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heißen Luft bald ranzig und verpestet die Atmosphäre bis auf dreißig Schritte Entfernung. Die Mädchen tragen schon hier den »Rahhad«, eine im Sudan allgemein gebräuchliche Lederschürze, als einziges Kleidungsstück, die Knaben gehen bis ins zwölfte Jahr fast ohne Ausnahme nackt.

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       Lager einer Missions-Expedition oberhalb der ersten Nilkatarakte bei Philae

      Zwischen Derr und Korosko verlässt der Nil seine südlich-nördliche Richtung und wendet sich nordöstlich. Auf dieser Strecke ist der herrschende Nordwind den Schiffen ungünstig, weshalb diese am »Trekseile«, arabisch »Libbahn« genannt, weitergezogen werden müssen. Ein Befehl der Regierung hat den Bewohnern des rechten Ufers – das linke ist Wüste – die Pflicht auferlegt, diese Arbeit zu übernehmen. Auch wir machten von dem Vorrecht aller Vornehmen Gebrauch und ließen uns so rasch als möglich befördern. Aber es empörte uns die Art und Weise, mit welcher man die Nubier zum Schiffsziehen presste. Zwei unserer Matrosen, tüchtige, handfeste Burschen, liefen den Barken voraus und trieben die in den Feldern, an den Schöpfrädern oder in den Häusern arbeitenden Männer mit Gewalt und Prügeln zum Zugseil. Wir wollten ihrer Roheit Einhalt tun, sahen aber ein, dass es ohne die landesübliche Methode nicht möglich war, fortzukommen, und mussten diese daher ihren Weg gehen lassen.

      Während der Fahrt bereitete uns Don Angelo, dessen Furcht vor dem Ertrinken ich schon gedacht habe, ein spaßhaftes Intermezzo. Unsere Dahabïe lag still, der Nil war seicht und ruhig und die Luft höchst angenehm. Man redete also dem guten Padre zu, sein Rettungsboot, die Gummimatratze, doch einmal zu versuchen, um ihre Nützlichkeit bei einem tatsächlich vorkommenden Schiffbruch zu erproben. Es fehlte nicht an Gründen und Vorstellungen, ihm die Sache recht einleuchtend zu machen; er entschloss sich wirklich zu einer Probefahrt. Die luftgefüllte Matratze lag auf dem Wasser, Don Angelo entkleidete sich und bestieg sie mit Hilfe des Barons sehr vorsichtig. Behaglich schaute er von seinem Lager herab in den Strom. »Nun wüte, Nil, ich bin geborgen!« Aber – eine Bewegung – das trügerische Bett drehte sich, Don Angelo lag im Wasser! Obgleich er auf festem Grund stand, rief er doch kläglich um Hilfe. Man brachte ihn an Bord, um eine Hoffnung weniger. Von nun an sah er nur mit der höchsten Seelenangst in die trüben Fluten des Stromes.

      Abends landeten wir in Derr, einem großen, zwischen Palmen versteckten, ganz unbedeutenden Dorf, in dessen Nähe sich ein halbverfallener Felsentempel befindet. Hier hatten unsere geistlichen Herren eine Amtsverrichtung. Ein Vater begehrte Hilfe für sein krankes, ganz erbärmlich aussehendes Kind. Man wusste nicht, was man diesem geben sollte, da die Mutter schon lange vor seiner Geburt an Syphilis gelitten hatte. Aber der Bischof wusste sich zu helfen. Er ließ es dem Vater unter dem Vorwand, dass er ihm Arzneien geben wolle, abnehmen und taufen! O sancta simplicitas!

      Von Derr aus fehlte uns der Wind. Die Barken wurden deshalb von unserem Schiffsvolk am Libbahn langsam weiter gezogen. Am 29. kamen wir an der zerstörten Mamelukkenfestung Ibrim vorüber. Ein Dorf gleichen Namens liegt am Ufer des Stromes unter Palmen. Die Festung befand sich auf einem fast senkrecht vom Nil aufsteigenden Felsen, wenig stromaufwärts vom Dorf. Ihre Mauern waren zwar nur aus lufttrockenen Steinen aufgeführt, aber diese sind in Ländern, in denen es fast nie regnet, ein vollkommen dauerhaftes Material. Ibrim war einer der letzten Haltepunkte der Mamelukken5, jener von Mohammed-Ali sehr gefürchteten, willens- und tatkräftigen Kriegerschar, dem Pascha, solange sie bestanden, gefährlicher als das an einem Haar hängende Schwert dem Damokles. Lange war es ihm nicht möglich, etwas gegen die wohlverteidigte, fast unersteigliche Festung zu unternehmen, während die Besatzung, insgeheim mit den Nubiern im Bund, dem Angreifer durch Plünderung der den Strom befahrenden Schiffe und kühne Ausfälle beträchtlichen Schaden tat. Das Felsenschloss war mit Nahrung und durch eine in den Felsen gehauene, aus dem Strom gefüllte Zisterne auch mit Trinkwasser wohlversorgt. Endlich entschieden die Geschütze des Paschas den Fall desselben. Er zerschoss, eroberte und zerstörte die Burg und trieb die geschlagenen Feinde bis zur Insel Sais. Dort fanden sie später vollends ihren Untergang.

