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»Kräftige Bronze als Farbe.« Erstaunlich, er dachte immer, Bronze gab es wie Silber und Gold nur in einer Ausprägung. »Anfängliche Aromen von leichtem, frischem Eukalyptus.« Im Gegensatz zu schwerem, getrocknetem Eukalyptus? »Ausbalanciert mit der Süße von Butterscotch und Treacle. Ein wenig reines Mineralwasser befreit Spuren von reifen, weichen Früchten.« Welche weichen Früchte bitte? Himbeeren, Erdbeeren, Brombeeren? Als Abgang: »Seidige Glattheit, komplex und köstlich.« Der 38-Jährige musste folgende Beschreibungen erdulden: »Eine besonders frische und taufeuchte Fruchtigkeit.« Taufeuchte Fruchtigkeit?! Es kam noch besser: »In der Nase sonnendurchtränkte, reife Früchte; ein Geschmack von gebackener Ananas führt zu cremigen Haselnüssen und Mandelkuchen. Der Abgang ist delikat mit Anklängen weißer Trauben, von Holunder und Mandeln.« Der geschmackliche Unterschied zwischen roher und gebackener Ananas sollte in Whisky erkennbar sein? Cremige Haselnüsse? Für diese Wortmonster hatte die Marketingabteilung wohl mehrere Nächte geschuftet! Die dritte Flasche wurde als atemberaubendes Beispiel eines dreifach destillierten Whiskys bezeichnet, auf feinster Qualitätseiche gereift, mit tiefem, reichem Gewürz und weicher, honigsüßer Birne, dazu eine seidige, glatte Textur. Schön, wenn eine Destillerie ihren eigenen Whisky atemberaubend fand. Abgesehen davon, dass alle Auchentoshan-Whiskys dreimal destilliert wurden. Qualitätseiche? Honigsüße Birne? Ausgemachter Blödsinn! Wollte man die Käufer auf den Arm nehmen, nach dem Motto, gib uns dein Geld, wir kümmern uns nicht darum, was in der Flasche ist und ob man es noch trinken kann? Entgegen dem weitverbreiteten Missverständnis, dass Whisky immer besser wurde, je länger er im Fass lagerte, war nach etwa 16 Jahren alles Glückssache, weil die negativen Noten des Holzes überhandnehmen konnten. An den hohen Schwund durch Verdunstung gar nicht zu denken. Der Herr an der Kasse, der ihm seine Eintrittskarte verkauft hatte, mit aufwändig getrimmtem Vollbart, der Schnurrbart fein ziseliert, merkte, dass etwas nicht stimmte.

      »Wir haben auch einen Filmraum, wenn Sie möchten, Sir …«

      »Ich bin sicher, das wird mir gut gefallen. Wo denn, bitte?«

      »Hier, zu meiner Linken.«

      MacDonald nahm hinten Platz. Bei den Whisky-Regionen war man nicht auf dem richtigen Stand. Campbeltown fehlte! Auf die Speyside-Region, welche die Scotch Whisky Association 2006 eingeführt hatte, könnte man eher verzichten, lag sie doch innerhalb der Highlands. Über die Lowlands hieß es: »Von ehemals sieben Destillerien blieben nur wenige übrig.« Insgesamt vierzehn, um genau zu sein! »Es gibt wenige Dinge im Leben, die erfreulicher sind als das Klicken von Eiswürfeln in einem Glas.« Wie sein guter Freund, Master Blender Alastair Carnegie, zu sagen pflegte: »Wer Eis in seinen Whisky gibt, muss gerichtlich belangt werden.« Wollte Beam-Suntory anderen Whisky bewerben? Japanischen vielleicht? Aber Auchentoshan war, wie die gesamte schottische Whisky-Industrie, eine Geldmaschine, und es konnte nicht sinnvoll sein, das eigene Produkt lächerlich zu machen. Andererseits gab es von Auchentoshan sehr viele reguläre Whiskys: American Oak, Three Wood, Blood Oak, Noble Oak etc. Hinzu kamen die seltenen Flaschen. War es gemein, anzunehmen, dass in der Produktion dieser Tage so nachlässig wie in der Marketingabteilung gearbeitet wurde? Zeit, das Privatkino zu verlassen.

      »Hat Ihnen unser Film gefallen, Sir?«

      »Stark verbesserungsfähig, junger Mann.«

      Der Guide schluckte, sah MacDonald perplex an. »Sind Sie bereit?«

      »Wozu?«

      »Für die Tour, Sir«, antwortete der Mann in nachsichtigem Ton.

