ihm passiert ist.“

      „Komm Marlies, jetzt gib es schon zu. Wenn du es weiter abstreitest, werden die beiden einen Weg finden, die Wahrheit auf andere Weise herauszubekommen. Ja, wir hatten ein Verhältnis mit Benno. Beide. Aber mit seinem Verschwinden haben wir nichts zu tun. Wir haben uns schon gewundert, warum er beim JoyClub nicht mehr aktiv ist. Wir dachten, Marga hätte wieder mal Stress gemacht.“

      „Weiß Marga von Ihrem Dreierverhältnis?“

      „Ich glaube nicht. Vielleicht ahnt sie, dass irgendwo irgendetwas mit irgendwem läuft. Mehr sicher nicht. Sie kann auch nicht mit dem Computer umgehen, so halten wir Kontakt mit ihm. Telefon wäre zu auffällig.“

      Marlies schüttelte den Kopf.

      „Jetzt hast du uns eine schöne Scheiße eingebrockt! Da kann ich ja mein Amt am besten gleich niederlegen! Ich sehe die Schlagzeile schon vor mir: ,Die Bürgermeisterin vögelt mit zwei Kerlen.‘ Ein gefundenes Fressen für die Zeitungen.“

      „Frau König, das sehen Sie falsch. Wir möchten auch nicht, dass etwas an die Öffentlichkeit dringt. Wir müssen nur sicherstellen, dass Bennos Verschwinden nichts mit seinen sexuellen Neigungen zu tun hat. Und genau das möchten wir herausfinden. Es gibt sonst nicht den Ansatz einer Spur – außer, dass er mit einem Fremden aus dem ,Stadtkater’ in Richtung Park gegangen ist. Wir brauchen Ihre Hilfe.“

      „Ok, ist ja jetzt eh schon egal. Also, ich kenne Benno wirklich aus der Schule, aber wir haben uns viele Jahre nicht gesehen, bis ich sein Profil bei JoyClub gelesen habe. Auch da wusste ich noch nicht, dass es sich um ihn handelt. Die Personen dort sind anonym. Jochen und ich sind als Paar registriert. Wir suchen andere Personen oder Paare mit bisexuellen Neigungen, mit denen wir uns treffen können, um unsere Wünsche auszuleben. Da wir an dauerhaften Partnerschaften interessiert sind, haben wir von Exten aus einen Umkreis von 25 Kilometern angegeben. Wirklich rein zufällig haben wir Benno so wiedergetroffen. Als er uns sein Foto schickte, musste ich erst schlucken und dann lachen. Wir haben überlegt, ob es etwas ausmachen könnte, dass wir uns aus der Vergangenheit kannten. Sympathisch war er mir immer. Wir dachten dann, dass es eigentlich gut sei, ihn für die Treffen auszuwählen, da ihm genauso viel daran lag, unentdeckt zu bleiben wie uns. Stellen Sie sich vor, das würde bekannt. Ein gefundenes Fressen für alle, die uns zerreißen wollten.“

      „Gut, das klingt logisch. Können wir davon ausgehen, dass Benno beim Sex durchaus auch an Ihrem Mann Gefallen gefunden hat?“

      „Herr Kommissar, so eine Begegnung lebt von der Vielzahl der Möglichkeiten. Man will entdecken. Da schreckt man doch nicht vor dem anderen zurück. Man fasst sich an, ergründet die Körper, streichelt, liebkost und bietet sich an. Sex mit einer Person kann schon schön und vielfältig sein. Sex mit mehreren eröffnet ganz neue Räume. Sie sollten es einmal probieren.“

      „Dann hat also Benno, der vehement gegen Homosexualität gewettert hat, auch mit Ihrem Mann geschlafen?“

      „So eindeutig kann man das nicht benennen, das wäre zu einfach, aber ja, er hat meinen Mann berührt, ihm Lust bereitet und ist auch sonst mit uns satt geworden.“

      „Vielen Dank für Ihre Offenheit. Können Sie uns sagen, wo Sie vor zwölf Tagen waren, so in den Abendstunden nach 22 Uhr?“

      „Das kann ich Ihnen ganz genau sagen. Wir sind nämlich erst vor einer Woche aus dem Urlaub zurückgekommen. Wir waren zwei Wochen auf Teneriffa. Herrlich. Ein traumhaftes Klima.“

      „Ich gehe davon aus, dass Sie das belegen können. Gut, dann haben wir erst einmal keine weiteren Fragen.“ Hetzer stand auf und schüttelte Marlies König die Hand. Ihr Mann hatte unterdessen eine Schrankschublade geöffnet und wedelte mit den Flugscheinen. Peter warf einen Blick darauf.

      „Vergessen Sie Ihr Versprechen nicht, Herr Hetzer.“

      „Kein Wort wird über meine Lippen kommen.“

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