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sammeln Sie alle Noten ein. Ich bringe sie heute Abend wieder mit. Wir treffen uns um 18 Uhr im Bürgerhaus zum Soundcheck. Show ist um 21 Uhr“.

      Auf dem Weg in meine Garderobe frage ich meinen Pianisten, wer denn dieser ominöse alte Mann gewesen sei, der ausgerechnet am Rosenmontag hier in der Kölner Philharmonie eine Show spielen möchte.

      „Was, du kennst den nicht? Mensch Ben, das ist Helge. Helge Schneider. Seit Jahren gastiert er hier am Rosenmontag in der Philharmonie.“

      „Das ist nicht der Helge, das ist der Hammer“, antworte ich, mache flugs kehrt und laufe flink zurück in den Saal, weil ich unbedingt ein Selfie oder zumindest ein Autogramm von dem Meister aller Meister haben muss. Weil Helge aber bereits am Orgeltisch die Register einstellt, habe ich keine Chance, komme aber immerhin in den sakral tönenden Gratisgenuss blues-lastiger Variationen über sein berühmtes „Katzeklo“.

      Ich stecke den Taktstock in die Innentasche meines Sakkos und verlasse die Philharmonie. Schaue auf die Uhr. 14 Uhr. Ich habe vier Stunden bis zum Soundcheck. Was ich nicht weiß: Sämtliche eingesammelten Orchesternoten habe ich auf dem Dirigentenpult der Philharmonie liegen lassen.

      Um mich herum das reinste Irrenhaus. Abertausende alkoholisierte Jecken verwandeln die Kölner City in eine einzige Open-Air-Kneipe. Fantasievolle Kostüme, prunkvolle Uniformen, aber auch einfache Pappnasen bestimmen das Straßenbild. Fast an jeder Ecke der Seitenstraßen riecht es nach scharfem Urin oder frisch Erbrochenem. Nüchtern kannst du das niemals aushalten.

      Ich beschließe, mir nach dieser gelungenen Probe zumindest ein Kölsch als Belohnung zu gönnen.

      14:15 Uhr. In der erstbesten Kneipe schlagen mir reichlich Dunst und noch mehr Dezibel unbarmherzig ins Gesicht. Ich bin ein Zauberer: Aus einem Kölsch werden zwei. Lerne eine ausnehmend attraktive Dame kennen, die sich als Meerjungfrau verkleidet hat. Ihr Kleid ist kunstvoll zu einer stilisierten Schwimmflosse umgenäht worden und duftet sogar ein wenig nach Fisch. Wahnsinn. Ich trinke mit einem Vampir und zwei Schlümpfen auf Bluts- beziehungsweise Schlumpfbruderschaft. Eine Giraffe gesellt sich zu uns an die Tränke und erzählt einen Flachwitz nach dem andern.

      Man will wissen, als was ich mich eigentlich verkleidet habe.

      „Ich habe mich als Herbert von Karajan verkleidet“, brülle ich und bin von mir selbst begeistert. Ich zaubere den Taktstock aus meiner Innentasche und fechte damit in der Luft den Takt von „Was sollen wir trinken sieben Tage lang“ mit. Die schräge Herde blökt vor Begeisterung.

      Plötzlich betritt ein krachledern kostümierter Bayer die Bar.

      „Herrlich!“, brüllt die Giraffe, „jetzt kommt der alljährliche Auftritt von Herbfried Nudelhuber.“

      Herbfried Nudelhuber, so erklärt man mir, sei ein urkomischer Kabarettist, der jedes Jahr am Rosenmontag zünftige Witze in den Kölner Kneipen zelebriere. Quasi ein Fips Asmussen in Lederhosen. Schon dreht der Kneipenwirt die Musik aus und reicht dem beleibten Pointen-Sepp ein Mikrofon. Während der unvermeidlichen Rückkopplung bestellte ich

       mir ein weiteres Bier und lehne mich erwartungsvoll an den Tresen.

      Herbfried Nudelhuber ist bereits voll in seinem Element und feuert einen Gag nach dem anderen in die lachhungrigen Gesichter. Die Menge tobt.

      „Prost Neujahr, Köln! Was, das hier ist keine Silvesterparty, sondern Fasching? Oh, da bekomme ich Ärger, so lange war ich noch nie von zu Hause weg zum Feiern.

      Servus, mein Name ist Herbfried Nudelhuber, alle nennen mich aber Handbremse, weil ich immer so gut angezogen bin.

      Ich trage einen Bart, mein Bruder einen richtigen Vollbart, der kommt eher nach meiner Mutter.

      Meine Ex-Frau ist auch hier, die hat sich aber als G-Punkt verkleidet, damit ich sie nicht finde.

      Wie ihr sehen könnt, ich achte sehr auf meine Ernährung: Was schmeckt, wird gegessen.

      Sie kennen ja den Unterschied zwischen mir und einem Erstklässler? Ich trage den Ranzen vorne. Aber Obacht: Mir wurde ein Modeljob bei einer Fitnesskette angeboten. Ich bin das Vorher.

