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Menschen lernen, der Versuchung der vorschnellen Rede zu widerstehen. Eine Abteilungsleiterin zum Beispiel, die für ihre resolute Art bekannt ist, gestand mir: »Wenn der Streit jedes konstruktive Niveau verlassen hat, schweige ich oft gezielt und ausdauernd. Das hilft immer!« Warum? »Na, versuchen Sie doch mal mit einer zu streiten, die keinen Ton sagt. Das wirkt.« Entweder rennt der Streithahn zur Tür hinaus, was gut ist. Oder er beruhigt sich, wird weniger persönlich und etwas sachlicher – was noch viel besser ist. Aber Vorsicht:

       Wer schweigt, sollte das niemals provokant oder trotzig tun.

      Denn in dieser Form eskaliert das Schweigen selbstverständlich jede Kommunikation und führt zur Beziehungsbeschädigung. Ist das nicht erstaunlich? Man kann auf verschiedene Arten schweigen! Nämlich konstruktiv oder destruktiv. Geben Sie Ihrem Partner nie das Gefühl, dass Sie ihn anschweigen, schweigend anstarren, mit verschränkten Armen und verkniffenem Gesicht (Körpersprache!) auflaufen lassen, boykottieren. Vermitteln Sie ihm immer, dass Sie schweigend bei ihm sind, dem Gespräch folgen, sich Ihre Gedanken über ihn und das Gesprochene machen. Mit dieser Empfehlung im Hinterkopf können Sie sogar Schweigeregeln brechen. Eben sagten wir, dass man niemals auf eine Frage hin schweigen sollte. Selbst das ist erlaubt und wirkt überraschend gut, wenn Sie dabei die Beziehung wahren.

      Es gibt einen unterschied zwischen trotzigem und zugewandtem Schweigen

      Eine Hausfrau, Mutter und Gattin berichtete mir in einem Seminar über etwas, das viele Ehefrauen kennen: »Mein Mann kommt jeden Abend heim, grüßt mich und die Kinder, fragt uns, wie es geht, und erzählt dann von seinem Tag. Ich komme oft gar nicht dazu, von unserem Tag zu erzählen, weil sein Beruf natürlich viel spannender ist und mehr Geschichten hergibt. Also habe ich vorgestern zum ersten Mal auf seine Frage nicht mit dem üblichen höflichen ›Ja, gut, und dir?‹ geantwortet, sondern mich ihm einfach nur zugewandt, gelächelt und geschwiegen.« Es hat eine Weile gedauert, bis der Gatte das unerwartete Schweigen einordnen konnte, doch danach fragte er besorgt: »Schatz, was hast du? Ist etwas passiert?« An diesem Abend hörte er ihr zu. Wenigstens bedeutend länger als sonst üblich. Warum? Warum wirkt Schweigen oft so viel besser als Reden?

      Warum Schweigen wirkt

      Es ist ganz erstaunlich, wie viele gute Gründe es für die hohe Wirksamkeit von Schweigen gibt. Betrachten wir im Folgenden die stärksten Wirkfaktoren.

      Der Überraschungs-Effekt

      Schweigen überrascht

      Alles Ungewöhnliche wirkt ungewöhnlich gut. Und in einer plapperhaften Welt ist Schweigen wirklich das Ungewöhnlichste, was ein Mensch in einer Kommunikation erleben kann. Nehmen wir den Chef des Sachbearbeiters, den ich oben erwähnte. Der erwartet doch im fünfhundertsten Streit zweifellos, dass der Sachbearbeiter ihm wie 499 Male zuvor wieder das Leben schwer machen und ständig widersprechen wird. Und dann tut er das nicht! Wenigstens viel seltener als vorher. Das überrascht den Chef. Und verunsichert ihn. Und wer verunsichert ist, der tritt für gewöhnlich auf die Bremse. Schweigen nimmt jedem Konfliktgegner den Wind aus den Segeln. Weil er sich aufs Streiten eingestellt hat. Das Schweigen überrascht ihn erst einmal.

