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Liä Dsi. Laotse
Читать онлайн.Название Liä Dsi
Год выпуска 0
isbn 9783843804462
Автор произведения Laotse
Жанр Документальная литература
Серия Fernöstliche Klassiker
Издательство Bookwire
BUCH II
DER HERR DER GELBEN ERDE.
DIE MACHT DES GEISTES
»Statt heißem Wünschen, wildem Wollen / Statt läst’gem
Fordern, strengem Sollen / Sich aufzugeben, ist Genuß.«
1. UTOPIA
Der Herr der gelben Erde saß auf dem Throne fünfzehn Jahre lang und freute sich darüber, daß die Welt ihm diente. Er pflegte seines Lebens, er genoß Schönheit und Wohlklang und erfreute sich an Speisen und Wohlgerüchen. Aber er ward bekümmert, also daß sein Fleisch verdorrte; er ward betrübt, also daß seine Gefühle sich verwirrten.
Abermals fünfzehn Jahre lang trauerte er, daß die Welt in Unordnung sei. Er strebte nach Einsicht und erschöpfte seine Weisheit und arbeitete am Volke. Aber er ward bekümmert, also daß sein Fleisch verdorrte; er ward betrübt, also daß seine Gefühle sich verwirrten.
Da atmete der Gelbe Herr tief und sprach seufzend: »Mein Fehler ist groß. Allein sein Selbst zu pflegen bringt solches Leid, alle Welt zu ordnen bringt solches Leid.«
Und so gab er auf seine tausend Gedanken, verließ die Schlafgemächer im Palast, entfernte die Diener, tat ab das Glocken- und Saitenspiel, verringerte die Speisen der Küche. Er zog sich zurück und wohnte in Muße in den Gemächern der großen Halle und sammelte sein Gemüt, daß er des Leibes wieder Meister würde. Drei Monate blieb er fern von den Geschäften der Regierung.
Da schlief er einmal bei Tage ein und hatte einen Traum. Er wandelte im Reiche der Hua Sü. Dieses Reich hat keine Herrscher: es geht alles von selber; das Volk hat keine Begierden: es geht alles von selber. Man weiß nichts von der Freude am Leben noch dem Abscheu vor dem Tod: darum gibt es keine Plagen des Himmels. Man weiß nichts vom Haften am Selbst noch von der Entfremdung von der Außenwelt: darum gibt es nicht Liebe noch Haß. Man weiß nichts von der Abkehr von Andersdenkenden noch von der Zukehr zu Gleichgesinnten: darum gibt es nicht Nutzen noch Schaden. Keiner hat eine Vorliebe, keiner hat eine Abneigung. Sie gehen ins Wasser und ertrinken nicht, sie gehen ins Feuer und verbrennen nicht, Schläge machen nicht Wunden noch Schmerz, Kratzen macht nicht Brennen noch Jucken. Sie steigen in die Luft, wie man auf festen Boden tritt, sie ruhen im leeren Raum, wie man auf einem Bette schläft. Wolken und Nebel umdüstern nicht den Blick. Donnerrollen betäubt nicht das Ohr. Schönheit und Häßlichkeit betören nicht das Herz. Berge und Täler behindern nicht den Schritt. In Kraft des Geistes wandeln sie.
Als der Gelbe Herr erwachte, wurde er verstehend und kam zu sich selbst. Er berief seine drei Minister Himmelgreis, Krafthirt und den Denker vom großen Berg. Er redet also zu ihnen: »Ich lebte in Muße drei Monate lang und sammelte mein Gemüt, daß ich des Leibes wieder Meister würde, und dachte auf den Besitz des rechten SINNES zur Pflege des Ichs und zur Ordnung des Erdkreises. Aber ich fand nicht die rechte Art. Da ward ich müde und schlief ein. Was ich geträumt, war also. Nun weiß ich, daß der letzte SINN nicht durch leidenschaftliches Suchen zu finden ist. Ich weiß ihn jetzt, ich habe ihn jetzt, aber euch kann ich ihn nicht sagen.« Und abermals vergingen 28 Jahre, und der Erdkreis war in guter Ordnung, fast wie das Reich der Hua Sü. Da ging der Herrscher zur Ruhe ein, und das Volk beweinte ihn 200 Jahre lang ohne aufzuhören.
