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Heiler oder sonst wie seine soziale Mitwelt Überragender, wird insbesondere dann Bedeutung gewinnen und bewahren können, wenn er den auf ihn Blickenden und Hörenden für ihren Weg durch die Zeit (und möglicherweise auch in eine – wie auch immer verstandene – Ewigkeit) eine zumindest letztendlich lichte Perspektive zu bieten vermag. Im Hinblick auf die Geschichte des 20. Jahrhunderts mögen u. a. die Freiheitskämpfer Mahatma Gandhi (1869–1948) und Nelson Mandela (1918–2013) als global sichtbare »Leuchttürme« in der sozial und politisch verdüsterten Epoche des asiatischen und afrikanischen Spätkolonialismus genannt werden.

      Der eingangs erwähnte Appell an eine politische Führungsfigur erfolgte im Zweifel wohl nicht zuletzt im Vertrauen auf die belebende und kräftigende Wirkung solcher Hoffnung begründender Perspektiven, die sich nicht zuletzt auch an potentiell inspirierende und motivierende Zeichen knüpfen mögen, z. B. – angestammteWappenbilder oder mit Bedacht gewählte Firmen-Embleme und Werbungsparolen (Mercedes-Benz: »Ihr guter Stern auf allen Straßen!«). Mit dem ihm angeblich im Traum verhießenen, in Wirklichkeit aber wohl von seinen Ratgebern zur Förderung der Loyalität und Motivation seiner germanischen Leibwache bewusst entwickelten »Labarum« (einer Verknüpfung der germanischen Heils-Rune Hagal mit den griechischen Anfangsbuchstaben des Namens Christos) am Helm10 zog der Tetrarch Konstantin im Jahre 312 hoffnungsvoll und siegesbewusst in das – für ihn dann auch tatsächlich erfolgreiche – Treffen an der Milvischen Brücke vor Rom, das mit dem Sieg über seinen Rivalen Maxentius zu einem Wendepunkt der abendländischen Religions- und Kulturgeschichte werden sollte. Unter ihren vielgestaltigen Feldzeichen, Stammes-, Partei-, Staats- oder Nationalfahnen zogen unzählige Krieger zu allen Zeiten in die Schlacht. Geschmückt mit den Wappen und Farben ihrer Damen, ihrer Geschlechter oder ihrer Feudalherren bestanden wagemutige Ritter ruhmreiche Turniere.

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      Mahatma Gandhi

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      Nelson Mandela

      Hoffnungssymbole der unterschiedlichsten Art wurden zu allen Zeiten auf Fingerringen, Halsketten, Armbändern oder Kleidungsstücken getragen. Was nämlich für soziale, ökonomische und politische Gruppierungen gilt, gilt selbstverständlich auch für jeden einzelnen Menschen, solange er noch einen Funken Hoffnung in sich trägt. Was den elan vital (Ernest Renan) eines Jeden auf einen mehr oder minder genau bestimmbaren Zielhorizont Ausgerichteten zu steigern vermag, ist zweifellos eine zuversichtliche Bewusstseinshaltung. Diese wiederum kann durch eine – wie auch immer erfahrene – »Weissagung« (oder auch nur durch deren vage schimmernden Abglanz in Form eines Rückgriffs auf bewährte Hoffnungssymbole) nachhaltig gefördert werden. Wenn sich die Teilnehmer des ersten, von Gottfried von Bouillon, Raimund IV. von Toulouse und Robert von Flandern geführten Kreuzzuges (1096–1099) mit dem Ruf »Deus lo vult« (Gott will es) auf die mohammedanischen Heere und schließlich auch auf die »Heilige Stadt« Jerusalem stürzten, so waren sie wohl nicht zuletzt deshalb, wenngleich auf entsetzliche Weise, »erfolgreich« (von ca. 40 000 Bewohnern Jerusalems wurden nach der Eroberung laut mancher – allerdings umstrittener – Quellen ca. 30 000 niedergemetzelt), weil ihnen die von ihren geistlichen Mentoren suggerierte Perspektive der Gottgefälligkeit ihres Tuns fast unerschöpfliche Antriebskräfte zuwachsen und die Hemmschwelle für ihre durchaus auch weltlichen Eroberungsgelüste drastisch absenken ließ. Damals waren es Papst Urban II., die von ihm aufgerufenen Bischöfe und auf deren Geheiß der Klerus und zahlreiche Wanderprediger, die den »Heiligen Krieg« ausriefen, was neben den tatsächlich von dieser Gottgefälligkeit Überzeugten und den zahllosen Beutegierigen aller sozialen Schichten nicht zuletzt Jene zu den Fahnen strömen ließ, die den bei Teilnahme am Kreuzzug in Aussicht gestellten Sündennachlass attraktiv finden mussten. Mit umgekehrten Vorzeichen erleben wir heute – nach annähernd 1000 Jahren – Ähnliches, wenn den Dschihadisten von ihren islamistischen Einpeitschern ihre Selbstmordattacken mit der Verheißung des durch ihren »Märtyrertod« zu verdienenden Einzugs ins Paradies schmackhaft gemacht wird. Die Zeiten ändern sich, die psychosozialen Grundmuster allerdings scheinen unveränderlich zu sein. Zumindest im Hinblick auf sie behält die überkommene Weisheit, dass es »nichts Neues unter der Sonne« gebe, ihre Gültigkeit.

