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»Mathnawi« steckt voller Tristram-Shandy-Effekte, ein halbes Jahrtausend vorher.

      Zwischen vorchristlichen Entitäten wie Zhuangzi (Dschuang Dsi), der mit Wachtel und Vogel Roch, oder auch Flußgeist und Meergott, genauso inspiriert herumjonglierte wie Dschelaluddin Rumi mit Engel und Esel, und Traumvisionären im Industriezeitalter à la Jean Paul und Paul Scheerbart stand Rumi als einer der weltweit sehr spärlich gestreuten mystischen Dichter und dichtenden Mystiker da, bei denen sich beliebig Überirdisches und Humor am Abgrund nicht ausschlossen. Der Name des Sultans Kaikobad gelangte bis hinauf in Hugo von Hofmannsthals »Frau ohne Schatten«. Der mächtigste Staatsmann ab 2001 f., der Afghanistan-, Irak- und potentielle Iranzerbomber G.W. Bush, verzwergte in Rumis Mathnawi zu einer Fliege, die die Welt zu überblicken und den unendlichen Ozean als Steuermann zu überqueren wähnte, dies aber nur auf einem Strohhalm, der just in der Urinpfütze eines Esels unterging – böser Hamlet-Humor und blanke Wahrheit!

      Neben Dichterfürsten und heiligen Mystikern wie Rumi sehen Gestalten und Strömungen des 20. Jahrhunderts und aller folgenden, Sunniten, Schiiten, Schahs, Gadaffi, Chomeini, Osama bin Laden, arg undifferenziert aus, heillos dogmatisch, unsagbar mittelalterlich, irreparabel archaisch.

      Die italienische Motorradmarke »Rumi« hat zeitweise eine effektivere PR als Rumi.

       Postume Aufklärung einer Straftat

       Schamsuddins Nachleben und Wirkungsgeschichte durch achthundert Jahre

      Nach Schamsuddins mysteriösem Tod kamen kriminologische Fragen und Spekulationen auf:

      Hatte Schams endgültig die Nase voll gehabt vom Wespennest und Pulverfaß des Rumi-Clans und den Hut genommen, vielleicht auch, weil ihm die unstoppbare Liebe und die unauslöschlichen Exaltationen des vernarrten Rumi doch etwas zu lästig wurden? Oder konnte er nicht zurückkehren? Zwei Versionen kochender Gerüchteküche kamen sich in die Quere. Ins Gemunkel, er sei nachts rausgerufen, meuchlings erstochen und wie Yussuf in den Brunnen geworfen worden (wenn auch in einen anderen als den, in den er bei der ersten Begegnung ein Rumi-Manuskript geworfen hatte), mischte sich die Verdachtverdichtung, Regierungsgruppen hätten Interesse an der Beseitigung des Provokateurs gehabt und sich hierzu Ala’uddins als Mitverschwörers bedient, oder als Informanten – also durchaus ein Präludium zur Rasputin-Vita. Aber verwirrenderweise wurde Schamsuddin späterhin da und dort gesehen. Rumis erste Biographen, Sultan Walad und Sipahsalar, erwähnten Schamsuddins letztes Verschwinden überhaupt nicht, genauso wenig wie das Thomas-Evangelium eine Kreuzigung der Erwähnung wert fand. Je länger Schamsuddin kein Lebenszeichen sandte, desto seltener flackerten unabgehakte Unklarheiten und Theorien auf und desto öfter und inniger mußte der trauernde Rumi um ihn kreisen. Der dritte Biograph, Aflaki, hundert Jahre entfernt vom Originalschauplatz, wußte alsbald besonders viel zu berichten, von fast allen Beteiligten, die allesamt mit gesegneten Gesichtern herumliefen, nur Gutes, äußerst Gutes, das schier in Übernatürliches überging. Das magische Morden des schillernden Derwischs ging vielleicht nur auf die poetischen Freiheiten des Aflaki zurück. Der verlieh nicht nur Baha’uddin Walad fürstliche Vorfahren; sondern Schamsuddin soll, laut Aflaki, nicht etwa bloß Tuchhändlersohn gewesen sein, sondern der Sohn des Assasinenfürsten und Bücherverbrenners Chuand Ala’uddin. Laut einem anderen Überlieferungsstrom, laut Dewletschah im 15. Jahrhundert, hat Schamsuddin Rumi überlebt. Wissenschaftliche Stimmen hinwiederum, weitere Jahrhunderte später, zweifelten an Schamsuddin von Täbriz’ Historizität und hielten ihn für eine Spielfigur, Symbolfigur und Ausgeburt von Rumis erregbarem Hirn.

      Wie schön er äußerlich ausgesehen haben mag, blieb schleierhaft. Daraus, daß keiner außer Madschnun Leila schön fand, ließ sich nicht rückschließen, daß eventuell auch dieser Qalandar optisch zwar sicher nicht unansehnlich ausschaute, aber nur halb so beeindruckend, wie er speziell dem leicht entflammbaren Rumi erschien, der möglicherweise arg unvorteilhaft aussah. Vermutlich sah er für Männeraugen nicht ganz so windig und abschreckend wie Rasputin aus. Sah Schamsuddin so smart und soft wie Osama ibn Laden aus, oder so hinreißend wie David Copperfield, der schönste Magier aller Zeiten? Oder wie der Politiker Cem Özdemir – wie Moderator Ranga Yogheswar? Hatte er einen bösen Blick wie der junge Salman Rushdie?

      1958 fand man in seinem Brunnengrab eine übergroße Derwischmütze, die also die Mordvermutung unterstützte und ins Museum von Konya einwanderte. Obwohl Aflaki die Zwielichtigkeit des Schamsuddin al-Täbriz nicht übersah oder kaschierte, sondern eher verstärkte, wurde auch Schamsuddin zunehmend als Maulana gehandelt, bis hin zu Heiligenverehrung. Im Lauf der Jahrhunderte wuchs ihm jene sonnenhafte Strahlkraft zu, von der Rumi sich bereits geblendet fühlte, bevor sie empirisch gesichtet worden sein konnte. Schamsuddin überlebte als Produkt von Projektion, Überinterpretation, Überreaktion. Wären Bildnisse erhalten geblieben, würde man Rumis Übertreibungen wohl so wenig nachvollziehen können wie seine damaligen Verwandten.

      Schamsuddins Fama gelangte weit hinein in den Fernen Osten. In javanischer Hagiographie mahnte Schamsuddin seine Leute: »Eure Verehrung geschieht nur aufs Geratewohl und umsonst; denn ihr wißt nicht, wo Gott ist!«

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