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Alten und dem Neuen Testament befassten, las Ebrard auch zweimal über »Theologische Encyklopädie« (SS 1845 und SS 1847), einmal über »Geschichte der schweizerischen Reformation« (WS 1845/46) sowie einmal – und erstmals in |16| der Geschichte der Zürcher Universität überhaupt – über Kirchenrecht18 (WS 1845/46).19 Während seines letzten Semesters in Zürich war Ebrard Dekan der Theologischen Fakultät. Seit Beginn seines Zürcher Aufenthalts bekleidete er zudem das Amt eines Unterbibliothekars in der Kantonalbibliothek (heute Zentralbibliothek Zürich).20 Dort fand er zahreiche alte reformierte Liturgiebücher vor, die er sorgfältig studierte und zur Fertigstellung seines Reformirten Kirchenbuches21 (1847) verwendete.22

      Ebrards Berufung an die Zürcher Fakultät war umstritten gewesen und von heftigen Auseinandersetzungen zwischen Kirchenrat, Fakultät und Studentenschaft begleitet worden, die ironischerweise an den Streit in Zürich um die Berufung von Ebrards Antagonisten Strauß erinnern.23 Darüber hinaus waren die Jahre 1844–1847 durch zahlreiche Konflikte zwischen dem konfessionsbewussten Ebrard und den liberalen Kreisen in und außerhalb von Zürich gekennzeichnet. So reagierten etwa Ebrard und sein »positiver« Kollege Johann Peter Lange24 (1802–1884) auf die Gründung der Zeitschrift Kirche der Gegenwart durch den Linkshegelianer Alois Emanuel Biedermann (1819–1885), indem sie 1844 als Gegenstück die Zeitschrift Die Zukunft der Kirche ins Leben riefen.25 Ebrards kompromissloser Konservatismus wirkte sich auch unter den Studenten polarisierend aus26 und trug allgemein zu seiner zunehmenden Isolierung bei, vor allem nach der Rückkehr der liberalen Regierung 1845.27 Sein schlechter Ruf unter den Liberalen sei u. a. für die Ablehnung seines Antrags auf ein Ordinariat Ende 1846 – nachdem Ebrard einen Ruf an die protestantische Hochschule in Wien abgelehnt hatte – ausschlaggebend gewesen: »Der gewöhnlichste Anstand |17| würde es geboten haben, mir den Titel Ordinarius zu geben […]. Allein den Schweizer Radikalen ging der Parteistandpunkt über jede Rücksicht. Ich bekam auf meine Eingabe gar keine Antwort.«28 1847 wurden Ebrard und Lange von ihrem berühmten Zürcher Kollegen Alexander Schweizer (1808–1888) in einem in der Zeitschrift Kirche der Gegenwart veröffentlichten Artikel heftig attackiert,29 auf den Ebrard in seiner eigenen Zeitschrift Zukunft der Kirche antwortete.30 Selbst dessen Verhältnis zu Lange war aber seit der Veröffentlichung des zweibändigen Werks Das Dogma vom heiligen Abendmahl und seine Geschichte (1846), in dem Ebrard Lange kritisiert hatte, angespannt.31

      Angesichts dieser Umstände ist es nicht verwunderlich, dass Ebrard der Berufung an die theologische Fakultät seiner alma mater als erster Inhaber des neu errichteten Lehrstuhls für reformierte Theologie32 Folge leistete. Sein Interesse an diesem Lehrstuhl – über dessen Einrichtung man bereits seit 1845 diskutiert hatte33 – hatte er während eines kurzen Aufenthaltes in Erlangen im Frühjahr 1847 offiziell bekundet.34 Einerseits war Ebrard deshalb erleichtert, als der offizielle Ruf nach Erlangen ihn Ende Juli 1847 erreichte; andererseits empfand er den Abschied von Zürich dennoch als schmerzlich: »Daß ich von Zürich scheiden sollte, […] war ein Weh, ein recht tiefes Weh.«35

      Im Herbst 1847 trat Ebrard die Professur in Erlangen an; kurz danach, im Dezember, wurde ihm von der Universität Basel der Titel eines Doktor der Theologie honoris causa verliehen.36 In den folgenden Jahren widmete er sich vornehmlich der Dogmatik, las aber auch über beide Testamente und über Praktische Theologie. Darüber hinaus gründete er 1851 die Reformirte Kirchenzeitung, deren Chefredaktor er bis 1853 war. Die Jahre als Professor in Erlangen waren für Ebrard ruhig und ausgesprochen ertragreich: Neben der zweiten Auflage |18| seiner Wissenschaftlichen Kritik der evangelischen Geschichte (1850) veröffentlichte er zahlreiche Aufsätze, einen Kommentar zum Hebräerbrief (1850) sowie seine zweibändige Christliche Dogmatik (1851/52). Zudem engagierte sich Ebrard während der Wirren des Jahres 1848 gegen die »Rothen«, die seines Erachtens nicht nur politische Anliegen verfolgten, sondern auch einen geistigen Kampf gegen das Christentum führten.37

      Ebrards akademische Karriere kam dennoch zu einem vorzeitigen Ende, als er am 16. März 1853 als Konsistorialrat der seit 1848 von München unabhängig gewordenen unierten Kirche der Pfalz berufen wurde. Wie er später erfahren sollte, war seine Ernennung von der »strenglutherischen Partei« in Bayern angeregt worden, die durch Ebrards Versetzung die Position der Reformierten an der Erlanger Fakultät schwächen wollte.38

