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atmete tief durch, bevor er antwortete: »Es tut mir leid, aber ich muss weg! Wir haben eine Leiche!«

      »Wo?«

      »Keine 30 Kilometer von hier!«

      »Wo?«, wiederholte sie genervt.

      »In Clermont!«

      »Meinst du Thimister-Clermont in der belgischen Wallonie? Das kenne ich! Ein süßes mittelalterliches Örtchen.«

      »Entschuldige bitte, Angelika. Ja! Selbstverständlich meine ich dieses Clermont und nicht das Clermont in Frankreich oder gar in Florida!«

      Während Frederic sich insgeheim darauf freute, endlich wieder einen Mordfall lösen zu dürfen, anstatt mit Angelika einen auf fein machen zu müssen, holte sie ihr nagelneues iPhone hervor und versuchte, damit ins Netz zu gelangen.

      »Also … Äh … Ich muss jetzt fahren!« Wenn der Kriminalbeamte hoffte, sich so einfach loseisen zu können, irrte er sich gewaltig. Angelika fragte ihn, ob er sie nicht mitnehmen mochte.

      Der Mordermittler überlegte einen Moment lang. Dann zuckte er mit den Schultern und sagte, dass er grundsätzlich nichts dagegen habe, es aber nicht ihr Fall sei, weil der Tote, »… wie wir nun ja festgestellt haben«, in der Provinz Lüttich aufgefunden worden sei. Damit – so glaubte er – sei die Sache vom Tisch.

      »Da irrt sich der Herr Kriminalhauptkommissar aber gewaltig!«, entgegnete sie selbstbewusst.

      »Wie … Wie meinst du das?«, wunderte sich Frederic.

      »Sieh selbst!«, sagte sie und hielt ihm triumphierend ihr Smartphone entgegen.

      »Ja und? Du hast einen Routenplaner aufgerufen. Was soll das?«

      Angelika lachte siegessicher auf, bevor sie ihm erklärte, dass es von Lüttich nach Clermont genau 28,4 Kilometer, von Aachen aus aber nur 23,3 Kilometer waren. »Also liegt Aachen näher am Tatort als Lüttich, oder? Außerdem ist dies sowieso nicht dein Fall, weil du in Eupen und nicht mehr in Lüttich arbeitest! Hast du das vergessen?«

      Nun triumphierte Frederic: »Dennoch wurde ich angerufen! Und von Eupen aus sind es nur gute 14 Kilometer!«

      Er sah Angelikas fordernden Blick und fluchte still in sich hinein. Er wusste, dass er sagen konnte, was er wollte, er hatte schon verloren. Also gab er sich lieber gleich geschlagen, als sich auf eine lange Diskussion einzulassen, bei der er am Schluss sowieso den Kürzeren ziehen würde. »Von mir aus!«, knurrte er. »Möglicherweise hast du Glück.«

      Angelikas Augen weiteten sich erwartungsvoll. »Weshalb?«

      »Na ja, ich hatte dir doch davon erzählt, dass der junge Nachfolger von Docteur Brülèe zur Fortbildung in Brüssel ist. Somit ist die Gerichtsmedizin in Lüttich derzeit verwaist.«

      Bevor es sich Frederic doch noch überlegte, fiel sie ihm um den Hals und küsste ihn. »Danke, Lemmi!«

      Nun stieg ihm die Zornesröte ins Gesicht. »Ich habe dir schon tausendmal gesagt, dass du mich nicht so nennen sollst! Und nun lass mich in Ruhe mit meinem Chef telefonieren, damit er unserer neuerlichen grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zustimmen kann! Das klappt nur, wenn er seinen Segen gegeben hat. Und den bekommen wir nur, wenn es Docteur Baguette gelingt, Oberstaatsanwalt Delieux ebenfalls mit ins Boot zu nehmen.«

      »Aber das war doch sicher nicht zufällig, dass sie in Eupen angerufen und dich zu dem Fall gerufen haben, oder?«, wunderte sich Angelika und setzte keck nach: »Dann gibt es sicher auch keine Probleme, wenn ich dich bei der Aufklärung dieses Falls unterstütze.«

