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die Arme um den Hals der Mutter und weinte, wie sie als kleines Mädchen geweint hatte, herzzerbrechend und untröstlich.

      »Aber Kind! Liebes!«

      Die Baronin streichelte zärtlich den Rücken der Tochter.

      »Du hast Kummer? Willst du mir nicht sagen, was es ist?«

      »Du wirst mit mir schelten, Mama. Ich weiß es genau.«

      Sie schluchzte noch heftiger.

      »Aber warum denn?«

      »Ich war so dumm, Mama, so grenzenlos dumm.«

      Die Baronin lächelte weise. »Willst du mir nicht doch alles sagen?«

      »Ach, Mama, ich habe mich verliebt.« Das Schluchzen wurde stärker. »Aber der Mann, in den ich mich verliebt habe, ist unerreichbar für mich. Ich hätte es wissen müssen, Mama, es ist so schrecklich.«

      Die Baronin streichelte sie immer noch, zärtlich und beruhigend.

      »Und wer ist dieser Mann, mein Kind?« fragte sie leise.

      »Es ist der Fürst. Bitte verzeih, Mama, ich – ich weiß ja…«

      Sie kam nicht weiter. Die Mutter schob sie sanft, aber bestimmt, von sich. Sie trat etwas zurück. Und da sah Sybill den Mann, der in der geöffneten Salontür stand und ihr zärtlich zulächelte.

      Jetzt trat er auf sie zu und nahm sie in die Arme.

      »Sybill, Liebling. Verzeih mir, daß ich gelauscht habe. Aber die Worte, die ich soeben vernahm, haben mich zum glücklichsten Mann der Welt gemacht! Warum bist du davongelaufen, Sybill? Ahntest du nicht – wußtest du denn wirklich nicht, daß ich dich liebe?«

      Sie sah zu ihm auf, und in ihren dunklen Augen lagen Freude und alles Glück der Erde. Sie konnte es immer noch nicht fassen, daß Hasso, Fürst von und zu Degencamp, ihr soeben gesagt hatte, daß er sie liebe.

      »Fürst, ich…«, stammelte sie verwirrt.

      »Ich heiße Hasso«, flüsterte er dicht an ihrem Ohr und verschloß ihre Lippen mit einem nicht endenwollenden Kuß.

      »Wie kommst du hierher?« fragte Sybill den geliebten Mann. »Woher wußtest du – und wie hast du das nur so schnell geschafft?«

      Er lächelte zärtlich.

      »Einiges hat mir Wölfchen verraten. Anderes habe ich mir zusammengereimt. Und dann – mein Wagen ist ein bißchen schneller als die gute alte Eisenbahn. Ich dachte mir, es wäre vielleicht richtiger, zuerst bei deiner Mutter um deine Hand anzuhalten, bevor ich mir dein Jawort hole. Und das bekomme ich doch, nicht wahr?«

      Sie nickte selig. Dann fanden sich ihre Lippen zu einem neuen zärtlichen Kuß.

      Plötzlich ging die große Flügeltür weit auf, und eine kleine Gestalt wirbelte herein und auf Sybill zu.

      »Tante Sybill, liebe Tante Sybill! Kommst du nun doch wieder mit zu uns?«

      »Wölfchen, mein keiner Liebling!«

      Sie hob den Kleinen zu sich empor und küßte ihn glücklich.

      »Ja, mein kleiner Schatz. Ich komme bald. Du mußt dich nur noch ein ganz klein wenig gedulden, ja?«

      Die eben noch strahlenden Kinderaugen verloren ihren Glanz.

      »Aber ich dachte«, murmelte er enttäuscht. »Du hast doch gesagt, Vater…« Er sah den Fürsten hoffnungsvoll an.

      Hasso nahm die beiden liebsten Menschen, die er besaß, mit einem einzigen zärtlichen Griff in die Arme.

      »Du hörst doch, was Tante Sybill sagt: sie kommt wieder. Aber du mußt ein kleines bißchen Geduld haben. Wir werden gemeinsam auf sie warten, du und ich. Was meinst du dazu?«

      Da sah das Kind von einem zum andern und lächelte glücklich.

