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      20. Juni – Tag 31: Steve weigerte sich heute früh, seinen Haferbrei mit Kokosöl aufzuessen, und wollte stattdessen Schokokekse. (Gestern Abend musste ich ihn dazu überreden, das MCT-Öl pur einzunehmen, da er das viel angenehmere Kokoseis oder andere Zubereitungen verweigerte.) Mit viel gutem Zureden aß er sein Frühstück schließlich auf.

      26. Juni – Tag 37: Steve zeichnete wieder eine Uhr, die diesmal noch eindeutiger aussah (vgl. Abbildung 3). Er macht auch in anderer Hinsicht allmählich Fortschritte: Er zittert immer weniger (sichtbar) und sein Gang wird normaler.

       Ein wertvoller Fund

      Inzwischen verbrachte ich fast jeden freien Augenblick damit, mich über Ketone, mittelkettige Fettsäuren, Kokosöl und MCT-Öl kundig zu machen.

      Im Zuge meiner Internetrecherchen stieß ich auf den Namen Dr. Richard L. Veech – er war Stoffwechselspezialist bei der amerikanischen Gesundheitsbehörde und anscheinend ein weltbekannter Ketonforscher. Ich fand seine Kontaktadresse und Hinweise auf mehrere Artikel, unter anderem auf einen mit dem Titel: „Review: The Therapeutic Implications of Ketone Bodies“ [zu Deutsch etwa: „Überblick: Die therapeutischen Auswirkungen von Ketonkörpern“ Anm. d. Übers.], veröffentlicht in der Zeitschrift Prostaglandins, Leukotrienes and Essential Fatty Acids (Veech, 2004). In diesem Artikel äußert er sich ausführlich zum Thema Ketone und darüber, wie Neuronen (Hirnnervenzellen) sie anstelle von Glukose als Energiequelle verwerten können, insbesondere bei Krankheiten wie Alzheimer und Parkinson, bei denen die Glukoseverwertung nicht möglich ist. Er schrieb auch über ihren Einsatz bei Diabetes und einer Reihe anderer Krankheiten.

      Ich hatte viele Fragen an diesen Arzt, nicht nur über die Anwendungsmöglichkeiten bei jemandem wie meinem Mann, sondern auch bei meinen Neugeborenen. Ich beschloss, all meinen Mut zusammenzunehmen und ihm meine Fragen telefonisch zu stellen:

      1. Warum nicht Kokosöl anstelle von MCT-Öl?

      2. Warum nicht zu jeder Mahlzeit anstatt nur morgens? Wäre es nicht besser, wenn man versuchte, dem Körper die Ketone kontinuierlich zuzuführen?

      3. Warum gerade 20 Gramm MCT-Öl?

      4. Wären frei verkäufliche Teststreifen zur Ketonbestimmung im Urin sinnvoll?

      5. Gab es schon Studien mit Neugeborenen über die Anwendung von Ketonkörpern aus MCT-Öl zur Behandlung von Problemen wie Frühgeburt, Hypoglykämie (Unterzucker) oder Sauerstoffmangel bei der Geburt?

      Bei unserem ersten Telefongespräch erwähnte ich nicht, dass ich Steve Kokosöl gab, sondern stellte ihm einfach meine Fragen. Er erzählte mir von Accera und von der Firma Stepan (die ich auch schon kannte) und sagte, er glaube nicht, dass die durch das MCT-Öl gebildeten Mengen von Ketonkörpern ausreichend seien, um Wirkung zu zeigen, wobei es egal sei, ob man das Öl einmal oder über den ganzen Tag verteilt einnahm. Er wisse nicht, warum MCT-Öl so wirke, denn der Blutketonspiegel mache nur ein Zehntel dessen aus, was für den Transport von Ketonkörpern in die Gehirnzellen benötigt werde. – Aber ich wusste ja, dass das bei Steve funktionierte.

      Obwohl ich ahnte, dass er skeptisch reagieren würde, wenn ich ihm von Steve und meinen Beobachtungen und Eindrücken erzählte, fragte ich ihn, was er von Kokosöl zur Ketonbildung halte, und er antwortete: „Warum nicht?“ Er sprach auch von einem Wachstumsfaktor BDNF [brain-derived neurotrophic factor, zu Deutsch etwa: vom Gehirn stammender neurotropher Faktor], einer Substanz, die geschädigte Neuronen retten könne. Frei verkäufliche Teststreifen zur Ketonbestimmung im Urin hielt der für „nutzlos“. Offenbar messen sie nur die als Acetoacetat bekannten Ketone und nicht Beta-Hydroxybutyrat (diejenigen Ketone, die von den Neuronen hauptsächlich als Energiequelle für die Zelle verwendet werden), die meist in etwa gleichen Mengen im Blutstrom vorhanden sind. Dr. Veech sprach sich für die Bestimmung aus dem Blut aus. Bezüglich der Dosis von 20 Gramm sagte er, dass die meisten Menschen diese Menge vertragen würden, ohne Durchfall zu bekommen (der ein Zeichen dafür sei, dass der Körper nicht mehr vertrage). Er hielt die Behandlung von Frühgeborenen und Neugeborenen, die unter Hypoglykämie oder Sauerstoffmangel litten, mit Ketonen für hilfreich; darüber sollten Studien gemacht werden.

