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weilte.

      Das Gesicht der Gräfin verfinsterte sich zusehends.

      »Es wäre nicht unbedingt deine Pflicht gewesen, das Kind jetzt anzuerkennen«, sagte sie langsam. »Ich denke, deine Mutter hat ausreichend für den Jungen gesorgt. Er scheint doch im Internat recht gut aufgehoben gewesen zu sein.«

      Hasso von Degencamp lächelte.

      »Aber ich finde es wunderbar, einen Sohn zu haben. Und hätte seine Mutter noch gelebt« – sein Gesicht nahm einen ernsteren Ausdruck an – »dann hätte ich sie natürlich geheiratet.«

      Die Gräfin erstarrte.

      »Du hättest es fertiggebracht, eine Bürgerliche zu heiraten? Du – ein Fürst von Degencamp?«

      »Selbstverständlich hätte ich das. Ich halte nicht viel von unseren alten verstaubten Konventionen, die stolz und einsam, aber niemals glücklich machen.«

      Die Worte des Fürsten klangen heftig. Seine Augen funkelten.

      »Ich will nicht der Tradition leben, sondern das Leben führen, das ich mir wünsche. Das Leben ist kurz – sehr kurz. Und es liegt an uns, was wir daraus machen.«

      »Aber Hasso! Wenn dich dein Vater hören könnte! Er würde sich im Grabe umdrehen! Du, ein Fürst von Degencamp…«

      »Du wiederholst dich, liebe Kusine«, fiel er ihr ins Wort. »Übrigens wird Wolfram mit allen Rechten und Pflichten dereinst einmal mein Nachfolger. Ich habe ihn ­adoptiert.«

      Die Gräfin rauchte hastig. Aber es gelang ihr nicht, ihre Erregung zu verbergen.

      »Meinst du, daß deine zukünftige Frau damit einverstanden sein wird, daß das Kind einer anderen Frau ihrem eigenen Kind die ihm zustehenden Rechte nimmt?« fragte sie scharf.

      Der Fürst runzelte unwillig die Brauen.

      »Entschuldige, liebe Kusine«, sagte er heftiger, als er beabsichtigt hatte, »aber ich wüßte wirklich nicht, was dich das anginge. Und nun laß uns von etwas anderem reden.«

      Die Gräfin verschluckte rechtzeitig, was sie noch hatte sagen wollen, und lächelte liebenswürdig.

      Es würde nicht leicht sein, diesen halsstarrigen Mann davon zu überzeugen, was gut für ihn war, dachte sie bei sich. Laut aber sagte sie:

      »Wer war denn die junge Dame, die mit dem Jungen kam und dann so eilig davonlief?«

      »Baronesse Gereneck, die bei den Erntearbeiten hilft«, antwortete Diana statt des Vetters.

      »Eine Baronesse, die bei den Erntearbeiten hilft?« sagte die Gräfin gedehnt. »Gibt es das auch? Vermutlich total verarmte Familie. Aber trotzdem…« Ihre Miene drückte Verachtung aus.

      Fürst Degencamp stellte in diesem Augenblick fest, daß er die Kusine unausstehlich fand. Er warf ­Diana einen unfreundlichen Blick zu und meinte kühl:

      »Es könnte deiner Diana vielleicht auch nicht schaden, wenn sie sich ein wenig betätigen würde. Hast du noch gar nicht gehört, daß das auch unter den jungen Damen des Hochadels heute üblich ist?«

      Die Gräfin errötete vor Ärger, und Diana sagte schnell:

      »Wir haben im Internat einen Rotkreuzkursus mitgemacht. Ich bin gar nicht so untüchtig, wie du glaubst, lieber Vetter.«

      Sie lachte spitzbübisch. Es machte ihr Spaß, mit anzuhören, wie die Mutter und der Vetter die Klingen kreuzten.

      »Ah, Krankenpflege«, sagte der Fürst gedehnt. »Das trifft sich großartig. Einer unserer Studenten hat sich das Bein gebrochen. Die Pflegerin, die ich engagiert habe, ist heute morgen erkrankt. Da hast du gleich Gelegenheit, dich ein bißchen nützlich zu machen, Diana.«

      Die Gräfin erstarrte.

      »Das ist doch wohl nicht dein Ernst, Hasso. Ein junges Mädchen wie Diana kann doch nicht einfach zu einem jungen Mann ins Zimmer gehen.«

      Ihre grauen Augen blitzten entrüstet.

