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Kölner Krimi Kurzgeschichten. Rolf D. Sabel
Читать онлайн.Название Kölner Krimi Kurzgeschichten
Год выпуска 0
isbn 9783961361052
Автор произведения Rolf D. Sabel
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
„Aber das braucht Sie nicht zu interessieren. Wichtiger für Sie dürfte Folgendes sein: Er hinterlässt keine Kinder und seine drei Ehefrauen, mit denen er zeitlebens verheiratet war, wurden großzügig abgefunden. Weitere, erbberechtigte Verwandte gibt es nicht. Überdies war er sehr vermögend und hat über die Verteilung seines Vermögens nach seinem Ableben genaue Verfügungen getroffen.“ Slezak nickte stumm und verstand nichts. Insbesondere verstand er nicht, was das alles mit ihm zu tun haben könnte. Der Anwalt schlug die vor ihm liegende Akte auf.
„Er hat verfügt, dass die Hälfte seines Vermögens an eine Stiftung der Partei geht, in der er vierzig Jahre Mitglied war.“
Er machte eine kurze Pause und blickte seinen Besucher durchdringend an.
„Die andere Hälfte soll an diejenigen gehen, die in der Kirche sein Requiem besucht haben!
Mich natürlich ausgenommen, da ich äh … in Ausübung meines Amtes da war.“
Der Anwalt gestattete sich ein dünnes Lächeln.
„Er muss vermutet haben, dass es nicht allzu viele sein würden. Seine unternehmerischen Tätigkeiten haben ihm wenige Freunde gemacht!“
Er trommelte dezent mit den Fingern auf dem Schreibtisch und lächelte wieder geschäftsmäßig.
Slezak blickte in verständnislos an.
„Wie Sie festgestellt haben, befanden sich außer meiner Person lediglich drei Personen in der Kirche. Die eine, die Dame, war seine langjährige Haushälterin“, wieder eine kurze Pause, „die andere Person war sein Gärtner und die dritte waren … Sie!“
Er trank einen Schluck aus einem Wasserglas.
„Ich?“ Slezak stammelte nur. „Aber ich kannte ihn ja gar nicht.“
„Das spielt keine Rolle. Ich habe Ihnen seine letztwillige Verfügung genannt. Diese drei Personen erben die Hälfte des genannten Nachlasswertes. Möchten Sie vielleicht einen Cognac?“
„Cognac? Ja, gerne.“
Der Anwalt stand auf, holte eine Flasche und einen Schwenker aus dem Schrank und goss großzügig ein. Slezak zögerte nicht lange und leerte das Glas fast in einem Zug, was Dr. Winter mit einem nachsichtigen Lächeln quittierte. Der Cognac hatte Mut gemacht.
„Und wie hoch … ich meine wie viel …?“, er unterbrach seine Rede und schlürfte den letzten Rest aus seinem Glas.
„Auf drei Personen verteilt sprechen wir hier von ziemlich genau von“, er räusperte sich, „zwölf Millionen Euro, also vier Millionen pro Erbe!“
Der Anwalt sah noch, wie sein Besucher die Augen verdrehte, dann sank er in Zeitlupe von seinem Stuhl. Das Cognacglas segelte auf den Teppich und zerbrach.
„Herr Slezak, hallo, aufwachen!“
Die Stimme eines Engels schien ihn zu wecken, der altbekannte Duft von 4711 wehte um seine Nase. Er öffnete die Augen. Der Engel war hübsch, hatte rötliche Haare wie Sophie Turner und lächelte ihn mit strahlend weißen Zähnen an.
„Äh … was? Wo bin ich? Bin ich im … Himmel?“
„Nein, noch nicht. Das hat noch Zeit. Sie sind in meinen Amtsräumen und die unverhoffte Nachricht hat Ihnen eine kleine Ohnmacht beschert.“ Das war nicht der Engel, diese sonore Stimme kannte er. Er setzte sich auf. Er lag auf dem roten Ledersofa und blickte den Anwalt an. „Es … es tut mir leid. Aber Sie müssen verstehen …“
„Natürlich verstehe ich das. Wer erbt schon so unverhofft eine solche Summe, zumal wenn er in einer so … äh … prekären Lage ist wie Sie, nicht wahr? Das kann einen schon mal umhauen.“
Slezak nickte und stand auf.