       Ketone aus dem Labor

      Bei unserem Gespräch erfuhr ich, dass Dr. Veech einen Ester synthetisiert (also eine chemische Verbindung aus einem Alkohol – hier 1,3-Butandiol – und einer Säure – hier Beta-Hydroxybutyrat – des Ketons Beta-Hydroxybutyrat). Diese Kombination sorgt dafür, dass das Blut nach der Aufnahme nicht zu sauer wird. Ketonester kann in kristalliner Form hergestellt werden oder als konzentrierte Flüssigkeit, die man mit Wasser leicht verdünnen kann. Er kann oral oder intravenös verabreicht werden und wird, sobald er in den Blutstrom gelangt ist, vom Gehirn und anderen Organen begierig aufgenommen und genutzt. Seine Dosierung kann problemlos angepasst werden, sodass ein Spiegel erreicht wird, wie er während des Hungerns oder unter der klassischen ketogenen Ernährung bei der Behandlung der Epilepsie auftritt.

      Anfänglich wurde Dr. Veechs Ketonentwicklung durch staatliche Gelder finanziert. Die Abteilung Forschung und Entwicklung des US-Verteidigungsministeriums wollte wissen, ob dieser „Supertreibstoff“ die geistige und körperliche Leistungsfähigkeit von Kampftruppen verbessern könne. Zuschüsse kamen auch von der Parkinson-Stiftung. Doch inzwischen war Dr. Veech sehr frustriert, denn er benötigte zusätzlich 15 Millionen Dollar für eine größere Anlage, um Ketonester tonnenweise herstellen und ihn an Alzheimer- und Parkinsonpatienten testen zu können. Seine Arbeit wurde von der amerikanischen Gesundheitsbehörde „begutachtet“ und dann flossen die Forschungsgelder nur noch spärlich. Er vermutete, das habe daran gelegen, dass er keine Lobby hatte. Andere Alzheimer-Forschungsprojekte bekamen 75 Millionen Dollar, aber als Arzt und Biochemiker war er sich sicher, dass diese Vorhaben hinsichtlich dieser Krankheit nichts bewirken würden. Er schickte mir schließlich zwei seiner Artikel über den therapeutischen Einsatz von Ketonen.

       Wie meine „Keton-Verbindungen“ sich ausweiteten

      Zwei Wochen, nachdem Steve zum ersten Mal Kokosöl bekommen und zu meinem großen Erstaunen und meiner Freude die viel bessere Uhr gezeichnet hatte, fand ich es an der Zeit, Dr. Veech davon zu erzählen. Daraufhin sollte ich ihm Steves Uhrenzeichnungen per Fax schicken. Er hielt den Unterschied für wirklich erstaunlich und sagte noch einmal, dass er den geringen Ketonspiegel, der durch das Kokosöl zu erzielen war, für nicht hoch genug hielt, um eine solche Wirkung zu erreichen. Auch die nächste Uhr, die Steve nach 37 Tagen zeichnete, faxte ich an Dr. Veech.

      Ich las weiterhin alles, was ich über Ketone, mittelkettige Fettsäuren, Kokosöl und MCT-Öl finden konnte. Dr. Veech mailte mir weiterhin wichtige Abhandlungen zum Thema und stellte für mich den Kontakt zu mehreren seiner Kollegen her, die ebenfalls mit der Ketonforschung zu tun hatten: Dr. George Cahill, Dr. Theodore VanItallie und Dr. Sami Hashim. (Mehr über diese Männer und ihre wichtige Arbeit in Teil II) Ich las ihre Abhandlungen und ließ keine Gelegenheit aus, ihnen Fragen zu stellen und von ihnen zu lernen. Dr. Hashim war mit Dr. Veech über die Höhe des Ketonspiegels zur Verbesserung der geistigen Leistungsfähigkeit bei einem Alzheimerpatienten nicht einer Meinung. Er glaubte, ein geringerer Spiegel sei ausreichend.

       KAPITEL 6

      Sobald es offenkundig wurde, dass Steve auf die Einnahme des Kokosöls so stark positiv reagiert hatte, machte ich es mir zur Aufgabe, diese Information möglichst vielen Menschen zugänglich machen. Mein wichtigstes Ziel war, Menschen und Gruppen, die im Fokus der Öffentlichkeit stehen, für diesen neuen Weg zu gewinnen. Ich wollte werben für die Unterstützung der Ketonforschung, für den Einsatz der Ketone als alternative Energiequelle bei bestimmten neurodegenerativen Krankheiten sowie für die Finanzierung von Dr. Veechs Ketonesterproduktion. Mein zweitwichtigstes Anliegen war, für die Erforschung der mittelkettigen Fettsäuren zu sensibilisieren und darauf aufmerksam zu machen, dass diese in der Leber zu Ketonen umgewandelt

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