      Die Vereinigte protestantisch-evangelisch-christliche Kirche der Pfalz war 1818 aus dem Zusammenschluss der reformierten und lutherischen Gemeinden im Gebiet der linksrheinischen Pfalz, das 1816 an Bayern gekommen war,39 entstanden. Anders als in Preußen (1817) kam die Union in der Pfalz allerdings nicht durch einen obrigkeitlichen Beschluss, sondern durch Abstimmung in den Gemeinden zustande. Eine gemeinsame, 1818 in Kaiserslautern tagende Synode hatte zwar die Union formalisiert, aber – im Geist des Rationalismus – auf die Festlegung einer Bekenntnisgrundlage verzichtet.40 Darüber hinaus war die Presbyterialordnung im Zuge der Revolution 1848 in eine – so Ebrard – »kirchliche Ochlokratie«41 verwandelt worden.42 Es ist somit verständlich, dass sich der neugewählte, konfessionsbewusste Konsistorialrat Ebrard nun für eine tiefgreifende, sowohl die Bekenntnisgrundlage als auch die Kirchenverfassung betreffende Reform der pfälzischen Landeskirche einsetzte.

      Die erste Aufgabe, die Ebrard nach seiner Ernennung übernahm, war die Abfassung eines neuen Katechismus, dessen Entwurf bereits 1853 von der Generalsynode genehmigt wurde.43 Im selben Jahr gelang es Ebrard, von der Generalsynode die Confessio Augustana Variata44 (1540) – die »urkundlich den Consensus |19| zwischen lutherischer und reformierter Lehre dar[stellt]«45 – als offizielles und verbindliches Glaubensbekenntnis der pfälzischen Landeskirche einführen zu lassen.46 Sowohl die Verfassung eines Unionskatechismus als auch die Einführung eines für die pfälzische Kirche in ihrer Gesamtheit – d. h. für Reformierte und Lutheraner zugleich – geltenden Glaubensbekenntnisses waren in den Augen Ebrards unerlässliche Schritte hin zu einer wahren Union.47 Obwohl einige Pfarrer der Ansicht waren, dass es einem jeden Geistlichen überlassen werden sollte, in seiner Gemeinde im Sinne der lutherischen oder der reformierten Lehre zu predigen, konnten sich diejenigen, welche die Position Ebrards vertraten, letztlich durchsetzen. Auch die Verhandlungen über die Reform der Wahlordnung endeten mit einer Genehmigung des Antrags Ebrards um Wiederherstellung der Regeln von 1818.48 Obwohl Ebrard in diesen Jahren von seinen vielen Verpflichtungen als Konsistorialrat stark in Anspruch genommen wurde, fand er dennoch die nötige Muße, um seine Vorlesungen über Praktische Theologie für den Druck (1854) vorzubereiten.49

      Hatte Ebrard bezüglich Katechismus, Bekenntnis und Kirchenverfassung – wie er schreibt – »einen glänzenden Sieg«50 errungen, so scheiterten seine Bemühungen schließlich an der Reform des Gesangbuchs, die von der Generalsynode 1853 ebenfalls in Auftrag gegeben worden war. Bereits 1856 hatte Ebrard zusammen mit seinem Kollegen Friedrich Börsch51 einen Entwurf mit 353 Liedern erarbeitet.52 Der Entwurf wurde in den folgenden zwei Jahren immer wieder überarbeitet und erweitert, sodass die Endfassung 1000 Lieder umfasste.53 Diese wurde von König Maximilian II. – der im Sinne des »Summepiskopats« die Kirchenleitung innehatte – am 2. Juli 1858 genehmigt und lag im April 1859 gedruckt vor.54 Gegen die Einführung des neuen, in der Textwahl »positiv« ausgerichteten Gesangbuchs protestierten zuerst nur rationalistisch gesinnte Gruppen, denen sich dann auch die Kreisregierung anschloss.55 Da aber der König der festen Überzeugung war, dass »sanktionierte Beschlüsse einer Generalsynode« nicht |20| umgestoßen werden dürften,56 blieben die Proteste zunächst erfolglos. Erst ein sich 1860 entzündeter juristischer Streit leitete eine neue Entwicklung ein, die letztlich zur Niederlage der Reformbemühungen Ebrards führen sollte. Zur Debatte stand die Rechtsgültigkeit der Wahlordnungsreform aus dem Jahr 1853. Der von der pfälzischen Generalsynode genehmigte Entwurf war nämlich vom Ministerium in München geringfügig bearbeitet worden und in dieser Form in Kraft getreten, ohne dass offenbar eine explizite Genehmigung der abgeänderten Vorlage durch den König erfolgt war.57 Wurde aber die Gültigkeit der Wahlordnungsreform 1853 angezweifelt, so musste auch diejenige sämtlicher seither erfassten Synodalbeschlüsse in Frage gestellt werden. Dies bewirkte letztlich, dass der König 1861 eigenmächtig nicht nur das neue Gesangbuch, sondern auch den Unionskatechismus abschaffte und kurz darauf die alte Wahlordnung aus dem Jahr 1848 wieder einführte.58 Infolge solcher in Ebrards Augen höchst verwerflichen Entwicklungen sah er sich gezwungen, sein Amt niederzulegen.59

      Ebrard erhielt seinen Abschied am 20. April 1861 und kehrte nach Erlangen zurück, konnte aber seine Professur

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