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seiner Ehe noch niemals etwas aus dem berühmten roten Köfferchen sehen. Das wurmt ihn gewaltig. Auch er hätte seine Gattin also beleidigt verlassen.«

      »Was du alles weißt.«

      Im Erdgeschoss mobilisierte Mrs Craig zusätzliche Gesichtsfalten. »Ich wünsche den Herren einen geruhsamen Tag. Adieu.«

      »Nur eines noch. Sie müssen uns bitte sagen, wo wir diesen Herrn Sangster finden.«

      »Völlig unmöglich.«

      »Erklären Sie sich bitte.«

      »Ich kann nicht hinweg über den Kopf von Mrs Lockhart entscheiden.«

      »Es leuchtet Ihnen aber ein, dass wir ihre Tochter und ihre Enkeltochter finden wollen?«

      »Bin ich ja in der Zwischenzeit nicht auf den Kopf gefallen. Doch nur weil Mrs Lockhart kurzzeitig der Verstand abhandengekommen ist, breche ich mein Versprechen nicht. Früher einmal hat sie mir gesagt, dass ich niemandem etwas über Paul verraten darf. Fürderhin, wenn Sie Major Lockhart kennen würden, wüssten Sie auch, wo Ann wohnt.«

      MacDonald zog das Foto aus der Tasche. »Sind das Ann, Catriona und Paul?«

      »Ja. Und die Aufnahme bleibt im Haus.«

      »Da bin ich anderer Meinung. Komm, Alberto, wir gehen.«

      Vor der Tür echauffierte MacDonald sich weiter. »Ich verstehe überhaupt nicht, was in die Frau gefahren ist.«

      »Mich hat mehr verblüfft, dass sie sich in dem Haus so gut auskennt. Ganz zu schweigen von ihrem fürchterlichen Rassismus. Noch etwas sage ich: mäh!«

      »Du bist eine Ziege?«

      »Nein, aber sie. Ailsa Craig heißt auch ein Ziegenkäse aus Dunlop.«

      »Ich weiß.«

      »Aber du hast es nicht erwähnt.«

      »Meinst du, man kann einer Dame damit schmeicheln, dass sie wie ein Ziegenkäse heißt?«

      »Wenn er gut schmeckt, vielleicht schon.« Alberto ging zielstrebig zum nächsten Haus und klingelte. Eine Frau in mittleren Jahren öffnete die Tür, in einer Hand den »Scotsman«, in der anderen die Lesebrille. »Einen wunderschönen guten Tag, die Dame. Wir sind Freunde Major Lockharts und möchten Sie etwas fragen.«

      »Freunde vom Major, sagen Sie?«

      Alberto nickte verbindlich.

      »Sie stammen aber nicht aus Edinburgh, oder?«

      Als die Frau MacDonalds Kilt bemerkte, fasste sie etwas mehr Vertrauen. Angus legte Alberto väterlich den Arm auf die Schulter. »Gnädigste, können Sie uns vielleicht sagen, wo wir Paul Sangster finden?«

      »An Ihrer Stelle würde ich es mal in Morningside versuchen.«

      »Ist der Herr betucht?«

      »Eher das Gegenteil. Er verkauft dort sein Magazin.«

      »Und wie heißt es?«

      »The Big Issue.«

      »So einer ist das also!«, sagte Alberto entrüstet. »Jetzt wundert mich überhaupt nichts mehr.«

      Guiseppe Coia hatte sich einen doppelten Grappa eingeschenkt. So einen Tumult wie da draußen vor seinem Geschäft in der Victoria Street hatte er noch nie erlebt. Er führte den Familienbetrieb bereits in der dritten Generation. Sein Großvater wanderte 1931 nach Edinburgh aus und setzte damit einen Exodus fort, der in den 1890er Jahren begann. Damals schnürten die ersten Familien ihr Bündel, um der Armut zu entkommen. Viele von ihnen eröffneten Restaurants oder Eiscreme-Salons. Manche spezialisierten sich auf Fish and Chips Shops, in Edinburgh Chippies genannt. Auch die Coias fanden so ihren Weg ins hiesige Geschäftsleben. Es war nicht allzu kostspielig. Alles, was sie außer den Räumlichkeiten benötigten, waren eine schwarze Eisenpfanne und frischen Fisch, den sie täglich auf dem Markt kauften. Die Coias besaßen noch immer zwei Chippies. Doch bereits vor Jahrzehnten hatten sie in der Old Town in bester Lage zusätzlich ihr Delikatessen-Geschäft eröffnet und damit zunächst die italienische Gemeinschaft der Stadt erfreut. Heute führten sie auch internationale Lebensmittel und Weine und belieferten das gesamte Vereinigte Königreich. Lebte ein Brite nicht im hintersten Winkel des Landes, wurde er am nächsten Werktag beliefert. Eine Garantie, die auf stolze 90 Prozent der Kunden zutraf. Das Geschäft florierte und seitdem seine Tochter eingestiegen war, konnte der Senior sogar an den Ruhestand denken. Der Ärger begann zwei Tage zuvor, als dieser merkwürdige Mann im dunklen Anzug und mit seiner albernen Geheimdienst-Sonnenbrille das Geschäft betrat. Spazierte vor und zurück. Wie ein Geldeintreiber sah er nicht aus, war weder Schotte noch Italiener. Was also wollte der hässliche Vogel? Irgendwann wurde es Coia zu dumm und er stellte ihn zur Rede. »Kann man Ihnen helfen, mein Herr!«

