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seine Frau das erste Mal geküsst? Ist es das Tag seiner Abschlussprüfung an der Akademie oder wurde ihm gar am 11. März ein Kind geboren? Gerüchten zufolge hat Braco Dimitrijevic, als er 1979 den Carrara-Marmor bearbeitete, einen Passanten nach dessen Geburtsdatum gefragt. Es hätte also auch der 13. oder 28. Juli sein können oder der 14. November. Demnach hat er Lotterie gespielt und wollte mit dem Zufallsdatum nur ausdrücken: Alle steinernen Denkmäler sind eine Dummheit. Wenn der Menschheit oder einem Menschen ein Datum wichtig ist, dann ist es ihm ins Herz geschrieben, dann braucht es keinen Stein. Wie der 9. November, der 14. Juli oder der 24. Dezember, als der Welt ein Baby geschenkt worden ist, dessen Geburtstag heute noch viele Kinderaugen zum Leuchten bringt.

      Wenn Sie romantisch veranlagt sind und dazu noch frisch verliebt (eine beneidenswerte Kombination) und zudem nach dem passenden Ort und der passenden Stunde suchen, ihrem Partner einen Hochzeitsantrag zu machen, dann kann ich Ihnen diesen Obelisken sehr empfehlen. Seien Sie sicher: Sie und Ihr Schatz werden den Tag nie vergessen! Und Sie dürfen gerne behaupten, der 11. März sei nur für Sie gemacht.

      Der Litauer Vytautas Landsbergis wurde am 11. März 1990 zum Parlamentspräsidenten gewählt und erklärte am selben Tag die Unabhängigkeit seines Landes. Im Gegensatz zum Künstler hatte für ihn das Datum auf dem Charlottenburger Obelisken daher eine tiefere Bedeutung, und es ist ihm ein Bedürfnis gewesen, die Säule aufzusuchen. Bereits der erste Architekt von Schloss Charlottenburg, Johann Friedrich Eosander von Göthe, hatte 1717 einen Obelisken an der Spree vorgesehen.

      Obelisk im Schlosspark Charlottenburg

      Spandauer Damm 10–22

      Nordöstlicher Zipfel des Parks

      14059 Berlin

      2 Schlosspark Charlottenburg (Charlottenburg)

      Was unterscheidet Berlin von London, Paris oder New York? Viele sagen: Berlin ist grüner. Durch die weitsichtige Stadtplanung früherer Generationen hat man viele Freiflächen geschaffen, zudem wurde die Breite der Straßen auch aus feuerpolizeilichen Erwägungen so großzügig bemessen, dass genügend Platz für Bäume blieb. 439.000 Straßenbäume zählt Berlin heute, jeder Dritte ist älter als 40 Jahre. Das tut der Berliner Luft gut, filtern hohe Bäume doch nicht nur Schadstoffe, sondern produzieren darüber hinaus so viel Sauerstoff, wie zehn Menschen verbrauchen.

      Es wäre ungerecht, einen besonderen Baum herauszuheben. Viele stattliche Exemplare finden sich aufs Stadtgebiet verteilt, es wären noch mehr, wenn nicht in der bitterkalten Nachkriegszeit viele Berliner aus der Not heraus zu Axt und Säge gegriffen hätten. Der angeblich älteste Baum Berlins, die Dicke Marie, steht im Tegeler Forst, mein Liebling, eine Blutbuche, erhebt sich im Garten des Literaturhauses in der Fasanenstraße. Auch unter den mächtigen Kastanien im Biergarten des Zollpackhofs gegenüber dem Kanzleramt sitzt man wunderbar. Wenn wir dennoch einem Baum etwas mehr Platz widmen, dann nicht allein wegen dessen Schönheit, sondern mehr noch wegen des Gärtners, der ihn pflanzen ließ. Es handelt sich um die Sumpfzypresse im Schlosspark Charlottenburg. Aus Nordamerika stammend, fühlte sie sich an der Spree so wohl, dass sie auf einen Umfang von 5,40 Meter angewachsen ist. Man nimmt an, dass sie bei der Umgestaltung des ursprünglich barocken Gartens in einen englischen Landschaftsgarten von Peter Joseph Lenné gepflanzt worden ist. Kaum ein zweiter hat die Stadtstruktur von Berlin so geprägt wie der preußische Gartenkünstler und Landschaftsarchitekt. Im Zeitalter der wachsenden Fabriken und Mietskasernen machte er sich Gedanken, wie man ein grünes Berlin für alle gestalten könnte. Nicht nur die zahlreichen Potsdamer Parks gestaltete er, auch und insbesondere seine Berliner Projekte, die Anlage von Sichtachsen und die Schaffung begrünter Kanäle, erfreuen bis heute. Den Ehrentitel Lenné-Stadt würde Berlin zu Recht tragen.

