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den vierfachen Raum der heutigen erbärmlichen Stadt bedecken, leicht schließen kann. Die Steinbrüche, aus denen jene Kolosse, Obelisken und Säulen stammen, deren Massenhaftigkeit, Festigkeit und Schönheit man bei allen Tempelruinen Ägyptens zu bewundern Gelegenheit hat, liegen ganz in der Nähe der Stadt in der Wüste. Man sieht noch überall die Spuren der Sprengarbeiten der Alten: kleine, aber tiefe, in gerader Reihe in das Urgestein eingemeißelte Löcher, in denen man eingetriebene Holzkeile durch Übergießen mit Wasser so ausdehnte, dass sie Blöcke von mehreren tausend Zentnern Gewicht vom Felsen ablösten. Das Urgestein ist jene Quarz-, Glimmer- und Feldspat-Verbindung*, welcher man nach ihrem altbekannten Fundort Syene den Namen »Syenit« erteilt hat.

      Weniger solide erbaute Festungswerke, Moscheen und Grabmäler aus einer viel späteren Periode, vielleicht noch aus der Zeit der Mamelukkenherrschaft herstammend, nehmen einen großen Raum der jetzigen Wüste ein. Sie liegen in Trümmern und vereinigen sich mit mehreren wilden Partien der Stromschnelle im Hintergrund zu sehr anziehenden Ansichten. Die große Ausdehnung dieser Trümmermassen deutet darauf hin, dass Assuan, der Stapelplatz des ersten Katarakts, früher eine ansehnliche Handelsstadt gewesen sein muss.

      Einer dieser Sklavenhändler besuchte uns auf unserem Schiff und erzählte uns von den oberen Ländern des Weißen Flusses, den er bereist zu haben vorgab. Er zeigte uns Waffen und Gerätschaften der Neger, welche allerdings furchtbar und eigentümlich genug aussahen und von uns allen mit lebhaftem Interesse betrachtet wurden.

      Alle von Ägypten nach Nubien gehenden Nilschiffe passieren den Katarakt von Assuan, obgleich er nicht gefährlich ist, nur wenn es dem Reïs des Schiffes vorher kontraktlich zur Pflicht gemacht worden ist. Unsere große Dahabïe wäre unter allen Umständen nicht dazu geeignet gewesen. Wir mussten deshalb unsere Effekten von Assuan aus mit Kamelen über die Stromschnelle bringen lassen. Don Ignatio hatte in der Nähe der Insel Philae einen Lagerplatz ausgewählt, in welchem wir bis zur Ankunft anderer Barken verweilen wollten. Am achtzehnten Oktober kamen gemietete Kameltreiber, beluden ihre stöhnenden Tiere mit dem Gepäck der Mission und zogen gegen Mittag dem Lagerplatz zu. Wir ritten nach dem Aassr auf Eseln nach und erreichten mit Sonnenuntergang das oberhalb der Stromschnelle gelegene Dörfchen Siahle.

      Die Umgebung desselben ist wildromantisch. Die Gebirge treten in einem weiten Bogen zurück, der Nil braust über ihre Ausläufer hinweg. Schwarzglänzende Syenit- und Porphyrmassen, teils in ungeheuren Felsen vereinigt, teils wie von der Hand eines Riesen durcheinandergeworfen und zuammengeschichtet, teilen den Strom in Hunderte von kleinen, rauschenden Bächen, stauen ihn in den durch ihr Zurücktreten gebildeten Kessel auf und zwingen ihn, seine Fluten mit donnerndem Schwall über sie hinwegzustürzen. Nur schmale Kulturstreifen ziehen sich dicht an seinen Ufern dahin, die Gegend ist tot und öde, aber dennoch schön.

      Inmitten dieses Felsenchaos liegt die palmenbestandene, grünende Insel Philae mit ihren Tempelruinen. Man glaubt ein Feenschloss vor sich zu sehen, wenn man sie zum ersten Mal erblickt. Ernste, gegen die dunklen Felsenmassen aber doch freundliche Tempel, in der tiefen Stille der Einsamkeit nur umtobt von den immer und immer von Neuem dahinrollenden Wasserstürzen, eingerahmt von balsamduftenden Mimosen und schlanken Palmen, stehen sie an einem zur Verehrung der alten Gottheit Ägyptens passenden Ort, wie es keinen zweiten, ähnlichen geben kann.

