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unsere Matrosen stürzten sich mit einem Seil in die schäumende Gischt, durchschwammen den heftigen Wogenzug und befestigten ihr Tau und somit unser Schifflein an einem Felsblock. Hier lagen wir, bis sich die Mannschaft sämtlicher acht Barken vereinigt hatte, dann zog man das schwankende Boot an starken Tauen durch die tobenden Fluten, welche fast über den Stern desselben zusammenschlugen.

      Zu beiden Seiten der Stromschnelle stehen kleine, aber zierlich ausgeführte und mit sehr scharf gearbeiteten Hieroglyphenbildern gezierte Tempelruinen aus der Pharaonenzeit.

      Wenn der Wind fortdauernd günstig bleibt, kann man alle Stromschnellen des Steintals in sechs bis acht Tagen überschiffen. Leider hatten wir auf unserer diesmaligen Reise keinen guten Segelwind; wir legten in drei Tagen nur eine Strecke von anderhalb deutschen Meilen zurück. Weder die Mission noch das Schiffsvolk war auf die Möglichkeit einer so ungünstigen Fahrt eingerichtet. Die Lebensmittel gingen zur Neige; auf den Schiffen stellte sich, obgleich nur sehr dürftige Rationen verteilt wurden, wirkliche Not ein. Unsere Matrosen schwärmten bei der herrschenden Windstille vergeblich meilenweit herum, um etwas Genießbares aufzutreiben. Sie aßen anstatt des Gemüses wild-, aber spärlich wachsende Kräuter, welche sie hier und da auffanden, und blieben bei all ihrer Not frohen Mutes, sangen und lachten. Wir Europäer waren bei unserer schmalen Kost weniger zufrieden und sehnten uns nach frischem Fleisch und Gemüse. Am Morgen erhielten wir eine Tasse Kaffee und einen Schiffszwieback, mittags trockenen Reis, »Pillau« genannt, und abends eine magere Suppe. Den Gerichten fehlte alle Würze, weil uns das Schmalz schon seit mehreren Tagen mangelte. Ich erlegte eine Nilgans, deren Fleisch uns ein wahrer Leckerbissen wurde, und erwarb mir ein freundliches Gesicht meiner europäischen Reisegefährten wegen des gelieferten Bratens, die Bewunderung aller Nubier aber wegen des geschickten Schusses.

      Zwei Nilgänse, schöne, aber scheue Vögel, waren auf eine uns gegenüberliegende, wohl dreihundert Fuß entfernte Felseninsel gekommen und liefen am Strand herum. Sie fühlten sich durch den breiten, wogenden und jählings abstürzenden Nilarm von uns getrennt, ganz sicher; aber meine treffliche Büchse erreichte sie doch. Ich sandte dem Männchen des Pärchens eine Kugel durch die Brust; nach wenigen Flugversuchen lag es getötet am Strand der Insel. Die vereinigte Mannschaft von mehr als zwanzig unterhalb der Stromschnelle versammelten Schiffen hatte mir zugesehen und brach in lautes Beifallsgeheul aus. Nun trennte mich aber der breite Wassersturz noch von meiner Beute. Da erbot sich, in der Hoffnung eines zu erlangenden Bakschisch, einer unserer Matrosen, den Vogel herüberzuholen. Er legte sich auf einen kurzen Holzstamm und stürzte sich in den brausenden Strom. Die schäumenden Wogen schienen ihn verschlingen zu wollen und entzogen ihn auf Augenblicke wirklich unseren Blicken, aber er arbeitete sich rüstig durch, erreichte glücklich sein Ziel und kam, mit dem Vogel in der Hand, ohne Unfall wieder bei uns an.

      Man kann die Gewandtheit der nubischen Schwimmer nicht genug bewundern. Während sich der Ägypter nur nach einiger Selbstüberwindung zum Schwimmen entschließt, scheint sich der Nubier im Wasser ganz heimisch zu fühlen. Er schwimmt, oft mit einem mehr als hundert Fuß langen Tau zwischen den Zähnen, kühn von Fels zu Fels trotz Wogendrang und Stromschnelle. Von Kindheit an ist er in der Kunst des Schwimmens geübt. Der Knabe jagt mit dem Mädchen spielend im Strom herum; der Jüngling oder erwachsene Mann bläst sich einen dichten Lederschlauch mit Luft auf, legt sich darauf und lässt sich dann vom Strom tagereisenweit talabwärts treiben; Frauen und Männer setzen mit ihren Schläuchen ohne Bedenken über den oft mehr als tausend Schritte breiten Strom.

      Am 25. November legten wir mitten in dem bedeutenden Schellal von Ambukobl an einem Felsenblock an. Die Bewegung der wohlbefestigten Barken in dem Strudel der Stromschnelle war so heftig, dass mehrere aus unserer Gesellschaft die Seekrankheit bekamen. Wir zogen es vor, auf dem Felsen zu schlafen, wählten uns eine durch den Strom aufgelegte, ebene Sandbank zur Lagerstätte, breiteten unsere Teppiche darauf und schliefen, umtobt von dem Donner des Katarakts, herrlich die ganze Nacht hindurch.

      Wir bemerken zu unserer großen Freude, dass die Gegend besser zu werden scheint. Hier und da zeigt sich eine Palme oder eine Mimosengruppe. Große Flüge verschiedener Zugvögel wandern den Strom entlang nach Süden und geben uns Hoffnung auf Beute. Die Not ist bei uns groß; wir haben fast nichts mehr zu essen.