2. DER GÖTTERBERG IM NORDEN
Die Gu Schä Berge liegen auf einer Insel im Okeanos. Auf den Bergen wohnen selige Geister. Sie schlürfen den Wind und trinken den Tau und leben nicht von Brot und Korn. Ihr Herz ist abgrundtiefer Quelle gleich, ihr Leib jungfräulich. Sie wissen nichts von Zärtlichkeit und Liebe: Heilige und Weise sind bei ihnen Diener. Sie wissen nichts von Scheu und Zorn: Aufrichtige und Redliche sind bei ihnen Boten. Sie wissen nichts von Spenden und Gnade: und doch haben alle Wesen von selbst genug. Sie wissen nichts von Sammeln und Sparen: und doch gibt es von selbst keinen Mangel. Das Lichte und Trübe ist immer im Einklang; der Mond und die Sonne sind immer voll Klarheit; die Jahreszeiten sind immer milde; der Wind und der Regen sind immer gleichmäßig; die Pflege und Nahrung kommt immer zur Zeit; die Ernte des Jahres ist immer voll Segen. Und die Erde kennt nicht Seuche noch Krankheit, die Menschen kennen nicht vorzeitiges Sterben, die Wesen haben nicht Fehler noch Mängel, und die Geister regen sich nicht.
3. SELBSTVERGESSEN
Liä Dsï hatte zum Lehrer den alten Schang und zum Freunde den Be Gao. Als er den SINN der beiden Meister innehatte, fuhr er auf dem Winde nach Hause. Der Scholar Yin hörte davon und folgte dem Liä Dsï nach. Er blieb mehrere Monate bei ihm wohnen, ohne nach seinem Hause zu sehen; denn er hatte nichts zu tun. Er bat ihn, ihm zu eröffnen, wie man das (auf dem Winde Fliegen) mache. Zehnmal kam er zu ihm, und zehnmal sagte er ihm nichts. Da ward der Scholar Yin böse und erbat seinen Abschied. Liä Dsï sagte wieder nichts. Der Scholar Yin zog sich ein paar Monate zurück. Da er aber den Gedanken nicht loswerden konnte, wandte er sich wieder an ihn. Liä Dsï sprach: »Was kommst du schon wieder?« Der Scholar Yin sprach: »Damals habe ich den Meister gefragt, und der Meister hat mir nichts gesagt, darum war ich böse auf den Meister. Das bin ich nun aber wieder los, und darum komme ich wieder.«
Liä Dsï sprach: »Damals dachte ich, du seiest hinter die Sache gekommen, und nun war es nur eine kleinliche Laune von dir! Setz’ dich, ich will dir sagen, was ich bei meinem Meister gelernt habe. Nachdem ich mich an meinen Meister gewandt und Freundschaft geschlossen mit jenem andern, vergingen drei Jahre. Ich wagte im Herzen nicht über Recht und Unrecht nachzudenken noch mit meinem Munde über Vorteil und Nachteil zu reden. Da erst bekam ich von meinem Meister einen einzigen Blick. Nach fünf Jahren dachte ich in meinem Herzen wieder an Recht und Unrecht und redete mit meinem Munde wieder über Vorteil und Nachteil. Da erst heiterte sich die Miene des Meisters auf, und er lächelte. Nach sieben Jahren machte ich mir im Herzen wieder keine Gedanken mehr über Recht und Unrecht und redete mit meinem Munde keine Worte mehr über Vorteil und Nachteil. Da erst ließ mich mein Meister auf derselben Matte mit ihm sitzen. Nach neun Jahren, da machte ich einen Strich durch die Gedanken meines Herzens und die Worte meines Mundes. Ich wußte nicht mehr, ob es sich um mein Recht und Unrecht, um meinen Vorteil und Nachteil handle oder um die von andern. Noch wußte ich mehr, daß der Meister mein Lehrer war, oder jener andere mein Freund. Der Unterschied von Ich und Nicht-Ich war zu Ende. Danach hörten auch die Unterschiede der fünf Sinne auf, alle wurden sie einander gleich. Da verdichteten sich die Gedanken, der Leib ward frei, Fleisch und Bein lösten sich auf, ich hatte keine Empfindung mehr davon, worauf der Leib sich stützte, wohin der Fuß trat: ich folgte dem Wind nach Osten und Westen wie ein Baumblatt oder trockene Spreu, und wirklich weiß ich nicht, ob der Wind mich trieb oder ich den Wind.
Nun sieh: Du weilst im Hause des Lehrers, und ehe noch ein Jahr herum ist, wirst du zwei-, dreimal unwillig. Kein Teil deines Leibes kann die Luft aufnehmen, keines deiner Glieder kann die Erde tragen. Kannst du da hoffen, ins Leere treten zu können und auf dem Winde zu reiten?«
Der Scholar Yin schämte sich sehr, also daß er ganz stille ward und eine lange Zeit nicht mehr zu reden wagte.
4. SAMMLUNG DES GEISTES
Liä Dsï fragte den Guan Yin und sprach: »Die Adepten gehen durch Gegenstände ohne Hindernis hindurch, sie treten auf Feuer und werden nicht heiß, sie wandeln über der Welt dahin und zittern nicht. Darf ich fragen, wodurch man diese Stufe erreichen