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gut, dann raus mit der Horrorstory.“

      „Ist gar nicht so schlimm. Ich will euch etwas über das Nahrungsverhalten der Maden erzählen. In diesem Fall über die Spezies Calliphora vomitoria, auch Schmeißfliege genannt. Diese Tierchen bevölkerten nämlich überwiegend unseren lieben Benno. Als ich ihn mir angeschaut habe, hatten die Maden eine Größe von circa 13 mm. Das vordere Drittel ihres Darms war mit Nahrung gefüllt. Bei einer mittleren Temperatur von durchschnittlich 15 °C und nicht zu dunklen Lichtverhältnissen bedeutet das, dass Benno ca. acht Tage tot war, als Nadja ihn fand. Er starb also ungefähr vor einer Woche. Genauer möchte ich mich nicht festlegen.“

      „So, und das kannst du anhand dieser Viecher erkennen?“

      „Exakt!“

      „Erzähl uns mehr. Was hast du sonst noch gefunden?“

      „Wie schon gesagt, ist Benno ziemlich fachgerecht kastriert worden. Man kann zwar sagen, dass derjenige diese Operation wohl noch nie oder nicht oft durchgeführt hat, aber er wusste, was er tat oder tun musste. Das Resultat ist eine wirklich zufriedenstellende Genitalplastik. Mit einem kleinen Fehler im Bereich des Blasenausgangs. Aber wenn er noch ein bisschen üben würde, tja, dann könnte man ihn einstellen.“

      „Du bist pervers, Mica, echt!“

      „Nun stell dich mal nicht so an, Wölfchen. Ach, noch etwas, und da wird die Sache interessant. Wenn man sich bei den Kastrationen von Fraas und Kuhlmann noch unsicher war, ob sie aufgrund der Vorgehensweise von ein und demselben Täter gemacht worden sind, dann hilft einem ein weiteres, klitzekleines Detail weiter. Benno Kuhlmann war wie Fraas seines Schildknorpels, also seines Adamsapfels, beraubt worden. Was sagt ihr nun? Ich hatte das wegen der Narbe schon vermutet, aber nun ist es sicher. Also: Zwei Entmannungen und zwei Entäpfelungen, wenn auch unterschiedlich ausgeführt.“

      „Gibt es weitere Gemeinsamkeiten?“

      „Also eine Sache ist komisch. Obwohl ja nun Kuhlmann längere Zeit in der Gewalt des Täters gewesen sein muss, habe ich keine DNA von ihm gefunden. Das bedeutet, dass er absolut sorgfältig gearbeitet haben muss. In Schutzkleidung gewissermaßen. Das Abflammen des Körpers am Tatort hat natürlich auch noch alles Mögliche zerstört, falls etwas da gewesen ist. Nadja hatte mich da übrigens auf eine gute Idee gebracht. Sie sagte, er sei abgeflammt worden wie ein Schwein. Das ist wohl früher bei Hausschlachtungen auch so gemacht worden. Damit gäbe es eventuell eineweitere Übereinstimmung in gewisser Weise. Ratet mal!“

      „Och Mica, komm, das führt doch zu nix. Sag uns, was du weißt.“

      „Also, das ist nur so eine Überlegung von mir. Muss absolut nichts zu sagen haben, aber im Prinzip hat mich deine Ratte – du weißt schon, die nicht ersäufte – darauf gebracht.“

      „Ah ja, wieso?“

      „Guck mal. Der Pfarrer ist – und das ausgerechnet in der Rattenfängerstadt Hameln – wie eine Ratte ersäuft worden. Habt ihr mal etwas über seinen Charakter recherchiert? Und Bennochen ist wie ein Schwein abgestochen worden. Man hat ihn wie eins ausbluten lassen und seine ,Borsten’ abgefackelt. Na, klingelt da was? Der eine war eine miese Ratte und der andere ein fieses Schwein. Das soll bei Klerus und Politik schon mal vorkommen.“

      „Mensch Mica, ich glaube, da hast du wirklich eine gute Idee! Er bringt sie um wie die Tiere, die sie waren. Das ist noch ein Schritt weiter. Er zeichnet ihre Charaktere in seinem Mordbild. Aber warum kastriert er sie? Und warum so unterschiedlich?“

      „Also, den ganzen Fall kann ich jetzt auch nicht für euch lösen. Ein bisschen müsst ihr schon selber machen. Bennos Blasenschließmuskel war übrigens ein bisschen zu Schaden gekommen. Ich glaube, er konnte das Wasser nicht mehr halten. Er hätte einen Katheter gebraucht in Zukunft oder Windeln. Aber das ist ihm ja erspart geblieben.“ Mica lachte.