      »Aber warum denn nicht, Ma­ma?« fiel Diana ein. »Als wir einmal eine Woche lang im Krankenhaus eingesetzt worden waren, mußten wir auch zu den männlichen Patienten ins Zimmer. Es ist doch nichts dabei.«

      Die Gräfin schnappte hörbar nach Luft.

      »Ich habe es ja gesagt«, murmelte sie fassungslos, »seit immer mehr Emporkömmlinge ihre Töchter auf Schweizer Internate schicken, ist das Niveau der meisten Internate bedauerlicherweise ganz erheblich gesunken. Ich werde dich nicht wieder dahin zurückschicken, Diana.«

      Die Gräfin verschluckte rechtzeitig, was sie noch hatte sagen wollen, und Diana lachte leise.

      Fürst Degencamp erhob sich.

      »Na, dann komm, Diana! Ich werde dich zu dem Kranken bringen. Er wird entzückt sein, wenn sich ein so nettes junges Mädchen um ihn kümmert.«

      Die beiden verließen den Salon, während die Gräfin mit den widerstreitendsten Gefühlen zurückblieb.

      *

      Jürgen Bentloh richtete sich erstaunt auf, als nach kurzem An­klopfen der Fürst, gefolgt von einem schwarzgekleideten jungen Mädchen, sein Zimmer betrat.

      »Guten Tag, Herr Bentloh. Wie geht’s? Schon ein bißchen besser?«

      Der Fürst streckte ihm die Rechte entgegen. Dann stellte er ihm seine Kusine vor.

      »Die Komteß wird sich ein bißchen um Sie kümmern. Sie ist mit der Pflege von Kranken vertraut. Also, wenn Sie irgend etwas wünschen, sagen Sie es ihr ruhig. Also bis nachher, Diana.«

      Damit ging er.

      Die beiden jungen Leute saßen sich einander verlegen gegenüber, Jürgen Bentloh mit hochgezogenem Knie gegen seine Kissen gelehnt, Diana stocksteif auf ihrem Stuhl.

      Sie war ein bißchen ratlos. Der Vetter hatte sie da in eine merkwürdige Situation gebracht. Was, um Himmels willen, sollte sie hier tun? Es wäre vielleicht doch besser gewesen, sie hätte von diesem Rot-Kreuz-Lehrgang nichts erwähnt.

      Sie zupfte verlegen an ihrem Kleid und bemühte sich, es bis zu den Knien herunterzuziehen, was ihr nicht gelingen wollte, denn das schwarze Seidenkleid war nach der neuesten Mode ziemlich kurz gearbeitet.

      Jürgen Bentloh sah ihren Be­mühungen eine Zeitlang wortlos zu, wobei er sachlich feststellte, daß diese Beine makellos schön waren.

      »Ich würde es aufgeben«, sagte er schließlich. »Es nützt doch nichts.«

      Diana errötete. Als sie seinen spitzbübischen Blick bemerkte, lachte sie.

      »Sie haben recht«, sagte sie freimütig. »Es hat keinen Zweck. Es ist Mamas Schuld. Sie hat das Kleid so kurz arbeiten lassen.«

      »Aber ich finde das reizend. Warum wollen Sie Ihre hübschen Beine denn verstecken, Komteß? Das haben Sie doch gar nicht nötig.«

      Wieder errötete sie. Er bemerkte es, und es machte ihm Spaß.

      Was für ein reizendes Ding! Diana hieß sie. Sie sah mit ihren etwas rundlichen Formen durchaus lieblich aus.

      Verlegen fragte sie:

      »Haben Sie Schmerzen? Kann ich etwas für Sie tun? Sie haben das Bein gebrochen, nicht wahr? Wie ist das denn passiert? Sind Sie vom Erntewagen gefallen?«

      Er wollte es ihr gerade erklären, als es klopfte und Claudia das Zimmer betrat.

      Sie machte große Augen, als sie ihn mit einem ihr unbekannten jungen Mädchen allein fand.

      »Ah, Claudia, komm doch herein!« rief er ihr gutgelaunt entgegen. »Du weißt doch, ich habe gern Besuch. Wenn ihr draußen auf den Feldern seid, langweile ich mich gräßlich.«

      »Du siehst mir nicht gerade danach aus, als ob du dich langweiltest«, sagte sie spitz und nickte ­Diana hochmütig zu.

      Jürgen Bentloh grinste. Er machte die

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