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sonst segnenden Innenfläche seiner Hand zu verdecken, was aufgrund der gediehenen Parkinsonerkrankung grandios misslingt.

      Schließlich schlägt er den Laptop zitternd mit der Faust zu. Ich muss kichern und frage mich, wer wohl wem das nächste Mal die Beichte abnehmen wird.

      „Hey Ben, was machst du da? Du bist ja ganz nass!“, will Holger via Webcam wissen.

      „Ein Geheimauftrag von Green Peace. Streng geheim. Ich bin Käpt’n Iglu und rette Meerjungfrauen.“

      „Dann beeil’ dich. Esther hat mich angerufen, weil sie dich nicht auf dem Handy erreicht.“

      „Ich habe ihr gesagt, dass ich länger arbeiten muss“, antworte ich und schließe den Laptop.

      Hektisch durchpflüge ich die große Pfütze des zerstörten Wasserbettes. Suche nach meinem Handy. Stattdessen finde ich in meiner Sakkotasche einen pinken Dildo, der bei meinem Schiffbruch geradewegs hineingerutscht sein muss. Ich besitze kein Handy mehr, leihe mir aber als Ersatz das bananenförmige pinke Spielzeug, das immerhin auch vibrieren kann.

      Schlurfe ins Bad, um meine Hose etwas trocken zu föhnen.

      Danach stehe ich vor die Toilettenschüssel, damit meine Blase endlich Erleichterung erhält. Schaue dabei aus dem Dachfenster und stelle fest, dass ich auf Augenhöhe mit einem Kater auf dem Fenstersims bin, der sich gerade das Fell glänzend leckt. Das ist die Idee. Ich öffne das Fenster und schnappe mir das Viech.

      Sperre den Kater im Schlafzimmer ein und erkläre Gerda, komische Geräusche aus eben jenem Zimmer gehört zu haben. Aufgrund der mir als Gast gebotenen Kontenance würde ich es jedoch nie wagen, ungefragt in die Privatsphäre einer so reizenden Dame einzudringen.

      Alle stürzen Richtung Schlafgemach. „Falls jemand mein Handy gesehen hat. Ich finde es nicht mehr“, rufe ich unschuldig hinterher.

      Gerda öffnet die Tür und der Kater flüchtet beleidigt aus dem Schlafzimmer.

      „Ach du liebe Güte. Nun sieh’ sich einer diese Sauerei an“, stöhnt Gerda. „Naja, mein Fehler“, fährt sie fort und betritt das nasse Schlachtfeld. „Hab’ den Kater wohl aus Versehen eingesperrt und mein kleiner Tiger hat aus Angst das Wasserbett zerkratzt.“

      Wir gehen zurück ins Wohnzimmer und ich frage erneut, ob jemand mein Handy gesehen habe.

      „Suchst du das hier?“ Gerda hält mir mein Handy vor die Nase. Ertappt. Beschämt greife ich danach.

      „Mach dir nichts daraus“, brummt sie mit einer plötzlich befremdlich maskulinen Stimme. „Mir ist es auch schon ins Pissoir gefallen. Ich war nach dir in der Bar auf der Toilette und habe es für dich gerettet. Und gereinigt.“ Ihr Wimpernaufschlag ist – Mascara sei Dank – verführerisch, aber für meinen Geschmack eine Spur zu maskulin.

      Erleichtert greife ich nach meinem Telefon. Mein Blick fällt dabei zufällig auf Gerdas Schritt. Jetzt sehe ich, warum diese Frau dezent nach Fisch riecht. Oder soll ich besser sagen der Mann? Entsetzt zeige ich auf das Kostüm des wohl unreinen, da wasserscheuen Transen-Tritons: „Oha Gerda, in deinem Kleid regt sich eine Schwellung im Schritt und das ist bestimmt keine Seeschlange, so viel ist sicher. Ich muss weg. Danke für alles.“

      Fluchtartig verlasse ich die Wohnung und höre im Treppenhaus, wie mir die männliche Meeres-Muschi-Majestät schallend hinterherruft „Bleib doch hier. Bitte bleib doch hier.“

      17:30 Uhr. Schalte das Handy ein. Geht nicht. Der Akku ist zu nass. Eines muss man der Rettungsaktion der Pimmelfee lassen: Das Spülwasser im Pissoire hat sonst so gut wie keinen Schaden angerichtet. Entferne den Akku, um ihn in meiner Hosentasche zu trocknen.

      Habe noch eine halbe Stunde bis zum Soundcheck und beschließe, mir etwas gegen die aufquellende Übelkeit in meinem Magen zu holen. Nicht in der Apotheke, sondern bei McDonalds.