      Der Weg hierher in die Kneipe war etwas merkwürdig. Ich war vorhin auf dem Domplatz, da habe ich 20 Euro in einem Hut gefunden und dann hat mich ein Mann mit Gitarre verfolgt.

      Seid ihr nicht auch der Meinung, dass die Zeit nur so dahinrast? Wir haben jetzt Februar. Nur noch dreimal duschen, dann ist schon wieder Weihnachten.

      Ich weiß ja nicht, wie Ihr Weihnachten gefeiert habt, aber bei uns war’s dieses Jahr jamaikanisch: Wir haben den Baum nicht geschmückt, sondern geraucht.

      Meine Frau hat sich ja was gewünscht, was ihr gut zu Gesicht steht. Da habe ich ihr einen Faltenrock geschenkt.

      Nur meine Schwiegermutter war etwas unglücklich: Sie konnte in der ganzen Adventszeit kein Fleisch essen, weil wir ihr Gebiss zum Ausstechen des Weihnachtsgebäcks gebraucht haben.

      Jaja, lacht nur. Wenn ich hier so in die Kneipe schaue, dann ist das keine Prunksitzung, sondern eine Trunksitzung. Bei euch gilt das Motto: Wer sich am Morgen an die Veranstaltung erinnern kann, der hat sie nicht erlebt!

      Was sagt Ihr zu meiner Kleidung? Was meint Ihr, welche Größe ich trage? XXL? Nein! SE! Small Elephant.

      Vorhin hat mich euer Wirt gefragt, wohin ich als Erstes schaue, wenn ich eine Frau sehe. Habe ich gesagt: ,Ich schau als Erstes, ob meine Frau hersieht.‘

      Letztes Jahr hatte ich hier mit einer Frau in der Bar getanzt und sie wollte wissen, ob sie mir zu schwer sei. ,Nein’, habe ich ihr erwidert, ,ich habe früher in einer Brauerei gearbeitet, ich bin es gewohnt, Fässer zu rollen.‘

      Und dann Freunde, dann war da ein älteres Pärchen, die haben miteinander getanzt. Auf einmal ist der Mann umgefallen. Betrunken war er nicht. Die hatten sich immer links herumgedreht. Immerzu. Bis die Frau ihm das Holzbein aus dem Gewinde rausgedreht hat.

      Vorhin habe ich ja noch mit der Bedienung getanzt und sie angeschwärmt: ,Bevor ich Sie kennengelernt habe, war mein Leben eine Wüste’. Sie darauf: ’Das glaub ich gerne! Du tanzt wie ein Kamel!’

      Apropos Kamel: Der ein oder andere Herr hier in der Kneipe hat sich als Pyramide verkleidet. Am Anfang noch spitz, aber am Ende total breit!

      Mein Nachbar hat es letztes Jahr richtig gemacht. Er hatte sich als Pferdezüchter verkleidet und seine Frau dementsprechend als Pferd kostümiert. So konnte er sie vor dem Wirtshaus anbinden und hatte seine Ruhe. Die Kälte hat ihr nichts ausgemacht, sie ist ja gut beieinander, sie wiegt doppelt so viel wie er. Wenn die einen Berg hochklettert, meinst du die Sonne geht unter. Sie hat ein Hobby: Diäten. Gut, sie macht drei Diäten gleichzeitig. Weil sie von einer – wie sie sagt – nicht satt wird.

      Ich trinke da lieber ein Bier. Machen wir mal einen Trinkspruch: Betrunken bist du erst, wenn du vom Fahrrad fällst, obwohl du es schiebst.

      Meine Frau wollte wissen, warum ich so viel trinke, obwohl ich keinen Durst habe. Habe ich gesagt: ,Warum schaust Du ständig in den Spiegel, obwohl Du nicht schön bist?’

      Prost zusammen! Und, war gestern Abend gut? Ich bin fit wie ein junges Reh: Noch ganz wackelig auf den Beinen! Ich habe gestern Abend zu mir gesagt: ,Wenn das nächste Mal das Bett an mir vorbeikommt, hüpf ich rein!’

      Gestern, als ich heimkam, wollte ich meine Frau nicht aufwecken. Also habe ich mich schon vor der Treppe ausgezogen. Und wie ich dann die Stufen hochgeschlichen bin, habe ich gemerkt, dass ich auf dem Bahnhof stehe.

      Das ist auch so eine Sache mit den Bettgeschichten. Junge Frau, schnarcht ihr Freund? Ja? Dann sagen sie ihm einen schönen Gruß, Schnarchen macht impotent. Das heißt: Wer schnarcht, der sägt am eigenen Ast.

      Gibt es Holzfäller hier? Ich habe ja eine Ausbildung zum Schrankenwärter gemacht. Bei der Prüfung wurde ich gefragt: ’Was würden Sie machen, wenn auf einer eingleisigen Strecke zwei Personenzüge aufeinander zurasen würden?’

      ,Ja, dann würde ich meinen Bruder holen!’

      ,Warum?’

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