      Der Spielabbruch-Effekt

      Schweigen verhindert Sprachspiele

      Nehmen wir an, ich sage zu Ihnen: »Allein der Umstand, dass Sie dieses Buch lesen, beweist, dass Sie ein mieser Kommunikator sind!« Sie würden mir vehement widersprechen? Dann hätte ich schon gewonnen. Denn wenn Ihnen jemand einen Vorwurf macht, dann ist sein vordergründiges Ziel immer die Provokation. Und wenn Sie sich verteidigen, gehen Sie auf die Provokation ein. Das ist so vorhersehbar wie ein Brettspiel. Deshalb nennen es die Transaktionsanalytiker auch tatsächlich ein Spiel. Es gibt Dutzende solcher Kommunikationsspiele: Vorwurf – Rechtfertigung, Behauptung – Rechthaben, Anschuldigung – Kadi einschalten, Jammern – Trösten, Drohen – Zurückschlagen, … John Badham drehte mit dem jungen Mathew Broderick einst den Film War Games, in dem ein Computer im Pentagon die Welt zu vernichten drohte, weil er auf einen atomaren Zwischenfall mit dem atomaren Gegenschlag reagieren wollte: Zug – Gegenzug. Auch der dritte Weltkrieg wird ein Spiel sein. Im Film legte der junge Protagonist dem Computer daraufhin mithilfe einer Metapher logisch nachvollziehbar dar, was der Computer dann so formulierte: »A funny game. The only winning move is not to play.« Diese zentrale Erkenntnis der Transaktionsanalyse gilt für sämtliche Kommunikationsspiele: Wer mitspielt, hat schon verloren. Wer sich provozieren lässt, hat schon verloren. Wer auf eine Anschuldigung mit Rechtfertigung reagiert, hat schon verloren. Wer auf eine Drohung mit einer Gegendrohung reagiert, hat schon verloren. Nämlich die Nerven und die Transaktion.

       Schweigen hat so große Wirkung, weil es Sprachspiele unterbricht.

      Wir spielen ständig solche Spiele! Rund 90 Prozent der Kommunikation unter Menschen dienen irgendwelchen offenen oder versteckten Spielen. Niemand sagt bloß: »Mach bitte die Tür zu!« Immer schwingt dabei mit »Wie kannst du sie offen stehen lassen?« oder »Ich bin krank, ich vertrage keinen Zug!« oder »Warum muss immer ich die Tür zumachen, wenn du sie offen stehen lässt?« Gehe ich auf diese versteckten Botschaften ein, dann stecke ich schon mitten im Spiel. Was andererseits erklärt, warum uns Schweigen oft so schwerfällt.

      Wer sich ködern lässt, kann nicht schweigen

      »Du blöde Zicke!« – »Selber blöd!« Das geht so automatisch, dass wir meist gar nicht bemerken, dass wir eben schon wieder auf ein Sprachspiel hereingefallen sind. Wir sind buchstäblich geködert worden. Der Köder ist unser verletztes Selbstwertgefühl. Wir fühlen uns verletzt – und schlagen verbal zurück. Nicht, weil unsere Reflexe schneller waren als unser Großhirn, sondern weil wir den Köder nicht als solchen erkannt und prompt geschluckt haben.

       Wenn Sie im richtigen Moment nicht schweigen können, dann fallen Sie auf zu viele Köder herein.

      Natürlich benötigt es etwas Übung, solche Köder zu erkennen. Doch die Übung zahlt sich schnell aus, wie mir eine Innendienstleiterin berichtete: »Dem Schmitz stinkt es, dass ich als Frau seine Vorgesetzte bin. Ständig wirft er mir durch die Blume Inkompetenz vor. Früher habe ich mich verteidigt. Wir stritten oft. Dabei kam natürlich nie etwas heraus, außer Frust und Zeitverlust. Heute erkenne ich den Köder. Der macht das nur, um mich auf die Palme zu bringen. Den Gefallen tu ich ihm nicht mehr. Ich überhöre ihn einfach. Manchmal macht ihn das noch wütender – was mir recht ist. Aber genauso oft gibt er es auf, weil er merkt, dass ich mich nicht mehr provozieren lasse.« Schweigen verhindert dumme Büro- und Familienspiele, bei denen alle nur verlieren können, selbst der Aggressor.

      Der Aktivierungs-Effekt

      Schweigen regt zum Denken an – Sie und Ihren Partner

      Neulich schaute ich einem Vater zu, der seinem Sohn Fußballunterricht gab. Der Kleine traf selbst aus fünf Metern Entfernung kein Scheunentor. Der Papa, wohl selbst begnadeter Fußballer, war schon außer Atem vor lauter Ratschlägen: »Oberkörper nach vorne, Standbein ausstellen, mit den Armen balancieren, mehr Vollspann, nicht so schwach …!« Es war hoffnungslos. Der Kleine drosch die Bälle einen nach dem anderen in die Pampa. Mir tat der Papa aber mehr leid. Mit hochrotem Kopf war er dem Infarkt nahe. Nicht sein Intellekt, sondern die blanke körperliche Ermüdung rettete ihn. Er sagte frustriert immer weniger, schwieg immer öfter – und der Sprössling machte es immer besser. Irgendwann fragte er sogar: »Wie kriege ich den Ball jetzt halbhoch?« Der Papa, früher wohl Libero, war clever genug, aus seinem Fehler zu lernen, und fragte zurück: »Wie würdest du es denn versuchen?« Der Junge meinte, er wolle den Oberkörper beim Schuss

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