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Fürst gab das junge Mädchen zögernd aus seinen Armen frei. Sein Blick ließ den ihren nicht los und machte Sybill seltsam befangen.

      »Komm, Wolfram. Wir wollen es einmal versuchen!«

      Sie ergriff den Kleinen bei den Händen und begann, sich mit ihm zu den Klängen der Dorfkapelle zu drehen. Ihr buntes Dirndl bauschte sich um die schlanken Beine, das seidige Haar flog im Wind. Alle ihre Bewegungen waren anmutig und sehr graziös. Fürst Degencamp stand wie gebannt und sah Sybill und seinem Sohn beim Tanz zu.

      Der Kleine schien in der Nähe der Baronesse ein ganz anderes Kind. Sie verstand es großartig, mit ihm umzugehen. Sie war die geborene Mutter.

      Hasso von Degencamp hatte schon seit langem nicht mehr den Wunsch verspürt, sich zu verheiraten.

      Als er jetzt zu der schönen jungen Frau hinübersah, die seinen Sohn an den Händen hielt und ihm zulachte, wußte er plötzlich, daß keine andere ihn je so glücklich machen würde wie dieses Mädchen, das ihn vom ersten Tag an verzaubert zu haben schien.

      »Hilfe, ich kann nicht mehr! Mir ist schon ganz schwindlig.«

      Sybill stand vor ihm, seinen Sohn an der Hand, dessen Augen glücklich strahlten.

      Der Fürst legte den Arm um sie und hielt sie ganz leicht umfaßt.

      »Geht es schon wieder?« fragte er zärtlich und lächelte in ihre blauen Augen hinein. »Ja, die Dorfmusik hat es in sich!«

      Claus Schröter tanzte soeben vor bei. Er wirkte zornig und unglücklich dabei.

      Der Fürst strich seinem Sohn die feuchten Haare aus der Stirn.

      »Du bist lange genug aufgewesen. Meinst du nicht auch?«

      Der Kleine nickte gehorsam.

      »Ja, Vater. Darf Tante Sybill mich zu Bett bringen?«

      »Tante Sybill? Darfst du sie denn so nennen? Hat sie dir das erlaubt?«

      »Aber ja!«

      Sybill drückte den Kleinen zärtlich an sich. »Natürlich darf er das. Na, dann wollen wir den kleinen Schlingel mal zu Bett bringen. Sag dem Papa gute Nacht, Wolfram.«

      Der Fürst bückte sich zu seinem Sohn hinunter und nahm ihn auf den Arm.

      »Ich darf doch dabei zuschauen?«

      »Aber gern.« Sybill nickte scheu.

      Sie bemerkten alle drei den finsteren Blick nicht, mit dem Claus Schröter ihnen nachsah, als sie zum Schloß hinübergingen.

      *

      Claus war unglücklich. Er war es schon seit einiger Zeit, nämlich seit sie hier auf Schloß Degencamp waren. Sybill war nicht mehr die, die sie gewesen war, als sie noch zusammen die Collegebank drückten. Sie hatte sich seltsam verändert. Manchmal ging sie umher wie in Trance, dann wieder war sie ausgelassen und wild, daß er sie nicht wiedererkannte.

      Und sie hatte für ihn kaum mehr als hin und wieder ein freundliches Lächeln. Von der herzlichen Zuneigung, die sie doch früher für ihn empfunden hatte, war nichts mehr zu spüren.

      Claus ahnte, daß der Fürst ihr mehr bedeutete, als sie zuzugeben bereit war. Das Interesse, das der Fürst seinerseits für sie zeigte, war ohnehin nicht zu übersehen.

      Die Kommilitonen hatten das natürlich ebenfalls längst bemerkt. Und sie sparten nicht mit Spötteleien. Jeder von ihnen wußte doch, wie sehr er in Sybill verliebt war.

      Claus nagte gedankenvoll an der Unterlippe. Die andern machten sich insgeheim lustig über ihn und belächelten ihn mehr oder weniger offen. Wenn sie doch nie hierhergekommen wären! Er würde am nächsten Morgen abreisen.

      *

      Am nächsten Tag war Claus Schröter verschwunden. Man suchte lange nach ihm, fand ihn aber nicht. Spät am Abend erst kam ein Telegramm von ihm. Man möge sich nicht beunruhigen. Er sei nach Hause zurückgekehrt.

