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Einheizer vor der Show, der die Leute zum Klatschen bringt. Das schneiden die dann später zwischen.«

      »Sie kennen sich ja gut aus.«

      »Ich bin selbst mit meiner Frau neulich erst hier gewesen als Zuschauer«, erzählte der Mann nicht ohne Stolz. »Der macht so Sprüche, der junge Mann, der ist richtig witzig. Vielleicht kennen Sie den auch aus der Werbung für … na für …«

      Es fiel ihm nicht ein. Angermüller schüttelte den Kopf.

      »Wahrscheinlich nicht. So, dann wollen wir mal. Claus, besorgst du uns bitte einen Raum, wo wir unsere Zeugen befragen können?«, forderte er seinen Kollegen auf. »Und ihr seht euch auf dem Gelände ein wenig um, bei den Leuten, die sonst hier auf dem Gut wohnen. Wann wurde das Opfer gestern von wem gesehen, gab es fremde Besucher, sonst irgendwas Auffälliges, na ja, ihr wisst schon«, wandte er sich danach an Anja-Lena Kruse und Norbert Teschner.

      »Und Sie, Herr Kollege aus Lensahn, Sie sorgen bitte dafür, dass möglichst niemand von den Leuten verschwindet, die heute Morgen dabei waren, bevor wir mit ihnen gesprochen haben.«

      Auf dem Tisch lagen zwei Mobiltelefone, die ständig Signale von sich gaben, und eine dicke Klarsichtmappe mit Papieren. Um den Hals der zierlichen Frau hing ein breites Schlüsselband in Blau-Weiß-Rot mit einem Namensschild. Das Band trug fortlaufend einen Schriftzug, den Angermüller nach längerem Rätseln als Pierre Lebouton entzifferte.

      »Sie sind also die Chefin hier, Frau Fischer?«

      »Chefin?«

      »Na ja, wofür Sie so alles verantwortlich sind …«, meinte Angermüller in nettem Ton, da die Frau ihm ziemlich nervös vorkam. Sie lachte nur bitter. Sie war Anfang 30, wirkte aber älter in dem streng geschnittenen, klassischen Hosenanzug und mit dem akkuraten Bubikopf. Mit einer heftigen Bewegung schnippte sie die Asche von ihrer Zigarette in einen Joghurtbecher.

      »Da haben Sie was falsch verstanden. Hier gibt es nur einen Chef! Und der fragt sich wahrscheinlich schon, wo ich bleibe. Ich bin nur die Regieassistentin, die immer schuld ist, wenn was schiefgeht.«

      »Und wer ist hier der Chef?«, fragte Angermüller.

      Grit Fischer hatte Jansen sofort angeboten, dass sie die Gesindeküche des Kavaliershauses für ihre Befragungen nutzen konnten. Jetzt saßen sie hier zu dritt an einem langen Holztisch. Alle anderen hatten die Beamten hinausgeschickt und gebeten, sich zur Verfügung zu halten.

      »Pierre natürlich.«

      Die Regieassistentin war heute Morgen die Erste hier gewesen. Es war Tag eins von drei Produktionstagen, und wie immer hatte sie zur Sicherheit noch einmal alles durchchecken wollen, bevor die anderen kamen. Sie kontrollierte, ob die Studioküche sauber und dort alles an seinem Platz war, ob die von den Köchen gewünschten Zutaten ausreichend vorhanden waren, ob alle Namensschilder richtig geschrieben, die Sitzplätze der Kandidaten und Mitwirkenden beschildert waren und ob der Ablaufplan in sich logisch war.

      »Das ist noch lange nicht alles. Ich will Sie nicht mit den vielen tausend Kleinigkeiten langweilen, die in der Summe aber für das Gelingen der Show unheimlich wichtig sind.«

      Sie zog an ihrer Zigarette.

      »Eigentlich ist vieles davon gar nicht mein Job. Aber wie gesagt, wenn was schiefgeht … Und dann mache ich es lieber gleich selbst. Dann kann ich mich wenigstens da­rauf verlassen, dass alles in Ordnung ist.«

      Alles war so kalkuliert, dass drei Folgen ›Voilà Lebouton!‹ pro Tag aufgezeichnet werden konnten. Man drehte immer am Freitag, Samstag und Sonntag hintereinander.

