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bevor er aufs Knöpfchen gedrückt und sie damit nach unten befördert hatte.

      Im Keller angekommen, wunderte Eleonore sich darüber, was hier in dieser einen Woche passiert war, in der sie zusammen mit ihrem Mann Bert im Allgäu Urlaub gemacht hatte: Der Schlaghammer hatte wohl ganze Arbeit geleistet, die Wände waren nicht nur sauber verputzt, sondern bereits in einem dezenten Grau gestrichen. Und zum Heizungskeller war eine ebenso dicke Brandschutztür eingebaut worden wie in dem vor ein paar Wochen vergrößerten Durchlass, der von der Kellertreppe aus direkt ins Lokal führte. Der Boden war frisch gefliest, selbst im Heizraum. Darüber hinaus standen in einem gewissen Abstand von den Wänden Regale, die allerdings erst befestigt werden konnten, wenn das Grau so abgetrocknet war, dass darüber ein flüssigkeitsabweisender Lack gestrichen werden konnte. Eine Wand war mit einer grünen Folie abgedeckt worden, wie man sie ansonsten nur in Gärten benutzte. In der Mitte des größten Lagerraums war ein etwa zwei Meter langer Edelstahltisch aufgestellt worden.

      »Wie klein der Keller jetzt wirkt mit all den Möbeln«, bemerkte sie.

      »Und nun zeige ich Ihnen mein Heiligtum!«, sagte van Basten und führte Eleonore Olbrich in seine Werkstatt.

      »Wow!«, entfuhr es ihr, als sie den perfekt ausgestatteten Raum sah, den sie eher für das Domizil eines Künstlers als das eines Handwerkers gehalten hätte. »Aber was sollen diese beiden Gefriertruhen? Benötigen Sie die trotz des Kühlraumes, den Sie mir gerade gezeigt haben?«, wunderte sich die Innenarchitektin. »Die hier ist ja schon angeschlossen.«

      »Oh Gott! Das ist natürlich ein Versehen. Wahrscheinlich hat einer der Handwerker das Teil an den Strom gehängt, weswegen sie jetzt erst eingeschaltet wurde, als ich die Sicherungen reingedreht habe«, klärte der Hausherr das Malheur auf. Er erklärte, dass er diese beiden Gefriertruhen wegen des Kühlraumes und des darin bereits eingebauten Gefrierschrankes nicht mehr benötige und eine davon vom Lieferanten umgehend abholen ließe … sowie er den Inhalt der darauf liegenden Kisten verräumt habe. Während er ihr den Weg in den Lagerraum wies, bekundete er, wie froh er war, dass nicht nur dieser Raum für länger haltbare Waren, sondern auch alles andere fertig sei und nun ausreichend Platz für gefrorenen Fisch, Muscheln, Austern, Geflügel und Fleisch zur Verfügung stünde.

      »Immerhin koche ich selbst und verarbeite nur gute Produkte«, hatte er mit erhobenem Zeigefinger gesagt und damit Eleonore Olbrichs Neugierde befriedigt.

      »Also müssen Sie keinen Koch einstellen?«

      Der Hausherr schüttelte bestätigend den Kopf. »Nein, nur eine Küchenhilfe und einen Spüler.«

      Zum Abschluss des kleinen Rundgangs hatte er sie darauf hingewiesen, dass sie sich nun gemeinsam voll und ganz dem eigentlichen Ausbau des Lokals und dessen Einrichtung zuwenden konnten. »Nun sind Sie am Zug!«, hatte er betont und die Frau zur Feier des Tages auf ein paar Bierchen in den nahe gelegenen »Domkeller« eingeladen.

      »Aber nur kurz, mein Mann wartet zu Hause auf mich!«, sagte sie, nahm das Angebot jedoch gerne an.

      Wie es der Zufall wollte, hatten sie sich in der urigen Kneipe so wohl gefühlt, dass sie nicht bemerkt hatten, wie die Zeit vergangen war. Dementsprechend hatten sie sich gut unterhalten, während sie ein Dom-Kölsch nach dem anderen getrunken hatten. Eleonore Olbrich wollte gerade zwei Bier auf ihren Deckel bestellen, als ihr von hinten die Augen zugehalten wurden.

      »Angelika?« Sie vermutete ihre beste Freundin hinter dieser Überraschungsattacke. Aber es war nicht die stadtbekannte Rechtsmedizinerin, sondern Nashwa, eine liebenswerte, junge Ägypterin, die sie kurz darauf herzlich umarmte.

