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zu den energetischen Wirkhypothesen und eine Reflexion anderer, vor allem neurobiologischer Wirkhypothesen fand man eher selten im Bereich der EFT. Dies scheint sich nun aber zumindest im Bereich der Forschung mehr und mehr zu ändern.

      Viele gute Studien zu den Klopftechniken kommen von Ärzten und Psychotherapeuten, die EFT anwenden. Allerdings führen EFT-Autoren und -Anwender immer wieder die wohl von Craig oder Callahan stammende Behauptung an, dass allen negativen Emotionen eine Störung innerhalb des körpereigenen Energiesystems zugrunde liege (siehe z. B. Hartmann 2002, S. 19; Benesch 2005, S. 23; Wells a. Lake 2006, S. 13; Keller 2005, S. 13). Es findet sich kaum ein EFT-Buch, in dem diese Behauptung nicht vertreten wird, und kaum eine Homepage von EFT-Anwendern, die nicht durch dieses Zitat geziert wird. Häufig finden sich auch in den Namen der Klopftechniken diese energetischen Hinweise, wie etwa bei Meridianfeld-Therapie, Meridian-Energie-Technik oder Healing-Energy-Light-Process.

      Wenn man Publikationen zur Energetischen Psychologie liest, bekommt man schnell das Gefühl, dass die Autoren die energetischen Wirkhypothesen als Wahrheiten verstehen, und es fällt auf, dass der Anschluss an andere, nicht energetisch orientierte Wissensquellen kaum bzw. wenig vorhanden zu sein scheint. Auch Gallo nennt sein 2009 erschienenes Buch Energetische Selbstbehandlung. Durch Meridianklopfen traumatische Erfahrungen heilen. Aus wissenssoziologischer Sicht haben wir es also mit einem selbstreferenziellen System zu tun, das Wissen nur aus sich selbst heraus generiert und nicht aus anderen Wissensquellen. Dies beinhaltet natürlich die Gefahr der methodisch-theoretischen Inzucht. Es sei jedoch an dieser Stelle auch nochmals auf die freudige Entwicklung der Kopftechniken, vor allem des EFT, in der Forschung hingewiesen. In den letzten Jahren sind einige sehr inspirierende und beeindruckende Forschungsarbeiten auch in qualitativ hochwertigen Journals erschienen. Also auch im Bereich EFT tut sich etwas. Hierzu mehr in Kapitel 15.

      Damit man die Unterschiede zwischen der Energetischen Psychologie und den meisten psychotherapeutischen Schulen versteht, ist es aus wissenssoziologischer Sicht wichtig zu bedenken, dass die Grundhaltung in der Applied Kinesiology und somit auch bei ihrem Ableger, der Energetischen Psychologie, eine vollkommen andere ist als in der abendländischen Psychotherapie. Während in der Psychotherapie großer Wert auf die Beziehungsgestaltung gelegt wird (nicht zuletzt, da ja die Güte der Beziehung nach wie vor ein wesentlicher Wirkfaktor ist), findet man in der meist am Körper orientierten Applied Kinesiology, aber auch in der sich primär auf die Psyche beziehenden Energetischen Psychologie immer wieder eine eher mechanistische bzw. an körperlichen Strukturen und Befunden orientierte Grundhaltung, in der ein Behandler Dutzende, ja teils Hunderte von Muskeltests am Patienten durchführt. Der Behandler kennt Mittel und Wege in Form von geeigneten Techniken und Tools, um die körperlichen, energetischen oder psychischen Blockaden des Klienten zu lösen, quasi wieder einzurenken. Es herrscht eher die Grundhaltung vor: Therapeut behandelt aktiv den Klienten (was ja in der Behandlung körperlicher Leiden absolut normal ist), während bei der Psychotherapie und noch mehr beim Coaching die Rolle des Behandlers eher die des anregenden, hinterfragenden oder unterstützenden Gegenübers ist.

      Die Hauptarbeit muss bei Psychotherapie und Coaching der Klient selbst machen, während er bei der Applied Kinesiology und nicht selten bei der Energetischen Psychologie aktiv behandelt oder getestet wird. Auch die Steuerung des Prozesses wird bei Psychotherapie und Coaching viel stärker vom Klienten bestimmt. Ferner wird mittlerweile bei den meisten Psychotherapiemethoden und beim Coaching sowieso großer Wert auf Methoden- und Prozesstransparenz gelegt, während der Behandler bei der Applied Kinesiology und häufig bei der Energetischen Psychologie die einzelnen therapeutischen Schritte nicht unbedingt transparent macht. Bei der Arbeit am Körper ist dies ja in der Medizin ohnehin nicht üblich, und es wird auch von Patienten meist nicht erwartet, dass jeder diagnostische Teilschritt sofort erklärt wird. Da es aber in der Psychotherapie immer wieder um Themen wie Autonomie, Kontrolle und Identität geht, ist es unabdingbar, dass zumindest größere Teilschritte und Hypothesen transparent gemacht werden.