      »Der Chef will nicht nur die Busladungen aus dem Altenheim und lauter Arbeitslose als Zuschauer im Studio haben«, lieferte die Regieassistentin ungefragt die Begründung für die Arbeit am Wochenende. »Außerdem wäre das ja auch ungerecht. Unsere Show ist sehr beliebt, und die Karten sind heiß begehrt. Es gibt Leute, die warten bis zu zwei Jahre auf die Möglichkeit, hier einmal dabei zu sein.«

      Es war der Frau anzumerken, dass sie sehr stolz auf ihren Job war, das Gelingen der Show nicht zuletzt ihrer eigenen Person zuschrieb und der damit verbundene Stress ihr Element war. Sie war auffallend klein, doch schien eine ungeheure Energie in ihr zu stecken, die jetzt allerdings von fiebriger Nervosität überlagert wurde. Obwohl sie eine brennende Zigarette in der Hand hielt, holte sie immer wieder ein Zigarettenpäckchen und ihr Feuerzeug aus den Taschen ihres Jacketts und packte die Sachen wieder weg. Auf die Fragen, die Angermüller ihr stellte, antwortete sie schnell und präzise.

      »Wann sind Sie heute Morgen hier angekommen? Und ist Ihnen dabei irgendwas aufgefallen?«

      Ein kurzes Lachen, eine neue Zigarette.

      »Natürlich. Zum einen war die Lagertür nicht abgeschlossen. Aber da mehrere Leute einen Schlüssel dazu haben, dacht ich mir nichts dabei beziehungsweise dachte ich, oh wie toll, ausnahmsweise ist die Praktikantin pünktlich da. Angekommen bin ich auf Güldenbrook so kurz vor 8 Uhr, und im Lager bin ich ungefähr eine halbe Stunde später gewesen.«

      »Was wollten Sie im Lager?«

      »Ich wollte sehen, ob die Expresslieferung vom ›Gourmet-Profi‹ aus Hamburg schon eingetroffen ist. Das ist wichtig, weil da irgendwelches Zeugs dabei ist, das für die Aufzeichnung heute unbedingt gebraucht wird. Patricia, die Praktikantin, hatte vergessen, das zu bestellen, obwohl ich’s ihr dreimal gesagt hatte, und da hab ich’s halt gestern spätabends noch selbst gemacht. Und natürlich war Pa­tricia auch noch nicht da, jedenfalls ist mir hier niemand begegnet. Und dann hab ich den Stuhl gesehen, der unter dem Türgriff an der Kühlzelle klemmte.«

      »Und das kam Ihnen komisch vor?«

      »Erst eigentlich gar nicht. Als die Tür vor ein paar Monaten kaputt war und nicht mehr richtig schloss, da hatte auch jemand einen Stuhl drunter geklemmt. Aber als ich dann näher kam und hörte, dass der Kompressor auf Hochtouren arbeitete, und gesehen habe, dass jemand die Temperatur verstellt hatte, da fand ich das schon eigenartig. Und dann hab ich Christian gefunden …«, sie verstummte und starrte einen Moment vor sich hin. »Dann hab ich sofort die Polizei gerufen und Pierre alarmiert. Ich war ziemlich aufgeregt. Man findet ja nicht jeden Tag einen Toten! Ich hab wohl etwas lauter gesprochen beim Telefonieren, denn jedenfalls kamen von oben gleich die Jungs angelaufen.«

      »Welche Jungs?«, fragte Angermüller.

      »Na die Lehrlinge von Pierre. Die wohnen hier.«

      »Hier im Haus?«

      »Ja. Im oberen Stockwerk gibt es eine ganze Reihe von Gästezimmern. Die Lehrlinge wohnen da und manchmal auch Leute vom Team.«

      »War schon jemand vom Team hier heute Nacht?«

      »Offensichtlich Alix. Die kam auch von oben. Wer noch, weiß ich nicht. Ich bin erst heute Morgen von Hamburg aus hierhergekommen.«

      »Können Sie uns die Namen der Lehrlinge sagen? Und wer ist Alix?«

      »Von den Jungs kenn ich nur die Vornamen: Thorsten, Ernie und Anatol. Alix – das ist unsere Moderatorin: Alix Blomberg. Ich denke, die kennt man.«

      »Ach ja?«

      Angermüller notierte die Namen auf einen Zettel. Der Name der Moderatorin sagte ihm gar nichts.

      »Wie gut kannten Sie Christian von Güldenbrook?«

      »Man läuft sich hier immer mal wieder über den Weg. Er war ab und zu bei den Aufzeichnungen dabei, manchmal auch, wenn’s was zu Feiern gab, dann haben wir ein paar Worte gewechselt. Aber gut kennen, nein, das würde ich nicht sagen.«

      »Hatte er auch beruflich mit der Show zu tun?«

      »Direkt nicht. Er und Pierre kennen sich schon sehr lange, glaube ich. Wie der Name schon sagt, ist das hier sein Stammsitz. Er war immer so eine Art graue Eminenz, Pierres Finanzguru sozusagen, und hatte wohl einigen Einfluss auf ihn. Aber manchmal schien er sich auch in Dinge einzumischen, die ihn nichts angingen. Dann gab’s Ärger mit dem Chef. Jedenfalls war er irgendwie fürs Geld verantwortlich, und darum ging der Streit wohl auch immer.«

      »Wie

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