      Dem Reisenden fällt die ewige Bettelei der Kinder und Erwachsenen aller nubischen Dörfer sehr zur Last. Bis hierher erstrecken sich noch die Reisen der gewöhnlichen Touristen, welche das Volk durch kleine Geschenke so verwöhnt haben, dass man in Dörfern, zumal wenn man europäisch gekleidet ist, sogleich von einem Haufen nackter Knaben oder in Lumpen gehüllter Erwachsener umringt und mit den im Chor geschrienen Worten: »Chawahdje haht Bakschisch [Herr, gib uns ein Trinkgeld]!« förmlich verfolgt wird. Selbst ganz kleine Kinder rufen dem Fremden schon »Bakschisch« entgegen; es sind die ersten Laute, welche sie stammeln lernen. Gegen die oft die Grenzen himmlischer Geduld – und diese besaß ich nie – übersteigende Anmaßung der Erwachsenen halfen mir gemeiniglich einige Hiebe mit dem unübertrefflichen Dolmetscher meiner Entrüstung, der aus der Haut des Hippopotamus geschnittenen Peitsche, kurzweg »Nilpeitsche« genannt. Da habe ich zum Beweis der unersetzbaren, überraschenden Wirkungen dieses vorzüglichen Instruments dann häufig sagen hören: »›Samehhuhni ja sihdi!‹ [Verzeihe mir, Herr], ich wusste nicht, dass du den ›tartieb el belled‹ [die Sitte, den guten Ton des Landes] so gut verstündest, ich will durchaus kein Bakschisch; aber ich hielt dich für einen des Landes Unkundigen, ›mahlesch‹ [lass es gut sein].« »Rabbena chaliek [Unser Herr erhalte dich]!« Erst oberhalb Wadi-Halfas, dessen Katarakt den Touristenreisen Grenzen setzt, hört diese Bettelei allmählich auf.

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       Abu Simbel

      Am dritten November erreichten wir den letztgenannten Ort. Er liegt in einem meilenlang sich am rechten Ufer hinziehenden Palmenwald zerstreut, ist armselig, ohne Bedeutung, und bietet an und für sich gar nichts. Nur der eine Viertelmeile oberhalb der letzten Häuser des Dorfes beginnende, sogenannte »zweite Katarakt« hat Wadi-Halfa8 bekanntgemacht, denn es besitzt nicht einmal einen Markt. Sein Name ist aus den Worten »wadi«, d. i. ›Niederung‹, und »halfa«, der Benennung eines trockenen scharfschneidigen Riedgrases, abgeleitet.

      Wir bezogen die große, von den Einwohnern »el-Khassr«, ›das Schloss‹, betitelte Karawanserei und mussten hier, weil sich in Wadi-Halfa weder Kamele noch oberhalb der Stromschnelle Schiffe vorfanden, dreizehn Tage verweilen. Unsere Wohnung bestand – vier Jahre später lag sie fast ganz in Trümmern – aus einem zweistöckigen, zimmerarmen Wohnhaus und einem sehr ausgedehnten Hofraum. Das Gebäude war durchgehend aus lufttrockenen Ziegeln aufgeführt und mit (zu diesem Zweck unbrauchbarem) Sparrwerk aus Palmenstämmen gedeckt. In der Ringmauer, welche das Ganze umschloss, sah man viele auf die Möglichkeit einer Verteidigung hindeutende Schießscharten. Früher mochte es wohl nötig gewesen sein, die reichen Karawanen vor etwaigen Angriffen zu schützen; zur Zeit unseres Aufenthalts in Wadi-Haifa, wo der Handel Monopol der Regierung war, erschien der Bau als nutzlos. Jedenfalls kam er uns aber sehr gelegen.

      Wir langweilten uns in Wadi-Halfa ganz entsetzlich. In unserer Wohnung peinigten oder ängstigten uns große, in Menge vorhandene Skorpione; im Freien ärgerten wir uns über das unergiebige Jagdterrain. Nur durch Zufall erhielten wir einige wertvolle Vögel. Am 23. November konnten wir endlich die Reise fortsetzen. Einige Nubier schafften unser Gepäck über den Katarakt hinauf; wir

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