      Der Bursche zog provozierend langsam die Brille ab und stierte ihn an. »Nicht um mich geht es. Sie sind es, der Beistand braucht, Sir.«

      »Wie kommen Sie darauf?«

      »Bereits eine einfache Betrachtung Ihres Geschäftes führt einen dazu.«

      »Ich habe keine Zeit für solchen Unsinn! Sagen Sie einfach, was Sie wollen.«

      »Teufelswerk, wohin ich auch schaue. Dafür werden Sie schrecklich leiden.«

      »Da liegt also der Hase im Pfeffer. Sie sind einer dieser Betbrüder. Gute Verkleidung! Respekt! Verlassen Sie auf der Stelle mein Geschäft!«

      »Sie machen einen großen Fehler, Mister Coia. Auch Sie müssen das Heil finden. Essen ist Sünde.«

      »Nicht, wenn man Italiener ist. Und es wäre auch nicht mein erster Fehler im Leben! Raus jetzt, aber schnell.« Er drohte dem CIA-Verschnitt mit dem Besen.

      Der Mann lächelte nur geringschätzig, zog die getönte Brille wieder auf und schritt sehr langsam aus dem Laden. »Ein großer, großer Fehler, signore.«

      Und heute standen zehn Typen vor seinem Geschäft, fünf Männer und fünf Frauen, die gegen seine Waren demonstrierten und handgemalte Schilder in die Luft streckten. »Stoppt die Völlerei! Kampf den Sündern! Denkt an die hungernden Kinder in Indien! Sie brauchen uns!« Er hatte überhaupt nichts dagegen, aber bei der heiligen Madonna, was hatte er denn mit ihren Parolen zu tun? Giuseppe zuckte zusammen. Seine Tochter hatte ihm unbemerkt die Hand auf die Schulter gelegt. »Soll ich die Polizei rufen, Dad?«

      »Das habe ich bereits getan, Sweetie.«

      »Wann denn?«

      »Gleich als diese Brüder und Schwestern hier eintrafen.«

      »Die lassen sich aber reichlich Zeit.«

      »Wenn sie überhaupt kommen. Es war nicht einfach, sie zu überzeugen.«

      »Unerhört!«

      »Du weißt doch, wie das ist, Gianna. Immer das gleiche Lied, wenn ein unbescholtener Bürger die Hilfe der Polizei benötigt: Sind Sie sicher, dass es ernst ist? Im Moment sind wir schwer beschäftigt. Blablabla.«

      »Dad! Wo willst du hin?«

      »Mir die Herrschaften mal aus der Nähe ansehen.«

      »Glaubst du, man kann mit ihnen reden?«

      »Wir werden sehen.« Als er vor die Tür trat, hörten die Demonstranten kurz auf, im Kreis zu gehen. Zumindest das hatte er erreicht. »Was wollt ihr?«

      »Stoppt die Völlerei! Kampf den Sündern! Denkt an die hungernden Kinder in Indien! Sie brauchen uns!«

      »Nicht schon wieder! Die Platte kenne ich schon!«

      Gianna zog ihn am Ärmel. »Dad, du kommst jetzt besser wieder rein. Die Leute kommen mir nicht geheuer vor. Und die Polizei muss ja irgendwann eintreffen.«

      Coia ließ sich widerstrebend von ihr ins Geschäft zurückziehen. »Hast du das gesehen?«

      »Was denn?«

      »Du hast laut und deutlich von der Polizei gesprochen

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