      »Wo stecken denn die anderen Teilnehmer?«

      »Sie sind der Einzige.«

      Die Führung versöhnte MacDonald wieder ein wenig, denn die Produktionsstätten konnten sich sehen lassen, funktional und dennoch ästhetisch bestechend. Japanische Eleganz war unverkennbar. Schnell stellte sich auch heraus, dass der Mann Expertise besaß.

      »Welche Gerste verwenden Sie?«

      »Concerto. Zu hundert Prozent.«

      »Hefe?«

      »Anchor, eine Trockenhefe, die wir seit 1992 benutzen. Bei uns bleibt die Wash 55 Stunden in der Washback.«

      »Veräußern Sie Fässer an Privatleute?«

      »Nein, nur an renommierte Abfüller und Firmen, wie etwa die Scotch Malt Whisky Society.«

      »Kaufen Geschäfte wie Imperial Whiskys aus Edinburgh direkt bei Ihnen ein oder über Zwischenhändler?«

      »Leider ist das nicht mein Arbeitsbereich.«

      »Verkaufen Sie viele alte Whiskys?«

      »Medium, würde ich schätzen. Für eine exakte Antwort müsste ich die Kollegen konsultieren. Kürzlich besuchte uns ein asiatischer Gentleman und kaufte je zwei Exemplare der drei ältesten Scotch im Shop.«

      »War der Herr alleine unterwegs?«

      »Nein, mit einer Gruppe von Freunden, ein außergewöhnlicher Mensch, spendierte den Fünfzigjährigen noch im Shop.«

      »Der Gentleman schenkte Ihnen den Whisky?«

      »Wie schön wäre das gewesen! Nein, er kaufte ein Set No-sing-Gläschen, öffnete die Flasche und schenkte seinen Begleitern ein. Können Sie sich vorstellen, dass die Gesellschaft die Flasche leerte?«

      »Wie viele Personen waren es?«

      »Sechs oder sieben.«

      »Dann kann ich es mir gut denken. Was hat der Herr mit der leeren Flasche gemacht?«

      »Bitte, was?«, fragte der Guide viel zu laut.

      »Warf er sie weg?«

      »Auch beim besten Willen kann ich mich nicht mehr erinnern.«

      MacDonald war lange genug Detektiv, um zu merken, dass der Mann schwindelte.

      Irgendjemand hatte die Flasche an sich genommen, entweder der Besucher oder der Guide. »Waren die anderen Teilnehmer auch aus Asien?«

      »Die meisten unserer Besucher kommen aus den USA, Großbritannien und Mitteleuropa.«

      »Schön, aber woher stammte diese Gruppe?«

      »Asien. Japan oder China.«

      »Hatten Sie in der letzten Zeit Probleme mit gefälschtem Whisky?«

      »Mir ist nichts bekannt.«

      »Auch nicht mit Ihrem Zwölfjährigen?«

      »Unsere Produkte müssen höchsten Ansprüchen genügen, bevor sie das Areal verlassen.«

      Blablabla, ergänzte MacDonald im Geist. »Veränderte sich Ihre Arbeit, als Beam-Suntory übernahm?«

      »Nein, überhaupt und gar nicht, und wenn, im Gegenteil.«

      »Wissen Sie, ob es in den anderen Destillerien des Konzerns Probleme gibt? Glen Garioch, Laphroaig, Ardmore, Bowmore?«

      »Keinesfalls, nein, kann ich mir kaum vorstellen.«

      MacDonald kaufte eine Flasche Whisky und verließ das Gebäude in schlechter Stimmung. Wer auch immer die leere Flasche an sich genommen hatte, fand eine Verwendung dafür, als Souvenir, Kerzenhalter, oder um billigeren Whisky einzufüllen. Er trottete zum Bahnhof und wartete auf den nächsten Zug nach Glasgow. In der Ferne konnte er Loch Katrine sehen. Das Seewasser wurde für die Produktion von Auchentoshan verwendet. Ein Jammer, dass er keine Zeit für einen kleinen Ausflug hatte. Auf dem Rückweg stieg er im Haymarket-Bahnhof aus. Beim Weg durch die große, helle Halle glaubte MacDonald wieder, verfolgt zu werden. Zurück im Braid Hills, loggte er sich im Hotelcomputer ein, um zu klären, ob jemand leere Auchentoshan-Flaschen zu verkaufen hatte, zum Beispiel bei Ebay, fand aber nichts. Weder Exemplare antiker Flaschen noch neuere Exemplare gab es. Er dachte an den Werbefilm bei Auchentoshan und die fehlende Region Campbeltown. Die Scotch Whisky Association in Edinburgh war nicht nur für die Benennung der Whisky-Regionen zuständig, sondern kümmerte sich auch um gefälschten Whisky. Es wäre keine schlechte Idee, die Recherche dort fortzusetzen. Er setzte sich auf einen der bequemen Ohrensessel und wählte

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