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Tatortspuren vorgesehen war.

      Er würde sich wieder Micas Spott zuziehen, wenn er ihr die Ratte brachte. Aber es konnte sein, dass der Mörder sich durch die Ermittlungen gestört fühlte und ihm eine Botschaft gesandt hatte. Das musste er wissen und vielleicht hatten sie Glück und, wer auch immer, hatte dabei nicht aufgepasst und es waren Spuren an dem Kadaver, die ihnen Hinweise geben konnten.

      Noch während des Frühstücks rief er Peter an. Es schmeckte ihm heute nicht besonders. Was für ein Morgen. Sein Kollege lachte ihn nicht aus.

      „Wieso kommst du darauf, dass dir jemand die Ratte vor die Tür gelegt hat?“

      „Vielleicht sind wir Pfarrer Fraas’ Mörder schon gefährlich nahegekommen!“

      „Du, mir fällt da noch was ein. Hast du schon mal darüber nachgedacht, dass es Parallelen zum Mord geben könnte?“

      „Inwiefern?“

      „Na ja, der Pfarrer wurde schließlich ersäuft wie eine Ratte – und das in Hameln, wie es aussieht. Das ist ja fast ein kulturhistorisch interessantes Verbrechen. Und jetzt legt er dir eine Ratte vor die Tür. Quasi als Warnung. War die eigentlich kastriert, die Ratte?“

      „Was? Na, du kommst auf Ideen. Also, ehrlich gesagt, habe ich ihre Genitalien nicht untersucht. Das kann Mica machen. Ich fasse das Biest nicht ein zweites Mal an. Deine Idee ist aber interessant. Ich bin gespannt, ob da was dran ist.“

      „Dann lass uns abzischen. Ich bin gleich mit dem Dienstwagen bei dir. Du brauchst nur mit deiner Beute einzusteigen.“

      Mica zog die Brauen hoch, als Peter und Wolf in der Tür zum Seziersaal standen. Zwei der Edelstahltische hinter ihr waren mit Tüchern bedeckt. Darunter etwas Unförmiges, was sie lieber nicht sehen wollten. Der Geruch war atemraubend. Mica hatte sich stark riechende Creme unter die Nase geschmiert.

      „Einen wunderschönen guten Morgen, ihr Helden. Habt ihr schon neue Erkenntnisse? Kommt ihr voran?“

      „Vielleicht“, sagte Hetzer und hielt der Pathologin den Beutel hin.

      „Ist das ein Geschenk für mich?“

      „Vielleicht eher für mich, ich weiß es nicht genau.“

      „Und von wem hast du das?“ Mica schielte belustigt in die Tüte. „Ich bin ja froh, dass es nicht für mich ist.“

      „Na ja, in gewisser Weise ist es jetzt für dich. Ich möchte nämlich, dass du das Tier auf menschliche DNA untersuchst.“

      „Das ist doch nicht dein Ernst oder? Das ist eine Ratte.“

      „Ich weiß, dass das kein Schmetterling ist. Ich denke, dass sie mir von Josef Fraas’ Mörder vor die Tür gelegt worden ist.“

      Mica lachte. „Ach so. Hmm. Wieso sollte er das tun?“

      „Um mich einzuschüchtern? Um mir einen Hinweis zu geben? Um eine Parallele zu zeichnen? Keine Ahnung. Ich muss zwei Sachen wissen – neben dem DNA-Abgleich. Ist die Ratte ertränkt worden und ist sie kastriert?“

      „Auch wenn ich denke, dass du ein klein wenig paranoid bist, das erste haben wir gleich“, sagte Mica und zog das Tier aus dem Beutel. „Also, Eier hat sie augenscheinlich keine, aber ob sie mal welche hatte? Da muss ich erst genauer nachgucken. Es könnte auch sein, dass sie einen Hodenhochstand hat.“ Mica grinste über ihren eigenen Scherz. „Ob sie ertrunken ist, kann ich euch erst später sagen. Im Moment ist sie noch zu steif. Ich muss ein bisschen warten mit der Obduktion. Aber ich rufe euch nachher an.“

      Mit diesen Worten ließ sie die Ratte los, die knisternd in den Plastikbeutel fiel und legte sie auf den freien Seziertisch.

      „Glaubt jetzt aber nicht, dass ihr mir jeden Kadaver, den ihr bei euch zu Hause findet, hier abladen könnt mit irgendwelchen wilden Geschichten.“

      „Nein, ehrwürdige Mechthild, Forscherin in den Körpern Verstorbener, nur wenn es die Ermittlung erfordert.“

      „Du hast echt ‘nen Knall, Hetzer!“, lachte sie. „Also ich würde mir das an deiner Stelle mit dem Polizeipsychologen überlegen. Ein leichter Ansatz von Verfolgungswahn ist durchaus erkennbar.“

      Mit diesen Worten entschwand sie in die heiligen Hallen ihrer Kühlkammer und ließ die Kommissare stehen.

