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ich die eigentliche Form des Sternhaufens im Sektor Ray-Canar.

      »Du brauchst nicht blass zu werden, Anima«, wollte der Modulmann mich beruhigen. »Ich habe diese Formation zwar ›das Schwert des Henkers‹ genannt, aber damit kann niemand umgebracht werden.« Seine Miene verdüsterte sich. »Die Zeit des Tötens liegt in diesem Sternhaufen lange zurück.«

      Ich spürte, wie ein Schauder mich durchlief, als ich seine Worte vernahm und gleichzeitig die unhörbaren und unsichtbaren Impulse spürte, die von irgendwo hinter dem Sternenschwert kamen und ein flüchtiges Netz aus bruchstückhaften Informationen über meine Seele woben.

      »Es ist nicht das Schwert des Henkers, sondern das Schwert des Rächers!«, sagte es aus mir.

      »Warum sagst du das?«, pfiff Neithadl-Off schrill.

      »Sei doch ein bisschen behutsamer, Prinzessin!«, ermahnte der Modulmann sie sanft.

      Ich sah ihn erstaunt an, denn sein Verhalten schien zu beweisen, dass er mich verstand. So viel Einfühlungsvermögen hatte ich ihm gar nicht zugetraut.

      War es möglich, dass ich ihn – und wahrscheinlich auch die Vigpanderin – im Grunde genommen gar nicht richtig kannte, obwohl wir doch schon so lange zusammen waren?

      »Ich würde es dennoch gern wissen«, sagte Neithadl-Off so leise, dass es fast wie Zwitschern klang.

      »Es hat es mir gesagt«, erklärte ich zögernd, denn ich war mir selber nicht im Klaren darüber, ob es überhaupt etwas oder jemand gewesen war, das mir etwas »gesagt« hat oder ob ich mir das alles nur einbildete.

      Im nächsten Moment wusste ich es genau.

      Es war jemand gewesen – oder etwas. Auf jeden Fall eine Wesenheit, die objektiv existierte und sich entweder für etwas rächen wollte oder vor einem Rächer zu warnen versuchte.

      »Es gibt eine Macht, die sich für etwas rächen will, was Äonen zurückliegt«, sagte ich langsam und jedes Wort abwägend. »Die Konstellation der neun Sonnen des Sternhaufens im Sektor Ray-Canar steht wahrscheinlich nur symbolisch als Schwert des Rächers im All. Doch hinter ihm steckt eine Macht, die willens ist, die Rache zu vollziehen.«

      Der Modulmann sah mich aus seinen wasserhellen Augen durchdringend an. Als ich sein schmales Gesicht mit der scharfgekrümmten Nase, den hervortretenden Brauenwülsten, dem schmallippigen Mund und den sich eng um den Schädel ballenden rotbraunen Locken sah, erinnerte es mich an das Gesicht eines Greifvogels.

      »Die Kulturen in diesem Sternhaufen sind ausgelöscht«, wandte Neithadl-Off ein. »Sie können sich nicht für ihren Tod rächen.«

      »Sie selbst wahrscheinlich nicht«, sagte der Modulmann schwer. »Aber ich fange an zu begreifen, was Anima uns mitteilen will, dass nämlich die Konstellation der neun Sonnen nicht zufällig und natürlich ist, sondern künstlich herbeigeführt wurde. Wenn es sich so verhält, dann allerdings droht von dort Unheil, denn eine Macht, die eine Sonnenkonstellation nach ihrem Willen zu formen vermag, die kann auch ganze Sonnensysteme zerschmettern.«

      »Aber das darf einfach nicht wahr sein!«, pfiff die Vigpanderin entsetzt. »Dagegen muss man doch etwas tun!«

      Goman-Largo ballte die schmalen Hände zu Fäusten und presste sie an seine Schläfen.

      »Hört auf!«, bat er tonlos. »Ich ahne, dass ich etwas von dieser ganzen schlimmen Geschichte gewusst habe. Vielleicht wurde der Orden der Zeitchirurgen einst gegründet, um Entwicklungen wie die, die sich im Sternhaufen von Ray-Canar und um ihn herum aufbauten, ungeschehen zu machen. Aber die Gegenmaßnahmen müssen aus der Katastrophe erst ein Chaos gemacht haben, falls sie nicht rechtzeitig abgewendet wurden.«

      »Von den Spezialisten der Zeit?«, fragte ich.

