Скачать книгу

sauber halten, sagte Ronny, obwohl sie Scheiße aussehen. Wie meinst du das denn?, fragte Lars. Glaubst du, wenn man Scheiße aussieht, ist einem alles egal? Ja, sagte Ronny, könnte so sein. Ich weiß nicht immer, was ich meine, aber so könnte es sein. Ich finde Geier gut, sagte Lars. Vor allem die Köpfe und den Ausdruck im Gesicht, ich mag den tiefen Ernst und ich finde, sie benehmen sich so, als hätten sie eine Aufgabe zu erfüllen. Ja, ja, ja, rief Hillary. Man kann alles überinterpretieren! Die sind gierig und Gierige sind immer ernst.

      Was sind denn deine Lieblingsvögel?, fragte Frau Federmann. Blaumeisen, sagte Hillary. Ich mag diese Farbkombination, gelb und blau. Und dieses Blau mag ich ganz besonders. Sie sind so lebhaft und bescheiden, das genaue Gegenteil von mir. Sie lachte. Und du Romy?, fragte Frau Federmann. Ich mag die Plastikkrähen, die sich manche in die Blumenkästen stecken oder aufs Fens­terbrett schrauben. Ich mag auch die Vogelsilhouetten auf den Fenstern, diese Warnvögel. Ich mag bewegungslose Vögel. Seltsam, nicht?

      Vielleicht hast du als Kind den Film »Die Vögel« von Adolf Hitchcock gesehen, sagte Frau Federmann. Alfred!, rief Horst. Er hieß Alfred! Richtig, rief die Lehrerin. Gut aufgepasst, Horst. Das war ein kleiner Geschichtstest und du hast ihn bestanden, du ganz allein! Horst freute sich und wir alle freuten uns mit ihm. Das ist ein Horrorfilm, sagte Frau Federmann, in dem Vögel Menschen attackieren. Vielleicht sind dir seitdem bewegungslose Vögel lieber, kann das sein? Kann sein, sagte Romy und jeder merkte, dass sie jetzt ausgepowert war und nichts mehr sagen konnte.

      Elvira!, rief Frau Federmann, sag du uns deinen Lieblingsvogel. Der Schildkrötenvogel, sagte Elvira. Kenn ich gar nicht, meinte Frau Federmann. Niemand kannte ihn. Ist superschwer, sagte Elvira, fliegt superlangsam und wird superalt. Und wo lebt er?, fragte Frau Federmann. Ex-Australien, sagte Elvira. Ach, ausgestorben? Elvira nickte. Alles was ich mag, ist ausgestorben oder kurz davor. Sie sagte es sehr sachlich und ohne Bitterkeit. Elvira, sagte Frau Federmann streng, du lebst in einer Traumwelt, wach bitte auf. Früher war nicht alles besser. Wenn du vor tausend Jahren gelebt hättest, wärst du in deinem Alter nach zwanzig Geburten ausgezehrt und potthässlich gestorben. Kein Prinz mit glänzender Scham­kapsel würde um deine Hand anhalten, komm zurück in die Realität. Schildkrötenvögel, was für ein Blödsinn! Entschuldige bitte, wir Lehrer sind auch nur Menschen, wir müssen uns nicht jeden Müll auftischen lassen. So, das musste mal raus.

      Und Sie?, fragte Lukas. Welchen Vogel mögen sie? Gans, sagte Frau Federmann. Aber nur einmal im Jahr.

       Die Uhren

      Ich möchte nicht immer an die Zeit denken, sagt eine Uhr zur anderen. Dann lass es, sagt die andere. Ich denke fast nie an die Zeit. Du denkst fast nie an die Zeit?, ruft die eine Uhr erstaunt. Es ist eine Armbanduhr. Wie machst du das?

      Keine Ahnung, sagt die andere, eine Wanduhr. Ich muss mir keine Mühe geben. Ich denke einfach an etwas anderes, an den Wind, die Menschen, Holz, an irgendwas. Ich kann die Zeit anzeigen, ohne an sie zu denken, kein Problem!

      Ich nicht, sagt die Armbanduhr, da ticke ich ganz anders. Ich kann ja auch den Pulsschlag spüren, ich denke immer an die Zeit und es macht mich verrückt. Warum bist du dann Armbanduhr geworden?, fragt die Wanduhr. Man braucht sehr gute Nerven. Und man muss die Zeit natürlich über alles lieben, sonst macht es einen verrückt, die ganze Zeit an sie zu denken. Ich liebe die Zeit, aber ich denke nicht immer an sie. Was ist? Warum schweigst du? Hallo?

      Ich weiß nicht, sagt die Armbanduhr, ob ich noch weiter mit dir sprechen möchte. Wir sind sehr unterschiedlich. Du bist ja auch viel lauter und größer als ich, ihr Wanduhren habt von Natur aus dieses Grobe, das trennt uns, glaube ich.

      Wenn du das Trennende sehen willst, bitte, sagt die Wanduhr. Aber eine kleine Wanduhr will niemand. Wir müssen eine gewisse Größe und Sichtbarkeit haben, das kannst du mir nicht vorwerfen. Und ehrlich gesagt: Ich beneide dich. Du hast so etwas Wertvolles. An einem Körper getragen zu werden, ist schon etwas Besonderes. Das haben wir Wanduhren nicht. Und einen Puls zu spüren, finde ich, das ist das Größte überhaupt, noch größer als die Zeit, denn es bedeutet Leben.

