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besitzt, für den Antrag bei der Familienkasse jedoch eine beglaubigte Kopie in Deutsch benötigt. Gab es da nicht einen pensionierten Professor für arabische Sprache in München, der kostenlos übersetzt? Ohne dieses Dokument bekäme Jasmin kein Kindergeld.

      In der Stadt entdecke ich eines der taubstummen Kinder aus der Gemeinschaftsunterkunft auf dem Fahrrad. Der Junge hält sich an keinerlei Verkehrsregeln. Es ist ein Wunder, dass noch nichts passiert ist. Ich bringe ihn sicher nach Hause, rufe im Rathaus an und mache auf das Problem aufmerksam. Dort verweist man lediglich auf die Aufsichtspflicht der Eltern – es bleibt an mir hängen, der Familie zu erklären, wie gefährlich Fahrradfahren hierzulande sein kann, besonders weil ihr Junge nichts hört. Ob sie meinen Rat wohl beherzigen?

      Wieder zu Hause sehe ich den Anrufbeantworter vor sich hinblinken: Nachbarn bieten uns ein komplettes Wohn- und Schlafzimmer an; sie richten sich gerade neu ein. Das ist klasse! Die Möbel brauchen wir dringend für Asylbewerber, die in ihre erste eigene Wohnung ziehen dürfen. Gott sei Dank benutzt mein Bruder seinen alten Heuboden nicht mehr, sodass wir auf seinem Hof ein Möbellager für Flüchtlinge einrichten können. Ein anderer Helfer bietet an, eine Facebook-Gruppe zu organisieren, damit Aufgaben der Flüchtlingshilfe in unserer Region besser verteilt werden. Eine geniale Idee.

      Nach dem Abendessen mache ich mich auf den Weg, um wie jeden Mittwochabend mit gläubigen Nigerianern die Bibel zu lesen. Doch heute scheinen sie mich vergessen zu haben. Eine Viertelstunde warte ich vor ihrer Unterkunft, bis endlich jemand auf meinen Anruf reagiert und öffnet. Es wird dennoch ein schöner Abend, wir lesen im Römerbrief zusammen und diskutieren darüber. Eineinhalb Stunden später kümmere ich mich zu Hause noch um den Wasserhahn in unserer Küche, der bereits seit Tagen nervend vor sich hintropft. Als ich meine Frau wieder treffe, sprechen unsere Blicke Bände. Es war ein anstrengender Tag: »Herr, hilf …!«, beten wir gemeinsam, bevor wir spät abends todmüde ins Bett fallen.

      Die Arbeit mit Migranten kostet Kraft und Mühe. In der Seelsorge all die verschiedenen Schicksale zu hören, berührt mich sehr. Jedes Leben trifft mich ins Herz und bringt mich auch manchmal an meine Grenzen. Mitzuerleben zum Beispiel, wie lieb gewordene Menschen wieder in ihre Herkunftsländer abgeschoben werden, obwohl sie dort manchmal wirklich in Gefahr sind und kaum eine Perspektive haben. Oder die Anspannung, die unter den Flüchtlingen in den übervollen Unterkünften herrscht, und immer mal wieder auch eskaliert. Das alles muss erst mal verarbeitet werden.

      Beim Einschlafen bete ich in Gedanken noch mal für die Menschen, denen ich heute begegnet bin. Es tut gut, dass ich sie und ihre Not bei meinem Freund Jesus im Gebet abgeben kann. Aber auch zu wissen, dass wir manchen von ihnen konkret weiterhelfen konnten. Danke Jesus! Ich schließe meine Augen und schlafe ein mit dem Gedanken: Was wird uns morgen erwarten?

      Überlasst all eure Sorgen Gott, denn er sorgt sich um alles, was euch betrifft!

      1. Petrus 5,7

      Hassan lebt!

      Aachen

      Der kleine Hassan und seine Mutter besuchen heute ihre Verwandten in der Gemeinschaftsunterkunft in unserem Viertel. Alle freuen sich über die gemeinsame Zeit. Und das ist nicht zu überhören! Es wird zusammen gekocht, gelacht, gegessen, getrunken und viel erzählt. Die kleineren Kinder tollen im Schlafzimmer herum. Auf einmal ein furchtbarer Schrei!

      Der vierjährige Hassan ist im zweiten Stock aus dem Fenster gefallen und fünf Meter tief auf die darunterliegende Veranda gestürzt. Der kleine Bub liegt jetzt unten auf den betonierten Stufen, regungslos, blutverschmiert. Er ist mit seiner Stirn auf dem Beton aufgeschlagen. Alle sind geschockt. Die jungen Eltern stürzen voller Entsetzen zu ihrem Jungen, einem kleinen schwarzhaarigen Strahlemann, den sie sehr lieben. Wie könnten sie auch nur ahnen, dass der allmächtige Gott bereits die Regie des Geschehens übernimmt.

