ТОП просматриваемых книг сайта:
Der entgrenzte Mensch und die Grenzen der Erde Band 1. Kersten Reich
Читать онлайн.Название Der entgrenzte Mensch und die Grenzen der Erde Band 1
Год выпуска 0
isbn 9783864898235
Автор произведения Kersten Reich
Жанр Изобразительное искусство, фотография
Издательство Bookwire
(3) Kurz- und mittelfristig oder langfristig: Menschen haben viel Vernunft und Forschung, viel Energie und Intelligenz darauf verwandt, ihre kurz- und mittelfristigen Angelegenheiten zu regeln und zu überschauen. Meist dominiert dabei der Blick auf die eigene und vielleicht noch auf die nächste Generation, aber weitreichendere Überlegungen oder gar Maßnahmen sind ausgesprochen selten. Die Bedeutung des Klimawandels für lokale Angelegenheiten, die Land- und Wasserwirtschaft, für Maßnahmen gegen Überflutungen und in der Hitzeabwehr haben eine gewisse Aufmerksamkeit erfahren, aber schon Schwerwetterereignisse wie Hurrikans zeigen, wie schwer sich Menschen durch solche Ereignisse belehren lassen und wie gering der Sinn für Prävention ist (vgl. Meyer 2012). Noch weniger Aufmerksamkeit wird darauf gerichtet, was es bedeuten könnte, wenn eine Reihe von nah aufeinander folgenden kleineren Ereignissen eintreten, die eine Wirtschaft oder Lebensweise so schädigen, dass es Auswirkungen auf die globale Wirtschaft und Lebensweise gibt. Die Corona-Pandemie hat einen Eindruck darüber vermittelt, dabei war nur ein geringer Prozentsatz an Menschenleben direkt bedroht. Was geschieht, wenn dieser Prozentsatz noch deutlich höher liegt? Welche konfliktträchtigen, kriegerischen Überlebensmechanismen werden dann ausgelöst?
Vor dem Hintergrund der von mir zusammengefassten Grenzen der Erde lassen sich erwartbare Mega-Katastrophen, die Millionen Menschenleben gefährden und das Bild des Planeten erheblich verändern werden, in zweifacher Weise voraussagen:
Einerseits führt bereits der Klimawandel zu Kipp-Punkten, die durch die Erderwärmung und die dadurch ausgelöste Eisschmelze den Meeresspiegel ansteigen lassen, Schwerwetterereignisse auslösen, Hitze und Dürre hervorbringen wird. Dabei können zahlreiche beschleunigende Effekte eintreten, die durch das Abschmelzen der Tundra und das Freisetzen von gebundenen Gasen die Lage verschlimmern. Das Artensterben und andere Aspekte des oben herausgestellten negativen Fußabdrucks der Menschheit verschärfen die Situation. Die Krise ist nicht einseitig, sie betrifft viele Aspekte, die alle weitreichende Auswirkungen haben und nicht nur isoliert betrachtet werden können. Vielleicht unerwartet, aber vom Potential her vorsehbar, können auch die Massenvernichtungswaffen jederzeit eine große Rolle spielen und das Klima in den Hintergrund treten lassen.
Andererseits sind all die Aspekte, die in diesem Teil überblicksartig betrachtet wurden, Bestandteile der globalen Grenzen des Planeten. Jede Auswirkung kann eine andere hervorrufen, nationale Sorgen und Zustände können sich schnell in globale verwandeln, wie die Corona-Pandemie der gesamten Welt gezeigt hat. Aus kleineren Krisen werden durch Kaskaden-Effekte schnell größere. Ein eben noch lokales Phänomen verwandelt sich über Nacht in ein globales Unglück. Der größte angenommene Unfall eines Atomkraftwerks, eine Pandemie, ein sich ausweitender kriegerischer Konflikt, sie alle und viele Situationen mehr haben immer das Potential einer globalen Krise, die von einer Kaskade weiterer Einzelfolgen mit neuen Kettenreaktionen begleitet wird.