      »Ich glaube es nicht! Nashwa, was tust du denn hier? Ich dachte, du bist längst nach Scharm asch-Schaich zurückgekehrt!«

      »Ich war auch zu Hause im Sinai. Aber bei den Unruhen in meinem Land? Diese Idioten …«, damit meinte die junge Frau die Terroristen in Ägypten, »… ruinieren dort den ganzen Tourismus! Nein, da habe ich keinen Bock drauf. Ich studiere in Köln Tourismusmanagement«, verkündete sie, bevor sie Eleonores Begleiter einen verächtlichen Blick zuwarf und in schroffem Ton fragte: »Wer ist das?«

      Nachdem Eleonore verstanden hatte, weswegen die ansonsten sanftmütige Nashwa sich derart abweisend verhielt, lachte sie herzhaft auf. »Ach, entschuldige bitte. Das ist Herr van Basten, vor dem musst du mich nicht schützen. Keine Sorge, zwischen Bert und mir ist alles in Ordnung! Herr van Basten ist lediglich mein derzeitiger Boss, einer meiner liebsten Auftraggeber.« Die Architektin zwinkerte ihm keck zu. »Er hat die ›Albrecht-Dürer-Stube‹ am Münsterplatz drüben gekauft und ich durfte für ihn den Innenausbau planen.« An den Mann an ihrer Seite gewandt erklärte sie, dass diese bildhübsche junge Dame die 21-jährige Nashwa Al-Thani sei, ein ehemaliges Au-pair-Mädchen, das vor einigen Jahren bei ihr zu Hause gearbeitet hatte. »Sieht sie nicht aus wie eine Madonna?«

      Mit ihrer lebhaften Art hatte sie van Basten auf Anhieb in ihren Bann gezogen, und das trotz ihres frechen Auftritts zu Beginn ihres Zusammentreffens. Ihre seidenglänzenden Haare, das wie von Künstlerhand geschaffene Gesicht, die strahlenden braunen Augen und die makellose Figur, die sich unter dem dünnen Kleidchen abzeichnete, ließen wohl die Herzen der Männer höherschlagen, denen sie begegnete. Doch das kecke Aussehen täuschte; denn Nashwa hatte eine gute Erziehung genossen und war überdies stets vernünftig, sie ließ sich selten zu etwas hinreißen, das ihrem guten Ruf schaden könnte. Ihre Eltern in Scharm asch-Schaich wussten, dass sie sich in der Ferne hundertprozentig auf ihre innig geliebte Tochter verlassen konnten.

      »Was trinken Sie?«, fragte der große Mann, dem die junge Frau gerade einmal bis zur Schulter reichte.

      Er bekam von der Studentin zur Antwort, dass sie nichts trinken wolle, er sie aber gerne duzen dürfe.

      »Also dann …«, nutzte die inzwischen ein wenig beschwipste Innenarchitektin beherzt die Gelegenheit und bot ihrem Auftraggeber ebenfalls das »Du« an.

      *

      Le Maires Ermittlungen waren nur zäh vorangekommen. Der leitende Hauptkommissar hatte seine Leute darauf angesetzt, die umliegenden niederländischen Städte und deren Umfeld auszuhorchen, in denen es Rotlichtbezirke gab.

      Während sich Streifenpolizist Herbert Demonty die belgischen und deutschen Grenzorte zu den Niederlanden vorgenommen hatte und Pierre Vonderbank fast bis auf Höhe von Rotterdam gefahren war, hatte sich Agnès Devaux in Maastricht umgehört … und war beim dortigen »Schaufensterstrich« fündig geworden. Nach endlosem Herzeigen eines Fotos der Toten und unzähligen Befragungen in einschlägigen Gegenden hatte sie von einer Prostituierten erfahren, dass sie die junge Frau auf dem Foto zwar nicht besonders gut kennen würde, ihr aber schon einmal begegnet sei. Allerdings hatte die Frau den Namen ihrer Kollegin »vergessen« und auch nicht gewusst, wie alt sie war. Erst nachdem die Kriminalbeamtin mit einem Fünfziger nachgeholfen hatte, war die junge Frau damit herausgerückt.

      »Die Frau auf dem Foto ist Sushila, eine Kollegin von mir. Warten Sie kurz; ja, sie heißt Perumal mit Nachnamen und ist 24 Jahre alt. Ich glaube, ihre Familie kam ursprünglich von den Molukken. Mehr weiß ich nicht, weil Sushila immer allein arbeitet. Sie sucht ihre Freier aber nur ›draußen‹. Hier in Maastricht hat sie kein Zimmer.«

      »Was heißt das, sie arbeitet ›draußen‹? Geht sie auf den Straßenstrich?«, hatte Devaux nachgefragt und mühsam erfahren, dass dies bei Sushila etwas anders sei als bei ihr selbst, weil das Mordopfer eine Art »Wanderhure« gewesen sei, die nur »auftragsbezogen« mal hier, mal da gearbeitet hatte und nicht ortsgebunden war.

      »Keine Verwandten, Freunde, Zuhälter?«

      Die Prostituierte kaute gelangweilt auf ihrem Kaugummi herum und schüttelte den Kopf.

      »Ich habe doch schon gesagt, dass Sushila ausschließlich allein arbeitet, sie ist glücklich damit!«

      »Na ja, glücklich sieht anders aus, oder etwa nicht?«, knurrte Devaux und warf einen kurzen Blick auf das Foto. Weil sie spürte, dass Sushilas ehemalige Kollegin vielleicht doch noch etwas wissen konnte, hakte sie nach: »Wirklich kein Zuhälter oder ein anderer Macker?«

      »Ah … ich verstehe!« Nachdem Devaux der breit

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