      »Ja«, antwortete der Tigganoi. »Wenn sie zum Zuge kamen, Anima. Falls sie so ähnlich gestoppt wurden wie ich und die Zeitchirurgen eine Möglichkeit ungehinderten Wirkens bekamen, dann wäre das eine Erklärung dafür, warum die Evolution der Vernunft trotz des hohen Alters, das unser Universum schon erreicht hat, so weit hinter der Evolution der ›toten‹ Materie her hinkt. In dem Fall wäre das Universum, so wie es heute existiert, wahrscheinlich nur der Scherbenhaufen, der von einer gigantischen und katastrophalen Fehlleistung früherer Intelligenzen übrigblieb.«

      »Was sollen diese quälenden Gedanken, Modulmann?«, flötete die Vigpanderin. »Wir leben nicht dem Gestern, sondern dem Heute. Oder warum, meinst du, gibt es Parazeit-Historikerinnen wie mich, Spezialisten der Zeit wie dich und Orbiter wie Anima, die für die Ritter des Universums leben, wie Atlan einer ist.«

      »Sie hat Recht«, sagte ich leise. »Ich darf mich nicht beirren lassen, sondern muss meinen Ritter Atlan suchen.«

      »Empfängst du seinen Ruf?«, fragte Neithadl-Off gespannt.

      »Ja«, antwortete ich. »Aber er kommt nicht direkt vom Schwert des Rächers, sondern wird von etwas an der Schwertspitze aufgenommen, verstärkt und reflektiert. Ich muss dorthin, dann werde ich die Richtung bestimmen können, aus der der Ruf wirklich kommt.«

      »Dann werden wir hinfliegen«, erklärte Goman-Largo.

      *

      Als die STERNENSEGLER nach kurzer Linearetappe wieder in das vierdimensionale Raum-Zeit-Kontinuum zurückfiel, leuchtete im unteren Drittel des Frontschirms ein rubinroter Stern.

      »Ich schlage vor, wir nennen ihn Schwertspitze«, meinte die Vigpanderin. »Oder ist er schon unter einem anderen Namen registriert, POSIMOL?«

      »Keine Sonnen und Planeten dieses Sternhaufens sind namentlich registriert«, antwortete die Bordpositronik.

      »Also heißt der rubinrote Stern ab sofort Schwertspitze«, stellte Neithadl-Off fest.

      Mich interessiert das nicht im geringsten. Mich interessiert nur, dass ich den Ruf meines Ritters in der Nähe dieses Sterns so stark wie nie zuvor spürte. Es handelte sich zwar nur um eine Reflexion, aber die eigentliche Quelle, also Atlan, musste ohne weitere Umwege direkt zu dem Reflektor beziehungsweise kosmischen Relais funken, wenn die Reflexion mir fast die Seele aus dem Leib riss.

      »Schräg dahinter!«, brachte ich mühsam hervor, dann wurde mir schwarz vor den Augen.

      Ich fühlte mehr als ich es sah, dass Nussel an mich herantänzelte und mich auffing, als ich schwankte. Halt suchend krallte ich mich in seiner Mähne fest.

      »Was kannst du für Planeten orten, POSIMOL?«, fragte Goman-Largo.

      »Sieben Planeten«, antwortete die Positronik. »Zwei davon, der zweite und der vierte, existieren allerdings nur noch als relativ dünn verteilte Makromaterie auf ihren ungefähren ursprünglichen Kreisbahnen.«

      »Also als Asteroiden«, konkretisierte die Vigpanderin.

      »Der fünfte und der sechste Planet sind heiße beziehungsweise warme Gasriesen«, fuhr POSIMOL fort. »Nummer sieben ist eine Eiskugel. Nur der dritte Planet scheint die Existenz von Leben zu ermöglichen. Seine Bahn verläuft innerhalb der so genannten Biosphäre von Schwertspitze.«

      Das war es – das Relais! Ich wusste es intuitiv.

      »Markiere die Position!«, forderte ich die Positronik auf.

      Ein kleiner, pulsierend leuchtender grüner Punkt erschien schräg rechts hinter Schwertspitze.

      Das war der Beweis!

      Der dritte Planet diente als Relais für Atlans Ruf!

      »Können wir in einen Orbit gehen?«, wandte ich mich an meine Gefährten.

      »Selbstverständlich«, erklärte Goman-Largo. »POSIMOL, erfülle Animas Wunsch!«

      Ich lächelte, obwohl ich mich alles andere als gut fühlte, sondern unter dem Ruf litt. Aber ich lächelte auch nicht deshalb, weil ich belustigt gewesen wäre, sondern aus Bitterkeit darüber, wie leicht sich Männer über die von Natur aus gleichen Rechte der Frau hinwegsetzten. Er dachte sich wahrscheinlich gar nichts dabei. Dennoch war es nicht richtig, dass er nun schon zum

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