      Ich finde, wer einen Puls spürt, lebt auch selbst, ein bisschen jedenfalls. Da würde es mir auch nichts ausmachen, ständig an die Zeit zu denken.

      Spürst du die Wand denn nicht?, fragt die Armbanduhr. Ja, schon!, ruft die Wanduhr. Aber was ist denn eine Wand gegen den Pulsschlag?!

      Ich finde Wände toll, sagt die Armbanduhr. Sie haben diese fantastische Schwere und Stabilität.

      Wer feste Häuser baut, der macht auch Krieg, sagt die Wanduhr. Ist ein altes Nomadensprichwort. Und was war mit Dschingis Khan?, ruft die Armbanduhr. Komm mir nicht mit schlauen Sprüchen, gib mir lieber einen guten Rat.

      Ich kann nur ticken, sagt die Wanduhr. Und zuverlässig sein, soweit die Batterien reichen. Tut mir leid, ich kann dir gar nichts raten. Wie spät ist es bei dir? Fünf vor Zwölf!, ruft die Armbanduhr. Die Lieblingszeit der Menschen, sie erwähnen sie so oft. Und bei dir? Ich bin vor zwei Tagen stehen geblieben, sagt die Wanduhr. Die Batterie ist leer und niemand wechselt sie. Der Puls ist schon seit Wochen weg, sagt die Armbanduhr, ich weiß nicht, wo er ist und ob er nochmal wiederkommt.

      Vielleicht macht er Urlaub, sagt die Wanduhr, das gibt es bei den Menschen.

      Ja, sagt die Armbanduhr. Urlaub. Das wird’s sein.

       Der letzte Flug

      Ich werde jetzt hinausgehen und eine Weile im Sonnenschein tanzen, sagt Marion Geschke zu ihrem Mann. Ja, tu das!, ruft Ansgar, wer weiß, wann sich der Himmel wieder zuzieht, das Wetter ist so unbeständig! Ansgar!, tadelt ihn Marion. Du schon wieder! Hatten wir nicht ausgemacht, das Wetter nicht mehr zu kritisieren? Entschuldige, Liebling, bittet Ansgar, das ist die Macht der Gewohnheit. Schon gut!, ruft Marion und hüpft barfuß auf den Rasen. Ein Schrei!

      Ansgar legt das Buch zur Seite und stürzt aus dem Haus. Ich bin auf eine tote Amsel getreten, sagt Marion. Sie war schon tot. Ja, Liebling, seufzt Ansgar erleichtert und nimmt seine Frau in den Arm. Gewiss war sie schon tot. Sie ist ja schon steif. Er kickt den toten Vogel ins Gebüsch. Da haut ihm Marion eine runter. Das ist ja wohl das Letzte! Eine tote Amsel ins Gebüsch zu kicken, als wär sie eine Cola-Dose! Was ist bloß mit dir los? Hast du keine Achtung vor der Kreatur, du Grobian?

      Sie ist to-hot!, ruft Ansgar. Tohohot! Die Kreatur ist tot. Sie spürt nichts mehr und niemanden kümmert es, was weiter mit ihr geschieht, die anderen Vögel nicht, die Bäume nicht, niemanden. Nur du regst dich auf! So ist sie wenigstens noch einmal geflogen! War ein guter Schuss fand ich. Genau in die Thuja.

      Du hast sie getreten!, schreit Marion. Die Amsel, das Leben, den Tod – alles trittst du mit Füßen! Ich werde mich von dir trennen, du Arschloch!

      Heyhey!, ruft Ansgar. Was sagst du da? Hast du sie noch alle? Wegen einer toten Amsel so ein Fass aufzumachen, krieg dich mal wieder ein! Nein, nein!, ruft Marion. Es ist dein Innerstes, das da zum Vorschein kommt, und es ist widerlich. Es ist so widerlich! Ich halte es keine Sekunde länger mit dir aus.

      Super, sagt Ansgar. Das war toll. Sie küssen sich. Krise spielen ist echt toll, sagt Marion. Ansgar nickt und blickt verliebt in ihre Augen. Du hast aber auch die besten

      Ideen! Und dein Schrei war so furchtbar, so echt, ein echter Gänsehautmoment. Sie lächeln sich an. So, jetzt muss ich aber, sagt Marion bestimmt und sieht zum Himmel hoch. Da ist schon die erste Wolke. Ja, ja, nur zu, sagt Ansgar. Sie küssen sich und Marion fängt an zu tanzen. Ansgar schaut ihr noch ein Weilchen verträumt zu und geht ins Haus zurück.

      Es ist immer wieder aufregend, unsere totale Harmonie so aufzupeppen, denkt er und will weiterlesen. Aber er ist jetzt sexuell zu aufgeladen. Da kommt auch Marion schon wieder. Auch sie ist so erotisiert, dass sie nicht weitertanzen konnte.

      Wir wenden uns jetzt ab, weil dieser Text hier endet.

       In der Hölle

      Wir waren aus Übermut in irgendeinen Zug gestiegen und direkt in der Hölle gelandet, wir waren dermaßen fertig. Der Teufel stand uns gegenüber und grinste.

Скачать книгу