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Libero, Vater, Mann und auch jede Frau lernen sollte:

       Wer den anderen zutextet, schaltet dessen Hirn aus! Wer schweigt, aktiviert.

      Und zwar sowohl Intellekt als auch Verantwortungsgefühl, Verständnis, Interesse und das Engagement des Gesprächspartners. Natürlich schaltet sich nicht bei jedem, den Sie anschweigen, der Verstand wieder ein. Manche haben schlicht keinen, der sich einschalten ließe. Aber dann aktivieren auch keine feurigen Worte, was ohnehin nicht vorhanden ist. Leider kapiert das kaum jemand. Wenn wir Menschen motivieren wollen, dann reden wir intensiv auf sie ein – und werden letztendlich enttäuscht. Denn alles gute Zureden hilft nicht wirklich und nicht langfristig. Motivation von außen versagt irgendwann immer. Meist recht schnell. Die intrinsische Motivation, die Motivation von innen heraus, wirkt viel stärker und länger. Man kann diese mit Worten zu wecken versuchen. Doch ebenso wichtig ist das Schweigen genau an dem Punkt, an dem der Worte genug gewechselt sind und der Angesprochene seine Eigenmotivation aktivieren sollte. Und diese Eigenmotivation fördern Sie nicht, indem Sie ihn in Grund und Boden reden.

      Das Coaching-Prinzip

      Schweigen ist Empowerment

      Schweigen aktiviert Menschen so gut, dass es – was kaum einer weiß – ein zentrales Wirkprinzip des Coachings ist, eine der wirksamsten und schnellsten Veränderungsmethoden. Ein klassisches Beispiel dafür ist, wenn Vorgesetzte bei Gardinenpredigten den Spieß umdrehen. Ein Abteilungsleiter berichtet: »Ich habe das mal in einem amerikanischen Buch gelesen und mache es seither so: Wenn ein Mitarbeiter Mist gebaut hat, dann habe ich früher wirklich eine halbe Stunde auf ihn einreden müssen, bevor er endlich seine dummen Ausreden aufgab, den Fehler eingestand und Besserung gelobte. Weil ich den Hickhack leid war, habe ich den Spieß einfach umgedreht: Ich lasse den Mitarbeiter in mein Büro kommen, biete ihm meinen Chefsessel an, setze mich ihm gegenüber auf die Besucherseite und sage ihm, dass wir jetzt die Rollen tauschen und er mir mitteilen müsse, was er mir als Vorgesetzter sagen würde, wenn ich den Fehler gemacht hätte, den er begangen hat.« Revolutionär: Der Chef hält keine Gardinenpredigt! Er schweigt – und lässt sich sogar selbst eine halten!

      Das Resultat: Die Mitarbeiter gehen regelmäßig viel härter mit sich ins Gericht, als das der Abteilungsleiter vorgehabt hatte. Und sie bringen gleich von sich aus Vorschläge, wie der Fehler künftig vermieden werden kann: Schweigen aktiviert! Aus diesem Grund gibt es auch den wesentlichen Unterschied zwischen Beratung und Coaching:

       Der Berater gibt Ratschläge, die kaum einer befolgt, weil sie nicht »passen«. Der Coach regt den Coachee fragend und schweigend an, selbst Lösungen zu entwickeln, die er danach auch umsetzt, weil es seine eigenen sind.

      Eltern, die den Mut haben, dieses Coaching-Prinzip bei der Erziehung anzuwenden, erzielen damit beeindruckende Erfolge. Neulich hat ein Bekannter seinen Sprössling sogar dazu gebracht, seine Schuhe in den Schuhschrank zu stellen, wenn er ins Haus kommt. Das hat er drei Jahre lang kein einziges Mal gemacht und sich in dieser Zeit sicher fünfhundert Ermahnungen anhören müssen. Diese hat der Papa sich irgendwann verkniffen und den Filius einfach nur gefragt, wie er es denn schaffen könne, künftig die Schuhe aufzuräumen. Dann schwieg er. Der Knirps meinte, er wisse es nicht. Der Papa schwieg weiter. Das fesselte den Verstand des Kleinen stärker als die ständigen Ermahnungen, bei denen er seit drei Jahren auf Durchzug stellte. Also dachte er sich etwas aus. Seither räumt er zumindest jedes fünfte Mal seine Schuhe auf. Ein großer Erfolg ohne große Worte.

      Coaching wäre ohne Schweigen nicht halb so erfolgreich

      Berater versuchen manchmal, Ratsuchende mit gut gemeinten Ratschlägen zuzudecken. Dabei sagt schon das Sprichwort: »Der schlimmste Feind von gut ist gut gemeint.« Coaches wissen das. Also stellen sie wenige Fragen, schweigen viel und lassen den Coachee ganz viel nachdenken. Wer schweigen kann, kann aktivieren.