      Die Tempelhallen sind in dem vollendetsten, reinsten ägyptischen Stil ausgeführt; jeder einzelne Teil des Bauwerks zeugt von einer mehr ideellen Anlage des Ganzen. Das Schwerfällige, Erdrückende anderer Monumente Ägyptens verschwindet, während ein freierer, kühnerer Schwung ganz unverkennbar ist. Leicht gehaltene Knäufe krönen die schlanken Säulen; jeder einzelne ist von den übrigen verschieden, nur die Lotosblume ist allen gemeinsam. Wie ich an einigen noch unvollendeten Kapitälen sah, wurde ihre feinere Bearbeitung erst nach Vollendung des ganzen Baues vorgenommen, woraus sich auch eher die Schärfe und Mannigfaltigkeit des dargestellten Blätterwerks erklären lässt.

      Die bestimmte und sichere Nachricht, dass wir in Korosko nicht die nötige Anzahl von Kamelen zur Reise durch die große Nubische Wüste finden würden, bewog die Mission, ihre Reiseroute umzuändern. Man mietete zwei kleinere Schiffe bis Wadi-Halfa und beschloss, von dort aus entweder zu Kamel oder zu Schiff nach Dongola zu gehen, von wo aus man, ohne Aufenthalt befürchten zu müssen, durch die Wüstensteppe Bahiuda weiterreisen konnte. Am 21. Oktober bezogen wir mit dem Bischof Casolani, Padre Muhsa und Don Angelo das kleinere, aber bequemere der beiden Schiffe, die übrigen Mitglieder blieben auf der Transportbarke. Der Wind blieb uns günstig. Schon am 22. Oktober passierten wir mit Gewehrsalven den Wendekreis; zwei Tage später erreichten wir Korosko. Wir fanden hier eine meist aus Bergleuten bestehende Expedition des Vizekönigs, welche für die Goldbergwerke bei Khassahn bestimmt war und seit achtzehn Tagen auf Kamele, mit denen sie durch die Wüste reisen wollten, warteten. Die Leute gingen mit Zittern und Zagen nach dem in Kairo wegen seines Klimas sehr verrufenen Sudan.

      Der Unterschied zwischen dem bis jetzt bereisten Teil Nubiens, dem Wadi-Kenuhs, und Ägypten ist auffallend und erstreckt sich nicht auf das feste Land allein, sondern auch auf die Menschen, ihre Sprache und ihre Sitten. Nackte Felsmassen engen den Strom auf beiden Seiten ein; seine Ufer sind viel zu hoch, als dass er sie überfluten könnte. Daher hört man hier das Gekreisch unzähliger Schöpfräder, welche die schmalen und wenig fruchtbaren Felder an den Ufern des Stromes bewässern, Tag und Nacht. Der arme Nubier konnte seinem Steinland nur wenig abgewinnen. Seine Dörfer sind armseliger, aber freundlicher und hübscher als die der Fellachen; er selbst ist ärmer, aber besser als der Ägypter.

      Schon auf den ersten Blick unterscheiden sich die friedlichen Berbern von den Ägyptern. Die Männer haben eine mehr oder weniger dunkle Hautfarbe, sind schmächtiger, furchtsamer als die Fellachen und nicht so geeignet, jene enormen Körperanstrengungen, welche wir bei dem Ägypter beobachten können, zu ertragen; die Frauen sind klein, nicht besonders hübsch und gehen unverschleiert. Erstere bekleiden sich mit kurzen Beinkleidern und einem langen und breiten Umschlagtuch, »Ferdah« genannt, feiertags wohl auch mit einer blaugefärbten Baumwollkutte; Letztere tragen über einem Paar weiten Beinkleidern die in den mannigfaltigsten Faltenwürfen wie eine römische Tunika um sich geschlagene Ferdah und haben ihr kurzes struppiges und grobes Haar in Hunderte von kleinen Zöpfchen geflochten, gerade so, wie es, nach den Bildhauerarbeiten auf ägyptischen Denkmälern der Baukunst, vor mehreren tausend Jahren auch üblich war. Ihre bisweilen recht angenehmen Gesichtszüge kann man leider nur aus der Ferne betrachten, denn in der Nähe schwindet deren Reiz vor ganz anderen Eindrücken.

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