      Sumpfzypresse im Schlossgarten Charlottenburg

      Schlossgarten Charlottenburg südlicher Teil

      Spandauer Damm 10–22

      14059 Berlin

      3 Schloßbrücke Charlottenburg und überall entlang der Spree (Charlottenburg)

      Die Spree ist eine Künstlerin. Nicht nur, dass an ihren Ufern mit den Umgebindehäusern die originellsten Handwerkerunterkünfte stehen, sich mehrere Dome in ihren Wassern spiegeln, im Spreewald sich aufs Schönste die Gurken krümmen, die Spree versteht sogar das Kunststück, rückwärts zu fließen. Gut, werden Sie einwenden, das kennt man auch von der Elbe in Hamburg oder der Themse in London. Diese Flüsse jedoch stehen unter dem Einfluss des nahen Meeres, also der Gezeiten. Fließt die Spree rückwärts aber, hat das gänzlich andere Ursachen. Verschiedene Faktoren müssen zusammenkommen: eine trockene Zeit am Oberlauf, der Lausitz also, Wasserentnahme aus der Spree durch die Flutung der ehemaligen Braunkohlegruben bei Bautzen und Cottbus, Niederschlag hingegen im nördlichen Brandenburg und auf der Mecklenburger Seenplatte, sodass die Havel gut gefüllt ist – und Millionen von Berlinern, die sich unter die Dusche stellen. Dann passiert es, dann staunen die Angler, die ihre Köder ins Wasser werfen, dann kehrt sich die Strömungsrichtung um und die Spree scheint zur Quelle zurückzufließen. Achten Sie mal drauf! (Vielleicht, weil besonders schön von der Charlottenburger Schloßbrücke?)

      Schloßbrücke Charlottenburg und überall entlang der schönen Spreeufer

      4 Wohnhaus von Elisabeth Caland (Charlottenburg)

      Ehemaliges Wohnhaus von Elisabeth Caland in der Nithackstraße

      »Um besondere Tonfülle bei Akkorden und markig hervortretende Accente, die einzelne Stellen dieser oder jener Komposition verlangen, zu erzielen und wiederzugeben, ist es notwendig, die federleichte Hand, vom Rücken und Oberarm getragen, mit festgespannten Fingern über die zu spielenden Töne zu bringen. Man halte die Hand so gespannt und gerundet, als ob sie sich über einen, im Verhältnis zu derselben stehenden, großen Ball ausbreitet. Wenn die Finger, ohne sich in die Tasten zu senken, mit derselben Fühlung erhalten, drücke man die Hand vermittels der Rückenmuskeln plötzlich kraftvoll nieder.«

      Klavierspielen mit Rücken und Schulter, diese zur damaligen Zeit revolutionäre Methode schildert uns Elisabeth Caland in ihren Technischen Ratschlägen für Klavierspieler aus dem Jahre 1912. Die gebürtige Rotterdamerin war 22 Jahre alt, als sie nach Berlin kam, um bei dem fortschrittlichen Musikpädagogen Ludwig Deppe zu studieren. Von ihm übernahm sie zahlreiche Anregungen und entwickelte sie weiter. Etablierte Pianisten waren entsetzt. Mit dem Rücken? Mit den Schultern? Allein mit den Fingern sollten die Töne erzeugt werden, wie beim Cembalospiel, das war gängige Lehre. Die Ideen der jungen Künstlerin aber fanden bald zahlreiche Nachahmer. Ungemein kraftvoll, ungemein farbig konnte die Musik klingen, wenn man aus dem ganzen Oberkörper heraus spielte. »Besonders betont werde hierbei, dass der ganze Arm, vom Schultergelenk aus, wie aus einem Stück, also gewissermaßen ohne Gelenke, gedacht werden soll.« Auf diese Weise gelang es der willensstarken Pianistin, allein durch Schüttelbewegungen der Schultern Tremolofiguren und Triller zu erzeugen.

      Elisabeth Caland wohnte von 1909 bis 1913 in der Nithackstraße 22, in Sichtweite des Charlottenburger Schlosses. In diesen Jahren entstanden ihre einflussreichsten musikpädagogischen Schriften. Nach Jahren als Klavierlehrerin in Gehlsdorf und Rostock

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