      Kapitel 2

      Und ob der leitende Lütticher Staatsanwalt Martin Delieux zugestimmt hatte. Denn der Mann war wegen eines überaus günstigen Zufalls erst vor einem Jahr zum Oberstaatsanwalt avanciert und musste sich in seiner neuen Position beweisen. Und dies tat er am besten, indem er möglichst viele, vor allen Dingen schnelle Erfolge erzielte. Weil dies ohne Mordfälle aber schwierig war, hatte er Docteur Baguettes Vorschlag zugestimmt, keine Zeit zu verlieren und die deutsche Rechtsmedizinerin mit der Leichensektion zu betrauen. Weil das Dream-Team Le Maire/Dr. Laefers bei den »Frittenmorden« vor zwei Jahren und bei den »Glühweinmorden« im vergangenen Jahr bereits hinreichend bewiesen hatte, dass es gut und erfolgreich zusammenarbeitete, konnte dies einer raschen Aufklärung des aktuellen Falls nur dienlich sein und für Delieux schnelle Ergebnisse zeitigen, mit denen er sich würde schmücken können. Deswegen war der Oberstaatsanwalt über seinen eigenen Schatten gesprungen und hatte seine Ressentiments Le Maire gegenüber beiseitegeschoben – zumindest vorübergehend. Er hatte seinen Eupener Chefermittler sogar persönlich angerufen, um ihm die volle Unterstützung der Staatsanwaltschaft zuzusichern. Dazu war allerdings nötig gewesen, dem Interimsleiter seiner Lütticher Mordkommission klarzumachen, dass dies Le Maires Fall und somit ein Fall der Eupener Kollegen war, die es mit aller zur Verfügung stehenden Lütticher Manpower zu unterstützen galt.

      Weil Patrick Miller, der eigentliche Chef der Lütticher Mordkommission, im Urlaub weilte, kam es Delieux entgegen, Le Maire für den Fall abzustellen.

      *

      »Bonjour, Locki! Was gibt’s?«

      »Bonjour, Monsieur le Commissaire! Gut, dass Sie gleich rangehen!«

      Le Maire seufzte. »Was gibt es denn Wichtiges?«

      »Agnès Devaux ist bereits nach Clermont unterwegs! Den Kollegen Pierre Vonderbank konnte ich leider nicht erreichen. Und Herbert Demonty ist …«

      »Na ja, wir haben Wochenende!«, unterbrach Le Maire seine aufgekratzte Sekretärin. Lassen wir es die beiden Kollegen genießen. Eine Unterstützung genügt mir fürs Erste! Ist sonst etwas?«

      »Ja! Ich soll Ihnen ausrichten, dass sich Oberstaatsanwalt Delieux gleich morgen früh mit Aachen in Verbindung setzen wird, um die Angelegenheit in Bezug auf Ihre Kompetenz und die Sache mit Frau Dr. Laefers zu klären.«

      Als er dies hörte, lachte Le Maire triumphierend auf. »Dass dies mein Fall ist, geht meinen Aachener Kollegen Peter Dohmen zwar nichts an, aber von mir aus. Danke, Locki! Ich bin in etwa 15 Minuten in Clermont und komme dann am Montag ins Büro. Du machst jetzt auch gleich wieder Feierabend, ich brauche dich heute nicht mehr, dafür am Montag umso mehr! Alles klar? Au revoir!«

      Enttäuscht legte Fabienne Loquie auf. Weil ihr Freund Hennes auf beruflicher Bustour und sie deswegen allein war, wusste sie mit diesem verregneten Wochenende nichts Besseres anzufangen, als zu arbeiten und ihrem Chef zur Seite zu stehen. Bis vor etwa zwei Jahren hatte sie ihn sogar offen angehimmelt. Seit sie aber während einer Reise nach Brüssel den Aachener Busfahrer Hennes kennen- und lieben gelernt hatte, verehrte sie ihren Chef nur noch, dies aber mit einer fast schon selbstlosen Hingabe, die Le Maire hier und da lästig war.

      *

      Die auf der Straße herumstehenden Anwohner staunten nicht schlecht, als Angelikas SLK fast etwas zu flott in die kleine Gasse einbog, die Locki ihrem Chef beschrieben hatte. Mehr staunten die Kolleginnen und Kollegen der ebenfalls von Locki informierten Eupener Spurensicherung darüber, dass sie zum Einsatz kamen und dass Le Maire in einem todschicken Anzug vor ihnen stand. Vollends verwundert waren sie, als sie gewahr wurden, dass nicht der junge Rechtsmediziner aus Lüttich, sondern eine ihnen bestens bekannte Rechtsmedizinerin aus dem Ausland die Leichenbeschau vornehmen wollte. Zumindest machte sie den Eindruck, denn die aparte Frau war in einen weißen Schutzanzug geschlüpft, mit ihrem Arztkoffer direkt auf die Leiterin der Spurensicherung zugegangen und hatte selbstbewusst gefragt: »Was haben wir?«

      Weil normalerweise der leitende Ermittler diese obligatorische Frage stellte, blieb Le Maire nur ein drängendes »Und?« übrig.

      »Der Fundort ist nicht der Tatort!«, verkündete Therese Lambert, die 39-jährige Leiterin der Eupener Spurensicherung, bevor sie beiseiteging und die Rechtsmedizinerin ihre Arbeit tun ließ. Und die würde in dieser Nacht wohl nicht einfach werden.

      Vor ihnen war eine Frau mit dunklem Teint so an der oberirdischen Grabkammer der Familie Tomson-­Brandebourg hindrapiert worden, als wenn sie ihren Rausch

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