      Meine Kritik am Muskeltest bezieht sich also keineswegs auf seine Anwendung innerhalb einer am Körper orientierten medizinischen Behandlung, auch halte ich größte Stücke auf die differenzierte Behandlungsweise der Manualtherapie und der Applied Kinesiology (auch aus eigener Patientenerfahrung). Der Unterschied liegt jedoch darin, dass bei der Applied Kinesiology mittels eines am Körper orientierten Tests, des Muskeltests, im Körper befindliche Störungen aufgespürt werden, während die Anwender des Muskeltests in der Psychotherapie mittels dieses am Körper orientierten Tests Diagnostik auf der Ebene von Emotionen, Kognitionen und Erinnerungen machen, und die sind nicht primär körperlich, auch wenn sie körperliche Auswirkungen haben mögen. Man testet quasi auf einer anderen Ebene als der, auf der das Problem liegt. Aufgrund dieser aufgezeigten historischen Entwicklungslinie muten manche Klopftechniken eben noch heute sehr technisch an, vor allem wenn der Muskeltest, wie im Falle der Gallo-Technik (EDxTM), einen großen Raum einnimmt.

       2.Die Energetische Psychologie – eine kollektive Hypnotisierung?

      Als ich 2001 das erste Mal Kontakt zur Energetischen Psychologie bekam und einen Workshop von Fred Gallo besuchte, war ich zum einen erstaunt, zum anderen fasziniert und beeindruckt. Dass die Beeinflussung des Körpers auch emotionale Veränderungsprozesse in Gang setzen kann, hatte ich bereits in meinem ersten Beruf als Physiotherapeut, genauer: als Masseur, feststellen können. Bei der Anwendung der Bindegewebsmassage, einer Reflexzonentherapie, zeigten Patienten immer wieder starke emotionale Reaktionen, bzw. ihre Stimmung besserte sich nach einer solchen Maßnahme. Im Bereich der physikalischen Therapie hatte sich jedoch niemand so recht für diese Phänomene interessiert. Nun war ich mit der Energetischen Psychologie wieder konfrontiert mit einer den Körper stimulierenden therapeutischen Interventionstechnik, was bei mir persönlich somit an alte berufliche Erfahrungen anknüpfte. Gänzlich neu waren jedoch die verschiedensten Begrifflichkeiten und Erklärungen, die, im Nachhinein betrachtet, eine interessante Auswirkung auf das Denken und Verstehen vieler Anwender hatten und haben, wobei ich mich da gar nicht ganz ausschließen möchte. Etwas humorvoll zusammengefasst zeigte sich ungefähr folgendes Bild:

      … Plötzlich war der einzige Grund für jegliche belastenden Gefühle und Gedanken in einer Blockade der Meridiane, der Energiebahnen aus der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM), zu suchen. Das Beklopfen der Akupunkturpunkte verursachte blitzschnell eine Balancierung der zuvor blockierten Meridiane, was natürlich sofort dazu führte, dass der Energiefluss wieder in Gang kam und die dysfunktionalen Emotionen vertrieb. Welches die richtigen Klopfpunkte sein würden, konnte man mit einem komplizierten Test herausfinden. Man nutzte einen sogenannten Muskeltest aus der Applied Kinesiology, der in der Energetischen Psychologie als zweifelsfreier Test zum Auffinden von energetischen Blockaden verstanden wurde. Man ermittelte nun die am wirksamsten erscheinenden Behandlungspunkte und beklopfte sie, während der Klient an sein Problem dachte. Wenn der Stress sich nicht recht zügig reduzierte, so lag dies an einer psychischen Umkehrung, einem Switching, einem energetischen Toxin oder an allen dreien, und Blockaden konnten nicht nur aufseiten des Klienten, sondern auch aufseiten des Behandlers vorhanden sein. Es konnte aber auch sein, dass der Klient eine Quarzuhr trug, der Raum, in dem das Ganze stattfand, ungünstige Energien hatte oder aber der Klient (oder Behandler) zu wenig Wasser getrunken hatte. Wichtig schien jedenfalls, genau die richtigen Akupunkturpunkte zu beklopfen. Jene Punkte, von denen schon die alten chinesischen Ärzte vor 5000 bis 6000 Jahren wussten, dass sie eine so heilsame Wirkung haben, und zwar auch auf die Gemütszustände – nicht nur der alten Chinesen. Wenn sich an dem zu behandelnden Thema nichts veränderte, waren, wie gesagt, meist eine psychische Umkehrung, ein Switching oder ein energetisches Toxin verantwortlich. Die psychische Umkehrung stellte im Grund eine Umkehrung des Energieflusses in dem betreffenden Meridian dar, wodurch der betroffene Mensch genau das Gegenteil von dem tat, was er eigentlich tun wollte. Umgekehrt eben. Ein Switching wurde als eine neurologische Desorganisation beschrieben, auch da war etwas verdreht. Energetische Toxine konnten im Grunde so ziemlich alle natürlichen und chemischen Stoffe sein, die man zu sich nahm, also Lebensmittel, oder aber die um einen herum waren, z. B. in der Kleidung, oder chemische Stoffe in Möbeln oder wo auch immer. Mittels Muskeltest konnte natürlich auch nun wieder zweifelsfrei ermittelt werden, woran die Stagnation lag. Auch konnte man wiederum zweifelsfrei und beweisend

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