      17:40 Uhr. Der fleischig-saftige Big Mac, flankiert von einer prallen Portion Pommes und sechs kross-goldenen Chicken Nuggets verfehlen ihre Wirkung nicht. Mir ist noch übler. Zu allem Elend fällt mir nicht mehr ein, wo das Musicalkonzert sein soll. Bürgerzentrum oder Bürgerhaus? Immerhin noch 20 Minuten. Erinnere mich an meinen Entschluss, ein Taxi zu nehmen und begebe mich zum Bahnhofsvorplatz.

      In Köln sind Taxen am Rosenmontag zwar so exorbitant teuer wie auf der Münchner Wiesn, aber wie sagte schon der große Friedrich Nietzsche: Wer ein Warum hat, dem ist kein Wie zu schwer.

      18:00 Uhr. Bekomme kein Taxi. Entweder fahren volle Taxen vorbei oder flinkere, liebestolle Pärchen schnappen mir auf dem Weg in ihr Liebesnest ein anhaltendes Taxi vor der Nase weg.

      18:37 Uhr. Soundcheck geht offenbar auch ohne mich, denn die Welt dreht sich munter weiter. Mittlerweile ist der Akku in meiner Hosentasche warm wie eine Toastbrotscheibe und ich lege ihn ins Handy ein.

      Hurra, zwei Prozent nur, aber immerhin. Reicht beim Telefonieren fürs Rufzeichen, das beim Empfänger als Lebenszeichen meinerseits gedeutet werden kann.

      Rufe Holger an: „Holger, es brennt. Ich muss ganz dringend zu einem Gig. Hol mich bitte am Hauptbahnhof ab.“

      „Geht klar“, meint Holger. „Ich bin zum Glück nüchtern. Naja, Restalkohol von gestern, aber es geht schon. Ist deine Peepshow schon vorbei?“

      „Darüber reden wir später, mach hin!“

      Der Akku zeigt ein Prozent.

      Rufe den Pianisten an. „Stecke im Stau“, lüge ich.

      „Du weißt schon, dass wir ohne dich und die Noten alles vergessen können?“

      „Ich beeile mich, hast du mir die Adresse vom Bürgerhaus?“

      „Ja, das ist die ...“ Tut. Tut. Tut. Verbindung weg, Handy tot.

      19:05 Uhr. Holger fährt mit dem Leichenwagen seines Onkels vor. Als ich auf dem Beifahrersitz Platz nehme, sehe ich, dass er ein Karnevalskostüm trägt. Was folgt, ist eine hoffnungslose Odyssee. Sämtliche Bürgerhäuser, die wir mit Hilfe des Navis anfahren, sind falsch. Je länger wir unterwegs sind, desto mehr gerate ich ins Schwitzen.

      19:30 Uhr. Bürgerhaus Kalk.

      20:05. Bürgerzentrum Deutz

      20:27. Bürgerschaftshaus Bocklemünd

      21:00. Showbeginn und wir stehen vor dem Bürgerzentrum Engelshof. Holger tippt auf dem Navi herum.

      „Tja, jetzt gibt es nur noch das Bürgerhaus Stollwerck.“

      „Das ist es“, brülle ich erleichtert und hämmere mit meinen Händen auf dem Armaturenbrett.

      Nach 20 Minuten biegen wir in die Dreikönigenstraße ein.

      Just in dem Augenblick, als das Navi den Satz „In drei Minuten haben Sie ihren Bestimmungsort erreicht“ beendet hat, flackern im Rückspiegel Blaulichter auf.

      Ein Leichenwagen wird aus Pietätsgründen eigentlich nicht kontrolliert, aber wenn am Steuer Fred Feuerstein sitzt und mit Affenkaracho durch Köln flitzt, werden selbst altgediente Schutzmänner stutzig.

      Holger hält am Bordstein, ich steige aus und renne los.

      „Halt, stehen bleiben! Polizei! “, bellen die Beamten mir hinterher.

      Werde von zwei Pfoten kläffend auf den Gehweg geworfen. Wusste nicht, dass Verkehrspolizisten Schutzhunde mitführen.

      Bemerke den Dildo aus Arielles Schatzkammer in meiner Sakkotasche. Schalte ihn ein und halte ihn dem Köter vor die Schnauze. „Jetzt such’ das Stöckchen“, rufe ich und werfe das Spielzeug in ein Gebüsch auf der anderen Straßenseite. Der Hund schießt wie ein Pfeil über die Straße, um das pinke Stöckchen zu apportieren. Was heißt hier apportieren, er hat es adoptiert und ich sehe beim Losrennen, wie es die beiden Beamten nicht schaffen, ihm sein neues Spielzeug wieder abzunehmen.

      21:40 Uhr. Ich komme außer Atem, aber erleichtert am Bürgerhaus an. Enttäuschte Gäste rauchen vor dem Eingang. Schuldbewusst und mit hängenden Schultern betrete ich den Saal. Jemand tippt

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