      „Tja“, schüttelte Peter den Kopf, „jetzt habt ihr es euch ja wieder so richtig gegeben. Könnt ihr eigentlich nicht anders?“

      „Ich weiß auch nicht. Wenn ich sie sehe, mit ihrer provozierenden Art, dann muss ich einfach Kontra geben. Das geht wirklich nicht anders. Ich habe immer das Gefühl, sie nimmt uns auch nicht ernst. Sie hat keinen Respekt vor uns.“

      „Muss sie den denn haben?“

      Hetzer rieb sich das Kinn.

      „Oh doch, ich bin schon der Meinung, dass jeder Mensch vor dem anderen Respekt haben sollte. Bei Mica bin ich mir da aber nicht sicher. Ich fühle mich immer auf den Arm genommen. Wahrscheinlich meint sie das gar nicht böse, sie ist eben so. Vielleicht sieht sie andere und sich selbst auch immer mit Ironie. Wer weiß. Auf jeden Fall ist sie mir entscheidend lieber als so ein stocksteifes Akademikerarschloch, das uns arrogant von oben herab behandelt.“

      „Aber genau das tut sie doch auf ihre Art. Nur zieht sie es ins Lächerliche. Ob das besser ist? Ich weiß nicht. Sie ist schon ein komischer Mensch.“

      „Vielleicht wären wir das auch, wenn wir ständig in Toten rumwühlen müssten. Vielleicht schafft das eine Ironie den Lebenden gegenüber.“

      Peter schüttelte den Kopf und grinste.

      „Schon klar, du magst sie. Ich weiß. Und du findest immer Entschuldigungen für das Verhalten anderer. Hetzer, du bist zu gut für diese Welt. Ich weiß überhaupt nicht, wie du diesen Beruf ergreifen konntest, wo du immer mit dem Gegenteil konfrontiert wirst.“

      „Vielleicht grade deshalb!“, sagte Hetzer und streckte sich auf dem Beifahrersitz aus.

       Bennos Erkenntnis

      Als Benno wieder erwachte, hörte er das Tropfen nicht mehr. Obwohl es ihm vorher Angst gemacht hatte, vermisste er es jetzt. Es war gespenstisch still in dem dunklen Raum. Die Panik ergriff ihn wieder. Aber er lag wenigstens nicht mehr auf diesem kalten Brett. Und er war nicht mehr angeschnallt. Ein bisschen benommen war er noch, kauerte in irgendeiner Ecke. Alle Knochen taten ihm weh in dieser komischen Haltung. Er rückte ein bisschen hin und her, tastete mit den Händen an der Wand lang. Komisch, die eine war glatt mit einem rauen Linienmuster. Das mussten Fliesen sein. Die andere war ein Geflecht aus Metall. Er konnte vier Finger bis zum ersten Glied hindurchstecken. Als er sich aufrichten wollte, stieß er gegen die Decke. Mist. Die war zu niedrig. Er schätzte die Höhe auf unter anderthalb Meter. Auf dem Boden lag eine Art Felldecke. Vorsichtig tastete er sich weiter. In einer Ecke fand er eine Flasche. Sie schien voll zu sein. Er öffnete sie und roch daran. Nichts. Er hatte Durst. Jetzt, wo er die Flasche gefunden hatte, war der Durst noch größer geworden. Nur ein kleiner Schluck. Es war den Versuch wert. Benno setzte die Flasche an die Lippen und war erleichtert. Wasser, es war Wasser. Gierig trank er und fühlte sich gleich besser. Nur sein Hals tat noch etwas weh.

      Nach und nach wich die Benommenheit. Dafür fühlte er jetzt wieder das Ziehen im Unterleib. Er tastete an sich herum und spürte einen dünnen Draht zwischen seinen Fingern. Ein weicher Draht, den er zusammendrücken konnte. Er zog daran. Das unangenehme Gefühl wurde stärker, tat fast weh. Vorsichtig fuhr er an dem Draht entlang, der durch das Gitter nach draußen führte. Wohin, konnte er weder sehen noch durch das Geflecht fühlen. In der anderen Richtung führte der Draht direkt zu ihm. Zu seinem Schwanz. Ihm wurde schlecht. Das war kein Draht, das war ein Katheter. Er fühlte. Und er fühlte nichts. Öffnete den Knopf der Hose. Der Reißverschluss war bereits offen. Tastete am Schlauch entlang in seine Unterhose. Der endete im Nichts. Er würgte. Erbrach Wasser und Galle, denn sein Magen war noch leer. Schrie ohne Worte und weinte gleichzeitig. Konnte es nicht

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