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hatte wahrlich und wahrhaftig ein Auge auf den Major geworfen, auch wenn sie das nicht zugeben würde. Ob sie wohl einst eine Liaison mit ihm gehabt hatte? War dem noch immer so? Wenn er so darüber nachdachte, wusste er mit Ausnahme der Geschichten über ihren Herrn Vater und wenige Bekannte kaum etwas über ihr Privatleben. Hatte sie jemals geheiratet? Existierten Kinder und Enkelkinder?

      Alberto empörte sich. »Von Überwachung kann keine Rede sein! Mir liegt das Wohlergehen unserer Gäste am Herzen. Ist das etwa ein Verbrechen?«

      »Überhaupt nicht. Komisch ist nur, dass wir im Hotelbetrieb so lange überleben konnten, ohne dass unser Haus zum Hochsicherheitstrakt wurde.«

      »Ich habe keine Ahnung, wovon du redest, Maria.«

      »Dann will ich dir mal auf die Sprünge helfen. Neben deiner persönlichen Supervision kommen unsere Gäste und ich seit Kurzem auch noch in den Genuss von Kameras und Bewegungsmeldern.«

      Alberto schluckte kräftig. »Dabei handelt es sich um eine sehr nützliche Hilfe im Hotelbetrieb und …« Er wurde von einem durchdringenden Quak-Laut aus seinem Plädoyer gerissen.

      »Nützliche Hilfe Nummer eins schlägt Alarm«, sagte Maria.

      »Was folgern wir daraus?«

      »Dass die Japaner in ihre Zimmer gegangen sind.«

      »Eben nicht, denn sie bekämpfen immer noch ihr Frühstück. Schau auf den Monitor. Ich habe ihn nicht ohne Grund auf die Fensterbank gestellt.«

      »Wir benötigen also dringend noch eine Überwachungskamera für den Flur?«, fragte Maria mit aller möglichen Ironie.

      Alberto schaute seine Frau bewundernd an. »Jetzt, wo du es sagst, kann ich dir ja anvertrauen, dass ich selbst bereits daran gedacht habe.«

      Nachdem alle Gäste mit Frühstück versorgt waren, begannen die Vitiellos wie üblich mit der Reinigung des Hauses. Alberto polierte gerade das Schränkchen vor der Eingangstür, als sich ein gewaltiger Schatten darauf legte. »Porca miseria«, rutschte es ihm heraus.

      MacDonald trat ein und zog einen imaginären Hut vom Kopf. »Buon giorno, signore.«

      »Buon giorno, Angus.«

      »Habe ich dich erschreckt?«

      »No. Was führt dich zu uns?«

      Der Geruch deiner wohlschmeckenden Suppen, hätte MacDonald gerne geantwortet. Doch wollte er sich nicht als Gast aufdrängen. Stattdessen stammelte er: »Ich komme von Mrs Sinclair.«

      »Sie wohnt nicht gerade in unserer Nachbarschaft.«

      »Unbestritten, aber ich wollte dir unbedingt gleich von meinem neuesten Fall erzählen.«

      »Was, schon wieder einer?«, fragte sein Freund ein wenig zu gleichgültig.

      MacDonald wusste genau, welche Klaviatur er beim Familienmenschen Alberto spielen musste. »Eine junge Frau und ihre kleine Tochter sind verschwunden.«

      »Pfui Teufel! Wer eine Mutter und ihr Kind entführt, gehört für den Rest seines Lebens weggesperrt. Sind es Verwandte von Mrs Sinclair?«

      »Nein, Tochter und Enkeltochter eines gewissen Major Lockhart. Es ist übrigens nicht sicher, dass sie entführt wurden.«

      »Kennst du den Herrn?«

      »Ich habe ihn heute zum ersten Mal gesehen und leider nur kurz sprechen können. Denn er ist abrupt aufgebrochen.«

      »Was hat der Fall mit der Kulinarik zu tun?«

      »Meines Wissens nichts. Doch dem flehentlichen Blick Mrs Sinclairs konnte ich einfach nichts entgegensetzen.«

      »Ich nehme an, du möchtest, dass ich dir wieder bei den Ermittlungen unter die Arme greife?«, fragte Alberto feierlich.