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      Konstantin und das Labarum mit dem Christusmonogramm, Bildteppich von Peter Paul Rubens

      Nach Jahrhunderten (wenn nicht Jahrtausenden) schmerzlicher Erfahrung mit der »Gnadenverwaltung« von Religionsgemeinschaften, den trügerischen Verheißungen totalitärer weltlicher Ideologien und einer längst aus den Rängen der herkömmlichen Bildungsschichten in alle Kreise der Bevölkerung durchgesickerten Aufklärungsstimmung haben es zumindest in der westlichen Welt die suggestiven Volksbeglückungsparolen etwas schwerer, ähnliche Breitenwirkung zu entfalten, als man dies in der Vergangenheit erfahren konnte. Wo einseitig argumentierende politische Populisten dennoch Gehör finden – wie wir dies gegenwärtig in den U.S.A., in England, in Italien, Frankreich und zum Teil auch in Deutschland erlebten und erleben – sind die gesellschaftlichen Ausgleichskräfte immerhin stark genug, deren Ideologiegewächse nicht in den Himmel wachsen zu lassen. Massenhysterie à la Kreuzzugs- und Dschihadstimmung, Rassen- und Klassenwahn sind jedenfalls auf absehbare Zeit kaum mehr zu befürchten. Einzelne Gruppen freilich werden solchen Bewusstseinshaltungen dennoch immer wieder verfallen und daraus ihre Lebensperspektiven beziehen. Einzelne Menschen werden aber auch weiterhin auf die »Weissagungen« der vielen mehr oder weniger intensiv miteinander konkurrierenden Religionen vertrauen – oder aber ihren Blick auf gegenwärtiges und künftiges Geschehen aus (anderen) esoterischen Glaubensquellen zu gewinnen suchen. Es mögen die Voraussagen von Hellsehern, Astrologen, Chirologen, Kartenlegern, Orakel-Deutern oder sonstigen Prognosten sein, die ihnen – wie einst Franz-Josef Strauß seiner Partei – »Zukunft und Perspektive« zu bieten vermögen. Wem auf solche oder ähnliche Weise ein persönlicher Erfolg (die Erreichung eines bestimmten Berufszieles etwa, eine erfüllende Partnerschaft oder auch ein langes Leben) vorausgesagt wurde, wird im Zweifel auch gute Chancen haben, diese Ziele zu erreichen, da er im Vertrauen auf solche Voraussagen und in hoffnungsvoller Vorwegnahme des Erfolges all seine Kräfte zielgerichtet bündeln mag. Derjenige aber, dem die Nicht-Erreichung seines Zieles prognostiziert wurde, wird möglicherweise erst gar nicht mehr versuchen, es zu erreichen oder aber sehr wahrscheinlich bei seinen dennoch unternommenen Anstrengungen über die eigenen Zweifelsbeine stolpern. Auch wer als »ständiger Begleiter« ein erfolgversprechendes Amulett – einen Glücksmagneten sozusagen – wählt und so in seine Bemühungen einbindet, wird im Zweifel ebenfalls bessere Voraussetzungen haben als Derjenige, der als übervorsichtiger »Berufspessimist« davon ausgeht, dass es »ja eh’ nicht klappen« wird. In Vorwegnahme der unterstellten Wahrscheinlichkeit eines Misserfolges wird er schwerlich die Kraft aufbringen, das erstrebte Ziel zu erreichen.

      Wenn mithin Zuversicht erfahrungsgemäß eine sowohl individuell als auch kollektiv erfolgversprechende Größe zu sein scheint, stellt sich die Frage, wie dieses begehrenswerte Bewusstseinsgut zu erlangen ist. Insbesondere stellt sich die Frage, unter welchen angebbaren (oder vielleicht auch nur erahnbaren) Rahmenbedingungen die der Zuversichtlichkeit als Bewusstseinshaltung zugeschriebene Erfolgserwartung nach menschlichem Ermessen tatsächlich erfüllt werden kann. Und nicht zuletzt kommt ebenso die Frage auf, welche wohlfeilen Abkürzungen der erhofften Erfolgsspur wenig aussichtsreich erscheinen.

      7 Vgl. dazu ausführlich P.C. Mayer-Tasch, Prophetie und Politik, München 2000, passim.

      8 Vgl. Altes Testament: Der Prophet Jona, Kap. 1–4.

      9 Vgl. Doran/Hinz/Mayer-Tasch, Umweltschutz-Politik des peripheren Eingriffs. Darmstadt 1974, passim. Vgl. auch die zahlreichen weiteren Bücher des Autors zur Umweltkrise und ihrer Bewältigung (u. a. Die verseuchte Landkarte, München 1987; Meer ohne Fische, Frankfurt/New York 2007; Welt ohne Wasser, a. a. O. 2009; Der Hunger der Welt, a. a. O. 2011.

      10 Vgl. hierzu ausführlich Mayer-Tasch, Der Lebens- und Weltbaum (Hagal), in: (Hrsg.) Mayer-Tasch, Die Zeichen der Natur. Sieben Ursymbole der Menschheit, Frankfurt/ Leipzig 2001, S. 119 ff.

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