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hert ma des no? I bin damals mit’n Herrn Pfarrer von Minga kumma, Verzeihung, von München gekommen. Ober mir san jetzad scho fast vierzig Jor hier o’m bei die Preiß’n. Un jetzt is er oam von dene zum Opfer g’foin.“

      „Frau Brüderl, wir sind aber schon ein Volk, auch wenn Bayern ein Freistaat ist. Außerdem wissen Sie überhaupt nicht, ob der Mörder nicht auch ein Bayer gewesen sein kann. Ein Feind aus alten Zeiten.“

      Heide Brüderl schluchzte. Das Wort Mörder hatte sie aus der Fassung gebracht. Aber sie riss sich zusammen und versuchte, möglichst hochdeutsch zu sprechen.

      „Der Herr Pfarrer hat überhaupt keine Feind net gehabt. Er ist ein guter Mensch gewesen. Mir ham hier ganz zurückgezogen gelebt. Nur immer mit dem Blick auf den Herrgott und die Jungfrau Maria.“

      „Frau Brüderl, sagen Sie, haben Sie ein Verhältnis mit Pfarrer Fraas gehabt? Gibt es möglicherweise andere Damen, die ein Auge auf den Pfarrer geworfen hatten?“

      Jetzt musste Heide trotz allem lachen.

      „Ah geh, nur weil ich dem Pfarrer seine Haushälterin so viele Jahre gewesen bin, muss ich nicht gleich auch in sein Bett eini g’hupft sein. Nein, mir ham a guade Freundschaft g’pflegt und mehr net. Die Zeit schweißt einen halt trotzdem zamm.“

      „Meinen Sie, dass es eventuell trotzdem jemanden geben könnte, der dem Pfarrer irgendwie etwas übel genommen hat? Hatte er woanders eine Freundin? War ein anderer Pfarrer auf ihn eifersüchtig oder neidisch?“

      „Net, dass i wüst. Es hot vielleicht mal des oane oder andere G’schpusi ge’bn, aber des is fei a long her. Na, i könnt nix soagn, des oaner unsam guaden, oiden Herrn Pfarrer ebbes Boeis hot dun woill’n.“

      „Wenn Ihnen noch etwas einfällt, würden wir uns freuen, wenn Sie uns anrufen würden.“ Hetzer überreichte ihr seine Visitenkarte, die er am Morgen druckfrisch auf seinem Schreibtisch vorgefunden hatte.

      „Wann könn’ wir ihn denn begroab’n?“

      „Das kann ich noch nicht sagen. Wenn die Untersuchungen abgeschlossen sind, melden wir uns sofort bei Ihnen. Vielen Dank für Ihre Hilfe.“

      „A guade Hilf bin i eahna net gwe’n. Entschuldigen’s schon und an schena Dog no.“

      „Immerhin habe ich jetzt nicht mehr so großen Hunger!“, sagte Peter Kruse erleichtert und streckte sich im Dienstwagen aus.

      Er hatte fast die ganze Schüssel Kipferl verdrückt und hielt sich jetzt den Magen. Darum musste diesmal auch Hetzer fahren, der den Sitz erst einmal vier Raster nach vorn schieben musste.

      „Mann, bist du ein Riese, Peter. Das ist ja unglaublich. Wie groß bist du eigentlich?“

      „Ich bin nur 1,99 m groß. Das geht doch noch. Ist unter zwei Meter.“

      Während der Fahrt zurück nach Rinteln schlief Peter, der Große, ein wie ein Baby nach seinem Mittagsbrei. Wohlig zurückgelegt schnarchte er an der Schaumburg vorbei und ließ sich bis zu Bennos Haus kutschieren, das jetzt vielleicht schon das von Marga war, wenn Benno Pech gehabt hatte. Pfui, was für Gedanken, schalt sich Wolf. Inzwischen war es fast Feierabend, aber das wollten sie noch erledigen. Sie wollten Marga Kuhlmann fragen, ob sie den Fremden kannte, mit dem sich ihr Mann im ,Stadtkater’ getroffen hatte oder ob es eine Zufallsbekanntschaft war. Es konnte auch sein, dass Benno inzwischen wieder aufgetaucht war. Obwohl — dann hätten ihn die Kollegen informiert.

      Vor Kuhlmanns Haus weckte er Peter, was eine schwere Aufgabe war, denn der Hüne steckte in tiefsten Träumen.

      „Los, aufwachen, du Vielfraß. Wenn du nicht so reingehauen hättest, wärst du jetzt fitter. Zuviel Fett und Kohlehydrate! Das macht müde. Los jetzt!“ Er knuffte seinen Kollegen unsanft in die Seite.

      „Hä?“, fragte Peter in diesem Moment wenig intelligent.

