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Burtscher

      Vor rund 40 Jahren, als die Olympischen Sommerspiele in Mexico City in einer Höhe von knapp 2300 m stattfanden, hat das wissenschaftliche Interesse für Höhentrainingseffekte zu wachsen begonnen. Diese Spiele haben gezeigt, dass besonders Kurzstreckenwettbewerbe von der geringeren Luftdichte in 2300 m profitierten. Andererseits wurde, wie erwartet, klar, dass Langstreckenbewerbe durch den verminderten Sauerstoffpartialdruck benachteiligt waren (Abb. 3.12).

      Einerseits interessierte natürlich das Ausmaß der höhenabhängigen Einbuße der Dauerleistungsfähigkeit und andererseits wurde versucht, durch eine geeignete Vorbereitung diesen Leistungsverlust so gering wie möglich zu halten. Von Anfang an bestanden kaum Zweifel, dass für eine Optimierung der aeroben Leistungsfähigkeit in der Höhe ein vorangehendes Training und Aufenthalt in der Höhe Voraussetzungen sind. Daher beschäftigte sich die Mehrzahl der Studien weniger mit dieser Fragestellung, sondern versuchte, Akklimatisationseffekte und die Leistungsbeeinträchtigung in der Höhe als geeignete Reize für eine nachfolgende Verbesserung der aeroben Leistungsfähigkeit in Tallage zu nutzen. Der wesentlichste Akklimatisationseffekt wird in der höhenabhängigen Blutneubildung gesehen.

      Abb. 3.12: Laufgeschwindigkeit (Bestzeiten) bei Marathonwettbewerben in verschiedenen Höhenlagen

      Hinweis: Der Sauerstoffmangel (Hypoxie) in der Höhe bewirkt über Transkriptionsfaktoren eine verstärkte Produktion von Erythropoietin (EPO), das die Neubildung roter Blutkörperchen (Erythrozyten) stimuliert. Erythrozyten bestehen im Wesentlichen aus Hämoglobin, das für den Sauerstofftransport von der Lunge zu den verbrauchenden Zellen verantwortlich ist. So kann die Höhenexposition zu einer Steigerung der Sauerstofftransportkapazität und der aeroben Leistungsfähigkeit führen.

      Die meisten Untersuchungen kamen aber zu unterschiedlichen Ergebnissen und warfen viele neue Fragen auf. Bei näherer Betrachtung der Unterschiede und Komplexität der Studien wird dies verständlich. Diese Unterschiede betrafen besonders die Wahl der Sportart, Merkmale der Athleten, die gewählte Höhe, die Aufenthaltsdauer in der Höhe, die Gestaltung des Trainings, aber auch die interessierenden Zielparameter sowie die Wahl der Zeitpunkte der Vor- und Nachuntersuchungen. Ob jedoch die Talleistungsfähigkeit überhaupt, und wenn ja für wen, durch einen Höhenaufenthalt und/oder Höhentraining günstiger beeinflusst werden kann als durch ein vergleichbares Training in Tallage, wird bis heute kontrovers diskutiert. Seit etwa 10 Jahren wird aber zumindest eine gewisse Systematik der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Höhentraining ersichtlich. Es haben sich drei verschiedene Höhentrainingsformen heraus kristallisiert:

      ■ in der Höhe leben und in der Höhe trainieren (live high – train high),

      ■ in der Höhe leben (schlafen) und im Tal trainieren (live high – train low),

      ■ im Tal leben (schlafen) und in der Höhe trainieren (live low – train high).