      »Thank you, das wäre zu viel des Guten. Du bist schließlich ein vielbeschäftigter Mann und hast ein renommiertes Guest House zu führen.«

      »Aber ich fühle mich in meinem eigenen Haus nicht mehr sicher und wäre deshalb für jede Ablenkung dankbar.«

      »Jetzt hast du mich gedanklich verloren.«

      »Ich rede von den japanischen Gästen, die unter meinem Dach wohnen. Komische Gestalten sind das. Sie führen etwas im Schilde.«

      »Ist das so?«

      »Certo. Ich werde dir alles erzählen.«

      Albertos nicht enden wollenden Geschichten über schlimme Gäste wollte MacDonald sich heute gerne ersparen. »Oh, wie gerne täte ich das, doch ruft mich die Pflicht.«

      »Wovon redest du?«

      »Ich muss meine neue Fernsehsendung vorbereiten.«

      »Capito. Worum geht es denn dieses Mal?«

      »Um einen der Grundpfeiler der schottischen Küche, den Hafer.«

      »Und unser neuer Fall?«

      »Ich hole dich morgen früh ab, dann legen wir los. Apropos, was weißt du über Prinz Philip?«

      »Was alle wissen.«

      »Würdest du dir zutrauen, ihn zu imitieren?«

      »Für ein Stück im King’s Theatre?«

      »Eher für eine Laienaufführung.«

      »Seit wann interessierst du dich für das englische Königshaus?«

      »Ich mache es notgedrungen für den Fall. Die Mutter der vermissten Frau befindet sich in einer Blase, gefüllt mit ihrer überbordenden Phantasie. Sie reagiert nur noch auf den Duke of Edinburgh.«

      »Molto bene! Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie sehr mich das freut.«

      Angus hütete sich nachzufragen, wie sein Freund das meinte. Denn dann würde er das Haus erst gegen Abend wieder verlassen.

      Zu Hause versuchte er mehrfach, Mrs Sinclair anzurufen, um sie noch einmal um die Vermittlung eines zweiten Gesprächs mit dem Major zu bitten. Doch sie hob einfach nicht ab. Wo konnte sie jetzt, so kurz nach dem Vorfall nur stecken? Ging sie doch selten aus dem Haus. Mittlerweile fragte er sich, ob sie mehr über den Fall wusste, als sie zugab.

      Längst bereute MacDonald, dass er Alberto die Geschichte mit der Prinz-Philip-Imitation erzählt hatte. Nicht dass er ihm das Talent zu Imitation und Komik abspräche. In diesem Fach war er ein ungekrönter König. Unvergessen zum Beispiel die Tüte mit Scherzartikeln, die er seinen Verwandten in Italien präsentiert hatte: Bleistifte, die beim Schreiben umknickten, Blumen, die auf Knopfdruck Wasser verspritzten und weitere kurzweilige Dinge des absurden Lebens. Misslich war nur, dass Prinz Philip nicht mit italienischem Akzent redete. Und wie sollte er das Alberto schonend beibringen? Der stand bereits vor der Haustür und wartete auf ihn. MacDonald hielt mangels eines Parkplatzes mitten auf der Straße und ließ ihn einsteigen.

      »Da brat mir einer einen Storch. Der Herr trägt nach langer Zeit wieder einmal sein Röckchen.«

      »Deine Witzeleien fechten mich nicht an. Ein Schotte steht zu seinem Land.«

      »Sag, wie kommt es zu dieser Kostümierung?«

      »Ich verkörpere Prinz Philip, auch unter dem Namen Duke of Edinburgh bekannt.«

      »Wer hat dir seinen spärlichen Haarwuchs verpasst?«

      »Eine Kollegin vom Maskenbildnerteam der BBC war mir freundlicherweise behilflich.«

      »Eccellente. Angus, ich muss dir etwas beichten. Leider hatte ich überhaupt keine Zeit, mich vorzubereiten. Aber wie ich dich kenne, hast du wieder ein komplettes Drehbuch verfasst.«

      »In der Tat habe ich einiges Material gewälzt und mir auch Stichworte notiert. Vorbereitung ist oft die halbe Schlacht.«

      »Allora, wie gehen wir vor?«

      »Meine Idee war, zuerst einen Monolog zu halten, genauer gesagt ein Potpourri einiger der lustigsten

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