      Erst am 28. November erhob sich der sehnlich herbeigewünschte Nordwind und trieb unsere Schiffe nun ziemlich rasch dem Strom entgegen. Zwei Tage später durchschiffen wir die Stromschnelle von Tanguhr. Eine gänzlich zertrümmerte Barke lag mitten im Katarakt auf einer Felseninsel; sie war vor einem Monat mit ihrer Ladung gescheitert. Auch heute gelang es nur den vereinigten Anstrengungen vieler Matrosen, ein Schiff unseres Geschwaders vom Untergang zu retten. Mohammed, der Koch der Mission, wollte schwimmend sein mitten im Strom liegendes Boot erreichen. Die heftige Strömung trieb ihn unwiderstehlich dem Schellal zu; er kämpfte verzweifelnd mit den Wellen, wäre aber ohne Zweifel ertrunken, wenn ihm nicht zwei andere Nubier zu Hilfe geeilt wären. Diese brachten ihn, obgleich selbst dem Versinken nahe, besinnungslos ans Ufer. Man versicherte mir, dass jährlich mehrere Barken hier zu Grunde gehen und oft auch Matrosen trotz aller Schwimmfertigkeit ertrinken.

      Einer unserer Schiffsleute, Aabd-Allah mit Namen, hat seine Frau, eine wirklich schöne Nubierin aus dem Palmenkreis Sukoht, mit an Bord. Gestern näherte ich mich zufällig der nussbraunen Schönheit. Wie ein gereizter Tiger fuhr der Nubier auf mich los. »Herr«, rief er wütend, »was willst du von meiner Frau?« Ich mochte ihm beteuern, was ich wollte, er betrachtete mich von nun an mit namenloser Eifersucht und schien uns beide aus tiefster Seele zu hassen.

      Am 1. Dezember. Wir befinden uns in einem weit besseren Landstrich als bisher. Palmen und Mimosen gruppieren sich zu kleinen Wäldchen. Vor uns liegt am rechten Ufer ein hoher Berg mit zackigen, ausgeprägten Gipfeln, der Djebel el Tibsche. Auch am linken Ufer erheben sich steile Felsmassen. Eins der schönsten Bilder des Battn el Hadjar liegt vor uns. Die glühenden, schwarzglänzenden Felsenpartien geben dem Panorama etwas schauerlich Wildes, aber da liegt wenig weiter oben Akahsche mit seinem weißen, zwischen Mimosen hervorschauenden Scheichsgrab, umgeben von freundlichem, bebautem Ackerland, und mildert das grausig Tote der übrigen Wildnis.

      Gegen Mittag erreichen wir die heiße Quelle von Okme. Sie kommt neben einem alten, halbverfallenen und verschlemmten Turm, welcher sie früher wohl gefasst haben mag, zu Tage. Rings herum ist der Boden mit einer Salzkruste bedeckt. Die Wärme der Therme beträgt über 40° Reaumur; ihre Wassermenge ist gering, hell und nach Schwefel schmeckend. Obgleich überall in Nubien als Heilquelle bekannt, wird sie doch wenig benutzt. Selten badet ein Kranker in ihr, gewöhnlich aber mit gutem Erfolg. Diese Quelle ist die einzige, welche zwischen Khartum und Kairo in den Nil fällt.

      Die Stromschnelle von Akahsche ist kaum eine halbe Meile südlich von ihr entfernt; wir erreichten sie nachmittags. Von allen Schiffen war das unsrige das einzige, welches den Schellal sofort durchschiffte. Unser stromkundiger Reïs wiederholte, unzählige Male von der Strömung zurückgeworfen, den Versuch, über den Katarakt zu schiffen, so lange, bis er gelang. Wir gingen oberhalb desselben am rechten Ufer ans Land.

      Idrieß, unser schwarzbrauner, nubischer Diener, badete sich, kleidete sich festlich an und ging nach dem heiligen Grab, um dort das Abendgebet zu verrichten. Der daselbst ruhende Scheich steht, als Schutzpatron der Stromschnelle, in viel zu hoher Achtung, als dass es sich ein Schiffer erlauben würde, an seinem Grab vorüberzugehen, ohne zu beten. Das Schiffsvolk aller mit uns angekommenen Barken folgte dem Beispiel unseres Idrieß; nur der alte, religiöse Reïs Bellahl konnte nicht wohl abkommen. Da brachten ihm seine Leute Erde von dem heiligen Grab mit; er streute diese auf das Deck seines Schiffleins und betete auf ihr. Bellahls Gottesfurcht ist unserer Achtung wert. Ehe er sein Schiff in die brausenden Wogen steuert, kniet er zum Gebet hin, um sich den Segen Allahs zu der gefährlichen Fahrt zu erflehen; wenn die Gefahr vorüber ist, drückt er dankend die Stirn in den Staub. Er ermahnt seine Untergebenen, ihren religiösen Verpflichtungen nachzukommen; seine Frömmigkeit ist keine Maske, sondern tiefgefühlte Wahrheit.

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       Strohhütten unweit Okme

      Am 9. Dezember. Es war Windstille. Der Baron hatte sich auf die Jagd begeben; ich lag, von dem ersten Anfall des klimatischen Fiebers gepeinigt, im Schiffsraum; der Fieberfrost

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