„Trotzdem …“
„Würden Sie bitte noch einmal Platz nehmen, Herr Slezak. Es gibt nämlich noch etwas, was ich Ihnen mitzuteilen habe.“
Slezak blickte ihn fragend an und nahm seinen alten Platz wieder ein, während der rothaarige Engel dezent den Raum verließ. Auch die Reste des zerbrochenen Cognacschwenkers waren auf wundersame Weise verschwunden.
Der Anwalt blickte ihn wohlwollend an, faltete seine Hände zu einer Raute, wie man es von der Bundeskanzlerin kannte und fuhr fort. „Der Verstorbene hat in seiner Verfügung an die Auszahlung der Erbschaft noch eine Bedingung geknüpft.“
„Bedingung? Was für eine Bedingung?“
„Der Verstorbene erwartet, dass die Erben, in diesem Falle sind es ja nur drei, an seiner Beerdigung teilnehmen, die morgen stattfindet.“
„Beerdigung? Natürlich … äh ja, ich komme natürlich zur Beerdigung. Kein Problem.“
Der Anwalt nickte. „Aber die Bedingung setzt ebenfalls voraus, dass die Erben in tadelloser Kleidung teilnehmen.“ Er musterte den Besucher dezent und ergänzte: „In diesem Fall dürfte ein blauer oder schwarzer Anzug als angemessen gelten.“
„Ein Anzug?? Aber woher soll ich den denn nehmen? Meinen Sie, Sie könnten eine kleine äh … Vorauszahlung leisten, damit ich mir …?“
Der Anwalt schüttelte den Kopf. „Davon ist in der Verfügung leider nicht die Rede. Ich verstehe Ihr Problem, aber ich fürchte, Sie müssen es allein regeln. Und lassen Sie mich noch ergänzen: Erfüllt ein Erbe diese Bedingung nicht, so fällt sein Anteil an das örtliche Tierheim.“
Er stand auf und reichte Slezak die Hand. Slezak verstand. Die Unterredung war zu Ende.
Und Slezak wusste, dass er ein Problem hatte, ein Riesenproblem!
Dichter Schneefall hatte eingesetzt und Paul Slezak suchte Schutz in einer Toreinfahrt, während die Gedanken in seinem Kopf tobten.
Einen Anzug? Woher krieg ich so einen Scheißanzug? Und vier Millionen? Mein Gott, wie verrückt ist das denn? So viel kann ich ja im Leben nicht ausgeben. Aber wenn ich keinen Anzug habe, ist das Geld futsch. Zu irgendeinem blöden Tierheim. Und dann kann ich …
In diesem Augenblick passierte ein Leichenwagen die Toreinfahrt. Slezak registrierte den Wagen nur aus dem Augenwinkel, aber es fuhr wie ein Blitz durch seinen Kopf. Eine Szene setzte sich wie festgenagelt in seinem Kopf fest.
Kirche.
Sarg.
Toter.
Anzug!
Der Verstorbene hatte im Sarg einen solchen Anzug getragen. Der Mann war von etwa gleicher Statur und Größe gewesen. Der Anzug müsste passen und – ehrlich – er würde ihn ja nicht mehr brauchen.
Aber wie komme ich an den Anzug? Hatte der Typ am Leichenwagen nicht gesagt, dass der Verstorbene im Kühlhaus auf dem Südfriedhof aufbewahrt werde.
Selten war ein Plan in seinem Kopf so schnell gereift wie in diesem Augenblick. Er musste aber noch etwas Zeit überbrücken, denn für sein Vorhaben war Dunkelheit eine absolute Voraussetzung. Er tigerte also in die Stadt und verbrachte den Nachmittag in der Wärme einiger Kaufhäuser, stets argwöhnisch beobachtet von einigen Hausdetektiven. Im Kaufhof gab es gerade eine Französische Woche und es gelang ihm, mit Hilfe etlicher Probehäppchen und diverser Weinverkostungen Hunger und Durst in ausreichendem Maße zu stillen. Als er den Kaufhof verließ, war es bereits stockdunkel und seine Damenuhr stand auf Viertel nach acht. Gut gelaunt stapfte er durch den tiefer werdenden Schneematsch zur nahen Straßenbahnhaltestelle. Ein Zug der Linie 12 brachte ihn in kaum mehr als zwanzig Minuten zum Südfriedhof, wobei seine Hoffnung, dass in der Bahn um diese Zeit weniger kontrolliert wurde, nicht enttäuscht wurde.
Natürlich hatte der Friedhof zu dieser Zeit schon geschlossen, aber das stellte kein Hindernis dar. Die niedrige Mauer war schnell überwunden