      »Ja, Vater«, sagte Wolfram ernst. »Wir wollen auf sie warten. Und wenn sie dann kommt, dann wird es ganz schön sein, nicht wahr?«

      »Ja, mein Liebling«, lächelte der Vater ihm zu. »Dann wird es ganz, ganz schön sein.«

      *

      Jürgen Bentloh saß mit seinem Gipsbein im Schloßpark und wartete auf Komteß Diana, mit der er zum Stelldichein verabredet war.

      Glücklich darüber, daß er schon wieder laufen konnte, wenn auch das Bein noch in Gips steckte, genoß er den Sonnenschein. Süß dufteten die dunkelroten Rosen, die der Schloßgärtner gerade beschnitt.

      Vom Turm schlug es zehn. Der Student begann unruhig zu werden. Diana hatte versprochen, gleich nach dem Frühstück zu kommen. Er wartete nun schon seit einer halben Stunde vergeblich.

      Er sah auf die schmale goldene Uhr an seinem Handgelenk, aber sie zeigte die gleiche Zeit wie die Schloßuhr.

      Er wollte sich gerade erheben und im Schloß nach ihr fragen, als er eines der Stubenmädchen mit geheimnisvollem Gesicht heranhuschen sah.

      »Herr Bentloh?«

      »Ja?«

      Er sah sie erwartungsvoll an.

      Das Mädchen zog einen Zettel aus seinem Schürzchen.

      »Die Komteß hat ihn unter der Tür durchgeschoben. Die Frau Gräfin hat sie nämlich eingesperrt.«

      »Was? Sie hat sie eingesperrt? Was sind denn das für Sitten? Die Komteß ist doch kein unartiges Kind, das man einfach in sein Zimmer schließt!«

      Er war sehr böse.

      Das Mädchen fragte schüchtern, ob es auf Antwort warten solle.

      »Ja. Warten Sie.«

      Er faltete die kleine Botschaft auseinander und las.

      »Lieber Jürgen, ich habe Mama alles gesagt. Sie ist außer sich und hat mich in mein Zimmer eingesperrt. Bitte, sprich noch nicht mit ihr. Es hätte im Augenblick keinen Sinn. Ich lasse Dir wieder Nachricht zukommen, wenn sie sich einigermaßen beruhigt hat.

      Deine Diana.«

      Er kritzelte rasch ein paar Antwortzeilen auf einen Zettel und gab sie dem Mädchen, das eilig davonlief.

      Das war ja eine nette Bescherung. Was tat man in einem solchen Fall? Wenn die Gräfin Diana nun bis zum Tag seiner Abreise eingeschlossen hielt, was konnte er tun?

      Er sprang erregt auf, sank aber mit einem Wehlaut wieder auf die Bank zurück. Er hatte sein gebrochenes Bein völlig vergessen.

      Während er erschrocken die Zähne aufeinanderbiß, kam ihm ein Gedanke, der ihn gleich wieder den heftigen Schmerz vergessen ließ: Entführung – jawohl! Er würde Diana entführen und sie zu seinem Vater bringen. Vielleicht würde die Gräfin dann zur Besinnung kommen.

      Aber würde Diana seinen Plan gutheißen? War sie nicht doch zu konventionell erzogen worden für ein solches Unternehmen, das sie ihren guten Ruf kosten konnte?

      Er hätte sich gern mit irgend jemanden besprochen, hielt es dann aber doch für klüger, lieber zu schweigen. Wo es einen Mitwisser gab, war die Gefahr einer Entdeckung stets größer.

      *

      Diana war früher als sonst zu Bett gegangen.

      Die Mutter, mit der sie im Salon gesessen hatte, war nicht sehr gesprächig in der letzten Zeit, und seit die Studenten abgefahren waren, fand sie es öde und langweilig auf dem Schloß.

      Der Vetter war ebenfalls nicht zu Hause. Er war in die Stadt zu seiner Verlobten gefahren. Zwischen ihm und der Mutter herrschte ohnehin eine recht gespannte Stimmung seit seiner Verlobung mit der Baronesse.

      Diana wälzte sich unruhig hin und her in dem großen, von einem zartblauen Baldachin überdachten Himmelbett.

      Sie wollte schlafen und an nichts mehr denken, auch nicht an Jürgen, der sie längst vergessen zu haben schien.

      Da

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