      Sybill wachte an diesem Tag erst auf, als die Sonne schon golden ins Zimmer schien und ein Strahl ihre Nasenspitze erreichte und von dort weiter über ihre geschlossenen Lider huschte.

      Sie spürte die Wärme und das Licht und rieb sich schlaftrunken die Augen. Fast gleichzeitig klopfte es leise und schüchtern an der Tür.

      Eine kleine Gestalt kam rasch hereingeschlüpft.

      »Darf ich bei dir frühstücken, Tante Sybill? Der Vater ist in den Wald geritten, und die beiden Tanten schlafen noch. Ich habe aber schon solchen Hunger, und allein schmeckt es mir gar nicht. Darf ich bleiben?«

      Wolfram kuschelte sich dicht an sie, und sie streichelte zärtlich seinen dichten Haarschopf.

      »Natürlich darfst du«, sagte sie, »aber wo kriegen wir so schnell ein Frühstück her?«

      Als habe sie da ein Zauberwort ausgesprochen, öffnete sich die Tür, und Lina erschien mit einem Tablett in der Hand.

      »Seine Durchlaucht haben mich beauftragt, das Frühstück selbst zu bringen«, sagte sie und entdeckte erstaunt den kleinen Besuch, der bei der Baronesse auf der Bettkante saß.

      Auf silbernen Schälchen servierte Lina geschickt köstlich duftende Milchhörnchen, braungebackene Mohnbrötchen und dazu köstliche Konfitüre und herrlichen Landschinken.

      »Ah, wundervoll! Jetzt merke ich erst, daß ich Hunger habe«, gestand Sybill lachend und griff nach der Kaffeetasse.

      »Und was machen wir mit dir?« Sie sah zu Wolfram hinunter, der seine Hand nach einem Mohnbrötchen ausgestreckt hatte und eben herzhaft hineinbiß.

      »Würden Sie ihm bitte eine Tasse Schokolade bringen, Lina?«

      »Aber natürlich. Ich bin sofort wieder da.« Und zu Wolfram gewandt: »Ich bringe dir auch noch ein paar von den Teekuchen mit, die du so gern ißt«, versprach Lina und eilte aus der Tür.

      Wenig später war sie wieder da.

      »So, da wäre auch die Schokolade«, strahlte sie. »Und nun wünsche ich recht guten Appetit.«

      »Vielen Dank«, lächelte Sybill. »Ich glaube, wir werden alles aufessen, nicht wahr, mein Liebling?«

      Der kleine Prinz nickte strahlend.

      »Damit würden Sie mir eine riesige Freude machen!« sagte Lina und strahlte über ihr rosig angehauchtes Gesicht.

      Die Baronesse war wirklich reizend. Sie mochte sie sehr.

      Als Lina gegangen war, legte Wolfram sein Mohnhörnchen hin und fing an, unruhig auf dem Bettrand hin und her zu rutschen.

      »Du, Tante Sybill«, sagte er schließlich vorsichtig.

      »Ja, mein Liebling?«

      Sybill sah ihn freundlich an.

      »Ich hab’ eine große Bitte.«

      »Ich höre«, sagte sie schalkhaft lächelnd.

      »Könntest du vielleicht – ich meine, würde es dir etwas ausmachen, Wölfchen zu mir zu sagen?« brachte er schließlich heraus und sah sehr verschämt und verlegen zu Boden.

      »Aber mein Liebling, wenn du es gern möchtest? Natürlich tue ich das gern.«

      Sybill zog ihn zärtlich an sich und fuhr ihm über die weichen Locken. Sie hatte ihn so lieb, den kleinen Prinzen. Und es würde wohl Tränen auf beiden Seiten geben, wenn sie heimfahren mußte.

      Nach einer Weile erschien Claudia in Sybills Zimmer, verschlafen und gähnend. Von Wolfram nahm sie keine Notiz.

      »Ich werde jetzt frühstücken. Die andern sind inzwischen längst aufgestanden. Wir wollen heute nachmittag einen Ausflug mit Ottokar machen. Hast du Lust, mitzukommen?«

      Sybill wollte gerade zusagen, als sie die bittenden Augen Wölfchens sah.

      »Ach, weißt du, ich möchte doch lieber nicht«, sagte sie schnell.

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