Wirtschaftlich stehen heute schon Dürren vor allem im globalen Süden vor Augen, die eine hohe politische Instabilität in vielen Regionen auslösen, Migrationswellen erzeugen, das Überleben so vieler Menschen gefährden, dass die Zivilgesellschaften darüber zusammenbrechen und reichere Länder eine Abschottungspolitik betreiben werden. »Die Folgen für die Wirtschaft und die nationale Sicherheit, die auf andere Länder übergreifen, könnten katastrophal sein.« (Kousky et al. 2009, 7) Es ist wahrscheinlich, dass solche Kaskaden-Effekte in kurzer Zeit deutlich schneller einsetzen werden als bisher gedacht. Der globale Klimawandel oder andere Nachhaltigkeitsfaktoren wie der Ressourcen-Schwund haben sich beschleunigt, Menschen denken heute noch, dass diese Prozesse langsam ablaufen und erst in späterer Zeit ihre dann allerdings dramatischen Wirkungen entfalten werden (vergleiche das Beispiel des Lilienteiches). Es gehört zu den Ungewissheiten und Unsicherheiten des menschlichen wie des planetaren Lebens, dass nicht vorhersehbar ist, welche Ereignisse in der Zukunft an welchem Tag genau entscheidend sein werden. Immerhin hat die Menschheit hinreichend Intelligenz entwickelt, dass sich vernünftig entscheiden lässt, wo große Risiken liegen, die nicht zu leugnen sind. Es lässt sich auch sagen, was die Menschheit tun müsste, damit die Risiken bewältigt, zumindest beschränkt werden können. Aus meiner Sicht sind es genau vier Fragen, die darüber entscheiden – die uns hindern oder befähigen können – ob wir uns diesen Herausforderungen zu stellen bereit sind:
Erstens die Verhaltensfrage: Inwieweit sind wir durch das Erkennen einer Sorge bereits hinreichend motiviert und befähigt, unser Verhalten tatsächlich zu ändern? Zweitens die Wohlstandsfrage: Inwieweit kann unser ökonomisches System, das grundlegend nach Wachstum und nicht nach Verzicht strebt, überhaupt verändert, gebremst und neu ausgerichtet werden?
Drittens die Politikfrage: Inwieweit können demokratische Strukturen, wenn die Masse der Wählenden nicht nachhaltig handeln will, noch hinreichend Potential entwickeln, um das Überleben langfristig zu sichern?
Viertens die Erziehungsfrage: Inwieweit bereitet die private und öffentliche Erziehung Menschen hinreichend darauf vor, sich sachlich umfassend zu informieren, keine Verschwörungstheorien zu bevorzugen, sondern Argumente so auszutauschen und Handlungen zu vollziehen, dass Nachhaltigkeit de facto erreicht werden kann?
In beiden Bänden dieses Buches will ich allen vier Fragen umfassend nachgehen. In diesem Band geht es vorrangig um Verhaltensweisen und Gewohnheiten, die vielen Menschen die Nachhaltigkeit erschweren. Im zweiten Band stehen Ökonomie und Politik auf dem Prüfstand, die diese bisher sogar überwiegend verhindern.
Von Anbeginn der Kulturgeschichte in ihren unterschiedlichen Formen hat sich der Mensch um sein eigenes Leben, um die Welt um sich herum und die möglichen irdischen und überirdischen Einflussgrößen Gedanken gemacht, kreiste also stets überwiegend um sich selbst, seinen Besitz und sein Streben. In den großen Theorien und Ideologien, in den Philosophien, der Religion, den Versuchen letzter moralischer Antworten oder universaler Gesetze eines vernünftigen und gerechtfertigten Handelns wurden im Laufe der Zeit zahlreiche Lösungen gefunden und an die sich wandelnden Herausforderungen der Zeitalter angepasst. Die menschliche Sorge teilt sich auf in eine verstehende und eine erklärende Dimension, die der Realität stets vorauseilt oder sie im Rückblick beschaut. Je nach Lage und Situation der Menschen gibt es sehr unterschiedliche Auslegungen. Mit diesen Sorgen und den aus ihnen entspringenden Lösungen will ich mich beschäftigen, um die Frage zu beantworten, ob die Sorge uns hinreichend antreiben kann und wird, die bisher fehlende Nachhaltigkeit zu bewältigen.
Menschen meinen heute immer wieder gern, der alten, krisenbefallenen Geschichte, dem ständigen Überlebenskampf