      Das Vorsichts-Prinzip

      Der kluge Verhandler schweigt

      Wenn ich Verhandlungen führe oder ihnen beiwohne, dann beeindrucken mich immer die abgeklärten, souveränen und überlegenen Verhandlungspartner. Früher habe ich mich oft gefragt, was diese besser machen als die Greenhorns, die sich einen Misserfolg nach dem anderen einhandeln. Natürlich haben die alten Hasen manchmal die besseren Argumente und das größere Selbstbewusstsein. Doch sie reden auch weniger und prägnanter. Sie verschwenden keine Worte, geben jedem einzelnen Wort Gewicht. Mit weniger Worten kommen sie weiter. Sie brauchen weniger Worte für dasselbe Ziel – und schweigen den Rest der Zeit. Sie schweigen manchmal doppelt so oft und doppelt so lange wie die Plapperer, sind dafür aber auch doppelt so erfolgreich.

      Diese Fähigkeit zum Schweigen in Verhandlungen scheint auch ein Phänomen der Nationalität zu sein. Ein britischer Verhandlungsspezialist eines internationalen Bauunternehmens erzählte mir einmal, dass es schwierig sei, mit Japanern zu verhandeln: »Die verlangen alle halbe Stunde eine Pause, um sich mit ihrer Zentrale daheim abzustimmen.« Die Deutschen seien viel einfacher über den Tisch zu ziehen: »Auch wenn die Verhandlung schon lange die Kompetenzgrenze der deutschen Manager überschritten hat, verlangen die keine Denkpause, sondern verhandeln munter weiter – und reden sich um Kopf und Kragen.« Weil sie reden, anstatt zu schweigen.

      Dass es in Verhandlungen manchmal besser sein kann, zu schweigen als zu sprechen, wusste schon der römische Dichter Boethius, als er sagte: »Si tacuisses, philosophus mansisses.« Hättest du geschwiegen, wärst du ein Philosoph geblieben. Philosophen plappern nicht unüberlegt. Heute sind die Philosophen fast ausgestorben. Oder kennen Sie mehr als einen Menschen, der sich überlegt, was er sagt? Der seine Worte weise wägt, bevor er sie äußert?

       Bevor man etwas Dummes sagt, schweigt man besser.

      Das ist jedem klar. Warum machen es dann so wenige? Weil sie durch ihr Schweigen nicht den Eindruck erwecken wollen, ein wenig begriffsstutzig zu sein. Deshalb plappern sie lieber unüberlegt drauflos. Besser wäre, das Risiko anders auszuräumen, zum Beispiel mit einer Erklärung seines Schweigens: »Das muss ich mir erst einmal durch den Kopf gehen lassen.« Auf so einfache Sätze kommen wir meist nicht. Stattdessen quasseln wir munter drauflos und bereuen es hinterher. Wir tun das auch, weil die meisten Menschen glauben, sie könnten beides gleichzeitig: reden und denken. Das gilt für Routineüberlegungen. Man kann durchaus mit seinem Partner übers Wetter reden, während man sich eine Stulle schmiert. Doch wer das jemals wirklich getan hat, wird sicher bemerkt haben, dass er die Stulle sehr viel ordentlicher und schneller schmiert, wenn er dabei nicht gleichzeitig reden muss.

      Man kann nicht gleichzeitig reden und denken

      Wer sich diese Unvereinbarkeit vor Augen führt, der wird bald verärgert sein über seine eigene Gedankenlosigkeit beim Reden. Das ging bei mir so weit, dass ich selbst bei so einfachen Fragen wie »Wie geht’s dir?« erst einige Sekunden nachdachte und in mich hineinhörte, weil ich das gedankenlos-reflexhafte »Ja, danke, ganz gut und dir?« so satt hatte und so oberflächlich und unehrlich fand. Übrigens mit unerwarteten Auswirkungen auf meine Gesprächspartner. Die merkten instinktiv, dass ich eine ehrliche, überlegte Antwort gab, und waren dann ihrerseits auch bereit, so ehrlich und offen zu sein. Die Gespräche empfand ich damals als sehr angenehm (meine Gesprächspartner auch). Heute mache ich das nicht mehr ausnahmslos. Was uns einer weiteren Erkenntnis näherbringt:

       Sie müssen nicht immer schweigen. Sie können und sollen durchaus wählen zwischen Schweigen und Reden. Aber wenn Sie keine Wahl haben und immer unüberlegt drauflosreden, haben Sie ein Problem. Nämlich mit Ihrer Wirksamkeit.

      Auch

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