      Es gibt eine orthopädische Klinik, die zur Uniklinik gehört. Ein Mitbewohner ihrer Flüchtlingsunterkunft ist ein paar Tage zuvor in dieser Klinik behandelt worden. Er rennt aus dem Haus und sieht das blutende Kind am Boden. Umgehend nimmt er den Jungen auf den Arm und rennt gemeinsam mit den Eltern an die Straße. Sie halten das nächstbeste Auto an und bitten den Fahrer, sie sofort in die Klinik zu bringen. Als der Fahrer den blutverschmierten Jungen sieht, fackelt er nicht lange, sondern fährt sie hin. Es vergehen nur Minuten, die den Eltern wie lange Stunden vorkommen müssen. Aber dann ist der kleinen Hassan in der Klinik und wird professionell versorgt. Die Ärzte stabilisieren den Jungen und überweisen ihn anschließend an die Kinderklinik, wo er die nächsten fünf Tage auf der pädiatrischen Intensivstation im künstlichen Koma gehalten wird. Zum Erstaunen aller hat Hassan sich absolut nichts gebrochen. Unfassbar nach diesem Sturz!

      Als wir Helfer von dem schrecklichen Unfall erfahren, sind wir ebenfalls entsetzt. Wird der kleine Hassan überleben? Was tun, falls sein Unfall Spätfolgen nach sich zieht und er behindert bliebe? Wer wird alles bezahlen? Die Fragen und Unsicherheit drücken uns nieder. Sofort benachrichtigen wir per E-Mail unseren großen christlichen Freundeskreis. Viele Freunde beten für Hassan. Der Unfall war so schwerwiegend, dass wirklich nur ein Wunder Heilung schenken kann, davon sind wir überzeugt. In den Stunden der Ungewissheit erinnert Gott uns an die Geschichte von Eutychus (Apostelgeschichte 20,9-12), der, als Paulus einmal bis weit nach Mitternacht gepredigt hatte, eingeschlafen ist und aus einem Fenster im dritten Stock stürzte. Eutychus lag schon tot am Boden, doch Gott hat eingegriffen und ihm sein Leben wiedergeschenkt. Von Gottes Wort ermutigt, beten auch wir um nichts weniger als ein Wunder.

      Am fünften Tag versuchen die Ärzte, Hassan wieder aus dem Koma aufzuwecken. Die dicke Beule auf seiner Stirn wird schon kleiner. Hassans schwangere Mutter ist all die Tage in der Klinik nicht von seiner Seite gewichen. Sie telefoniert gerade mit ihrem Mann, als Hassan die Augen aufschlägt und die vertraute Stimme seines Vaters aus dem Telefon hört. Sofort beginnt er, seinem Papa zu antworten. Er kann sprechen, ohne Einschränkungen. Es dauert nur wenige Tage und der Junge ist wieder so fit, dass er aufstehen kann. Erst zeigt er auf einer Körperhälfte noch Anzeichen einer Behinderung, doch die werden mit jedem Tag geringer. Ein Aufenthalt in einer Kinder-Rehaklinik bringt vollständige Genesung.

      Heute hüpft und springt Hassan wieder herum, als wäre nie etwas geschehen. Er hat keine Spätfolgen des Sturzes erleiden müssen. Gott hat ein Wunder gewirkt – direkt vor unseren Augen. Wir danken unserem Vater im Himmel, denn er tut auch heute noch Wunder und er hört auch heute noch unsere Gebete. Hassans Eltern wissen, dass viele Christen zu Jesus um Heilung für ihren Sohn gebetet haben. Als wir mit ihnen darüber reden, strahlen sie übers ganze Gesicht. Unser Bekenntnis, dass Isa (Jesus) ihrem Sohn geholfen hat, lassen sie gerne gelten. Voller Dankbarkeit, dass wir in dieser schwierigen Situation für sie da waren, lädt die Familie uns zu einem üppigen Abendessen ein: Jetzt können alle wieder ausgelassen lachen, essen, erzählen und herumtollen, bis spät in die Nacht hinein.

      Schließlich schlief er fest ein, verlor das Gleichgewicht und stürzte drei Stockwerke tief. Als man ihn aufhob, war er tot. Paulus lief hinunter, beugte sich über ihn und nahm ihn in die Arme. »Habt keine Angst«, sagte er, »er lebt!«

      Apostelgeschichte 20,9-10

      Wie entwurzelte Bäume

      Ostdeutschland

      Yusuf ist jung, sportlich, etwa 30 Jahre alt, mit hoher Stirn und schwarzen Haaren. Zum ersten Mal sind wir uns bei einem Treff für Flüchtlinge abends in einem Vereinsheim begegnet. Damals bin ich direkt auf ihn zugegangen, er sprach noch kaum Deutsch. Im Laufe der Monate sind wir uns immer öfter begegnet, meistens eher zufällig. Er drängte sich nie in Gespräche hinein und fiel mir durch seine freundliche und zurückhaltende Art auf. Mittlerweile hatten wir einige Gelegenheit, uns zu unterhalten.

      Yusuf ist mit seinem Sohn in Deutschland angekommen. Sein Junge ist acht Jahre alt, aufgeweckt und geht

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