      „Du hast wirklich einen komischen Humor. Aber in deinem Fachgebiet bist du ein Ass! Hut ab, Mica!“

      „Gibt es sonst noch etwas zu berichten?“

      „Außer ein paar Hämorrhoiden und Marisken nichts Besonderes. Wobei letztere darauf hindeuten könnten, dass er gerne heftigen Analverkehr hatte.“

      „Was bitte sind Marisken?“

      „Das sind kleinere Vernarbungen am Schließmuskel. In diesem Fall infolge von Rissen. Die können auf unterschiedliche Art entstehen.“

      „Bitte erspar uns jetzt die Einzelheiten“, rief Kruse, der das Gespräch mitgehört hatte. „Mir ist auch so schon schlecht.“

      „Hast du bei dem Pfarrer auch so etwas gefunden?“

      „Schon, aber das kann auch von Analthrombosen kommen. Wie gesagt: Es gibt unterschiedliche Ursachen. Das beweist nichts. Ich denke, im Laufe seines Lebens hat fast jeder solche Vernarbungen an dieser Stelle.“

      „Danke Mica, dass du uns vorab informiert hast. Und danke, dass du so mitdenkst. Du hast uns wirklich sehr geholfen. Ich denke, da ist was dran an deiner Theorie mit dem Charakter der Opfer. Charakterliche Mängel auf Tiere projiziert. Da hat er das Schwein und die Ratte einfach umgebracht. Das erklärt auch, warum ich Schweinefleisch im Topf hatte.“

      „Wie bitte? Was haben die Morde jetzt mit deinen Kochkünsten oder Essensgewohnheiten zu tun?“

      Hetzer hatte sich verplappert. Eigentlich hatte er nicht gewollt, dass Mica seine Aktion mit dem Topf mitbekam.

      „Weißt du noch – die Ratte, Mica?“

      „Klar, wie sollte ich das vergessen? Das war ein Spaß ...“

      „Was du noch nicht weißt, ist, dass ich nach dem Mord an Benno einen Topf mit lebendem Schweinegulasch vor der Tür hatte. Es wimmelte vor Maden in ihm. Nach der Geschichte mit der Ratte wollte ich mich nicht ein zweites Mal vor dir lächerlich machen. Da habe ich Seppi gebeten, den Topf samt Inhalt zu untersuchen und siehe da: Er hat die DNA eines Unbekannten unter dem Topfgriff gefunden, also da, wo der Griff am Topf befestigt ist.“

      Mica prustete los. Sie konnte sich nur schwer wieder beruhigen.

      „Mensch Hetzer, was bist du für ein Feigling! Glaubst du, ich hätte dir den Kopf abgerissen oder dich gezwungen, das Gulasch zu essen oder was? Du hättest doch ruhig zu mir kommen können. Nur weil ich manchmal etwas sarkastisch bin, heißt das noch lange nicht, dass ich dich nicht ernst nehme. Ok, ich fand deine Rattenreaktion ein bisschen überzogen, aber angesichts der Lage könnte da trotzdem etwas dran sein. Das war aber damals noch nicht zu erwarten. Hinsichtlich deiner DNA muss ich dich allerdings enttäuschen. Sie könnte von jedem in der Produktionskette oder aus dem Verkauf stammen. Es ist nicht gesagt, dass sie vom Täter ist. Habt ihr sie isoliert und gespeichert?“

      „Ja, haben wir. Nur nützt das ja leider nichts, weil du an Benno keine DNA zum Vergleichen gefunden hast. So ein Mist.“

      „Stimmt, das ist schade. Aber das wäre auch zu einfach. Wenn ich der Mörder wäre, und ich sage mal, ich wäre vielleicht auch ein intelligenter Mörder, dann würde ich natürlich zusehen, dass ich keine Spuren hinterlasse. Wenn ich also überlege, dass der Täter bisher außerordentlich vorsichtig agiert hat und dass er – falls es derselbe ist – beim Kastrieren sehr schnell dazugelernt hat, muss man davon ausgehen, dass er uns mental nicht unterlegen ist. Darüber hinaus muss er Benno entweder in Narkose gelegt oder hypnotisiert haben. Alkohol oder Tabletten wären noch eine Möglichkeit oder ein K.-o.-Schlag, um eine Operation überhaupt durchführen zu können. Da hätte ich aber bei der Obduktion Spuren der Medikamente oder der Verletzungen gefunden. Auf jeden Fall es ist ganz klar ersichtlich, dass Benno die OP überlebt hat und dass die Wunden verheilt sind. Wenigstens bis er starb ...“

      „Ich denke, da hast du recht, Mica. Wir haben es hier mit einem äußerst intelligenten Täter zu tun. Und das wird uns noch zu schaffen machen.“

      „Na gut, Jungs, dann werde ich mal die Chefetage anrufen und Frau Dr. Klugscheißer informieren.“ Mica kicherte. „Mensching natürlich auch. Bis später dann.“

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