      3.4.1 Live high – train high (klassisches Höhentraining)

      Beim klassischen Höhentraining leben und trainieren die Athleten in mittleren Höhenlagen, die typischerweise zwischen 1500 und 3000 m liegen. Bei dieser Höhentrainingsform werden zwei Aspekte bedeutsam: Einerseits finden im Rahmen der Akklimatisation Veränderungen statt, z. B. Mehratmung (Hyperventilation), Abnahme des Plasmavolumens (Hämokonzentration), Blutneubildung (Erythropoiese), die nicht an körperliche Aktivität in der Höhe gebunden sind, andererseits kann das Training in der Höhe (unter Hypoxie) als zusätzlicher Trainingsreiz genutzt werden. Während offensichtlich die aerobe Leistungsfähigkeit in der Höhe durch diese Höhentrainingsform günstig beeinflusst werden kann, ist dies für die Wettkampfleistung in Tallage fraglich. Eine Vielzahl von kontrollierten und unkontrollierten Studien, die meist unter verschiedenen und somit schwer vergleichbaren Bedingungen (Höhe, Dauer des Aufenthaltes, Trainingszustand der Athleten, etc.) durchgeführt wurden, deutet darauf hin, dass die Leistungsfähigkeit im Tal, nach dem Höhentraining, bei weniger trainierten Personen eher verbessert wurde als bei Spitzenathleten. Es wird vermutet, dass die beobachteten Verbesserungen bei den weniger gut trainierten Personen eher dem Training per se zuzuschreiben sind als den Höheneffekten. Bei Spitzenathleten waren die Trainingsreize offensichtlich nicht ausreichend, um die nachfolgende Leistungsfähigkeit im Tal zu steigern, obwohl in einigen Fällen eine 5- bis 10%ige Zunahme der Gesamthämoglobinmenge und dadurch der Sauerstofftransportkapazität nach 3–4 Wochen Training in einer Höhe über 2000 m beobachtet wurde. Theoretisch könnten zwei Hauptmechanismen zu einer möglichen Verbesserung der aeroben Talleistungsfähigkeit durch Höhentraining beitragen: Einerseits ist es die Zunahme der Sauerstofftransportkapazität durch die hypoxievermittelte Erythropoiese und die damit verbundene Zunahme der Gesamthämoglobinmasse, und andererseits sind es muskuläre Adaptationen im Rahmen des Trainings in Hypoxie. Obwohl also die Sauerstofftransportkapazität durch einen ausreichend langen Aufenthalt (mindestens 3 Wochen) in einer adäquaten Höhe (2000–2500 m) verbessert werden kann, und diese bei Spitzenathleten unbestritten einen limitierenden Faktor für die aerobe Leistungsfähigkeit darstellt, konnte dennoch in nur seltenen Fällen eine entsprechende Leistungsverbesserung in Tallage beobachtet werden. Als Hauptgrund dafür wird die unvermeidliche höhenbedingte Reduktion der Trainingsintensität angesehen (s. Abb. 3.13). Damit verbunden, treten beim Training zwar hohe metabolische Reize, aber verminderte mechanische Reize für die Arbeitsmuskulatur auf. Diese scheinen aber für den Erhalt bzw. die Verbesserung der Leistung bei Spitzenathleten notwendig zu sein. Als weiterer Grund für den mangelnden Höhentrainingserfolg kann auch eine verminderte individuelle Ansprechbarkeit gegeben sein. Einige wenige Athleten zeigen die oben erwähnte Zunahme der Hämoglobinmasse in der Höhe nicht oder nur vermindert (Non-Responder). Neben noch unbekannten Ursachen kann die verminderte Erythropoiese durch mangelnde Eisenspeicher oder durch eine besonders hohe Atemantwort in der Höhe (HVR, „hypoxic ventilatory response“) bedingt sein. In diesen Fällen müssen die Eisenspeicher durch entsprechende Substitution vor dem Höhenaufenthalt gefüllt werden und bei hoher HVR könnten größere Höhen möglicherweise wirksam sein.

      Hinweis: Hilfreiche Informationen liefern natürlich die individuellen Reaktionen vorangegangener Höhentrainingsaufenthalte.

      Kompaktinformation

      Live high – Train high

      Zielsetzung und Einsatz:

      ■ Ventilatorische Akklimatisation (sowie neuropsychologische und muskuläre Adaptationen) zur Vorbereitung für einen Höhenwettkampf bzw. Trekking oder Expedition.

      ■ Hämatologische Akklimatisation zur Steigerung der Sauerstofftransportkapazität als Basis für höhere Trainingsintensitäten im Tal bzw. verbesserte Regeneration.

      Höhe und Aufenthaltsdauer:

      ■ Etwa 1 Woche in ca. 2000 m für einen Höhenwettkampf bis in diese Höhe (ventilatorische Akklimatisation) und weitere 1–2 Wochen in 2500–3000 m für einen Wettkampf oder bergsportliche Unternehmungen in Höhen bis 3500 m.

      ■ Mindestens 3 Wochen zwischen 2000 und 2700 m zur Steigerung der Hämoglobinmasse und Sauerstofftransportkapazität. Künstliche „Höhenräume“ eignen sich aus organisatorischen Gründen dafür kaum.

      Zur Vorbereitung für einen Höhenwettkampf bzw. eine bergsportliche Höhenunternehmung jedoch kann „live high – train high“ wirkungsvoll eingesetzt werden. Die akute Höhenexposition bewirkt eine Abnahme der maximalen und submaximalen aeroben Leistungsfähigkeit, wobei Letztere im Laufe der passiven und aktiven Akklimatisation zumindest teilweise rückgängig gemacht wird. Dies erfolgt zu einem großen Teil schon in den ersten Tagen des Höhenaufenthaltes und wird aber in den darauffolgenden 1–3 Wochen, je nach Höhenlage und individueller Reaktion, noch weiter verbessert. Dies geschieht vor allem durch den Anstieg der arteriellen Sauerstoffsättigung durch Hyperventilation und die Erhöhung der Hämoglobinkonzentration durch Plasmavolumenabnahme (Hämokonzentration). Später (~ 2–3 Wochen) erfolgt dann eine Zunahme der Gesamthämoglobinmasse durch Erythropoiese. Außerdem können auch neuropsychologische Faktoren und muskuläre Adaptationen zu dieser verbesserten Dauerleistungsfähigkeit in der Höhe beitragen. Die maximale Sauerstoffaufnahme in der Höhe nimmt jedoch nicht

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