      „Feuer auf dem Luhdener Klippenturm!“, rief Hetzer, und Kruse war wach. Er fuhr hoch und stieß sich den Schädel an der Fahrzeugdecke.

      „Immer schön ruhig bleiben. Fehlalarm!“, lachte Hetzer.

      „Du warst nicht zu wecken. Auf jetzt, wir sind bei Marga Kuhlmann und wollen sie nach dem Fremden fragen. Geht das rein in dein müdes Hirn?“

      „Ich bin doch schon längst wach!“, meckerte Peter und rieb sich den Kopf. „Du Leuteschinder!“

      Es dauerte ein bisschen, bis Marga Kuhlmann an die Tür kam. Es war erst sechs Uhr, doch sie wirkte verschlafen. Vielleicht hatte der Arzt ihr ein Beruhigungsmittel gegeben.

      „Frau Kuhlmann“, sagte Hetzer an der Haustür, „wir wollen Sie nicht lange stören, wir haben nur noch ein paar Fragen. Ihr Mann ist mit einem Fremden gesehen worden, der mit ihm den ,Stadtkater’ verlassen haben soll. Hat Ihr Mann kürzlich eine neue Bekanntschaft gemacht? Kennen Sie den Mann?“

      „Benno macht ständig neue Bekanntschaften. Er ist Politiker und immer auf Wählerfang. Wie sah der Kerl denn aus?“

      „Mittelgroß, dunkelblondes Haar, eigentlich ziemlich durchschnittlich. Er könnte Vegetarier sein.“

      „Das sagt mir nichts. Das könnte auch auf viele zutreffen.“

      „Da haben Sie recht. Bis jetzt gibt es aber keine weitere Spur. Es hat sich auch niemand bei Ihnen gemeldet? Keine Drohbriefe? Keine Geldforderungen?“

      Marga fiel in sich zusammen. Sie wirkte auf einmal ganz klein.

      „Meinen Sie, dass mein Mann auch entführt worden sein könnte?“

      „Das können wir nicht sagen, aber wir müssen alle Möglichkeiten in Betracht ziehen. Bitte halten Sie Augen und Ohren offen. Gehen Sie ans Telefon, auch wenn es Ihnen schwerfällt. Sollte Ihr Mann entführt worden sein, werden die Entführer sich melden und ihre Bedingungen mitteilen.“

      „Sollen wir Sie hineinbringen?“, fragte Kruse, der sich Sorgen machte, dass Marga Kuhlmann gleich an der Haustür umkippen würde.

      „Nein, nein, das geht schon, vielen Dank.“

      „Bitte informieren Sie uns umgehend, falls sich jemand melden sollte! Hier ist meine Karte. Sie können Tag und Nacht anrufen.“

      Marga Kuhlmann nickte und schloss die Tür. Sie tat den Beamten leid. Es war schon mit Benno schwer gewesen, doch ohne ihn wirkte sie wie ein Häufchen Elend. Nicht lebensfähig, so als ob sie beschützt werden müsste. Doch das war nicht ihre Aufgabe.

      Wolf und Peter beschlossen, Feierabend zu machen. Für heute war es genug. Morgen war ein neuer Tag. Selbst Hetzer beschloss später, nur noch ein Brot zu essen, denn jetzt war er zu allem zu müde. Auch der Kamin würde heute ausbleiben. Ihn gelüstete es nach seinem warmen, kuscheligen Bett, in dem er sofort in einen tiefen Schlaf fiel.

       Im Verließ

      Als Bennos Sinne zurückkehrten, spürte er, dass es kalt war. Widerlich kalt. Er lag auf blankem Stahl und konnte sich nicht rühren. Irgendwo tropfte es. Wieder und wieder. Er hatte keine Kraft herauszufinden, wo. Tropf, tropf, tropf, immer derselbe Rhythmus. Ganz dicht. Doch er konnte nichts erkennen. Schwärze. Nacht – in ihm und um ihn herum.

      „Hallo, haaaallooo!“, kam es leise und verzerrt aus seiner Kehle. Sie war rau, tat weh, und da war noch ein anderer Schmerz. Tiefer, dumpfer. Irgendwo weiter unten.

      Tropf, tropf, tropf. Das Monotone dieses Geräuschs machte ihn langsam verrückt. Es war sonst nichts im Raum. Außer ihm und dem Tropfen. Sein Krächzen hallte von den Wänden zurück. Warum war er hier? Warum fror er so und warum kam er hier nicht weg? Er hatte auch keine Ahnung, wie lange er schon hier war. Es war so dumpf um ihn herum. Als ob Nebel alles Laute und Grelle verschluckte.

      Erst langsam kehrten die Sinne zurück. Je wacher er wurde, desto größer wurde seine Panik. Vorsichtig fühlte er mit den Fingern auf dem Stahl und an sich selbst entlang, so weit er konnte. Er war nackt und er war festgeschnallt.

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