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      »Spinnst du? Darauf lege ich es nicht an. Nein, ich plane nicht so weit in die Zukunft. Ich will, dass er sich in mich verliebt. Dann bin ich zufrieden.«

      Susanne wusste nicht recht, was sie davon halten sollte. Sie kannte die Freundin gut genug, um zu wissen, dass diese nicht nur angab oder sich wichtig tat, sondern es wirklich so meinte. Und ihr war klar, dass dies eine Menge Ärger bedeutete…

      Christian Neumann, der junge Lehrer, der in St. Bartholomä Geschichte und Geographie gab, ahnte nicht, welche dunklen Wolken sich da über seinem Kopf zusammenbrauten. Er lebte seit kurzem mit seiner Frau Sabine in Wildenberg, wo sie sich ein kleines Häuschen mit großem Garten gekauft hatten. Sie stammten beide aus der Gegend, waren bodenständige Menschen und fühlten sich in ihrem blühenden Paradies sehr wohl.

      Seit Christian wusste, dass er bald Vater wurde, war sein Glück perfekt. An diesem sonnigen Sommertag hatte der junge Mann bereits tüchtig im Garten gearbeitet und saß nun mit Sabine zusammen auf der Terrasse. Sie tranken Kaffee, genossen den frisch gebackenen Mohnstrudel und bewunderten ihr gemeinsames Werk, denn auch die junge Lehrersfrau machte sich gerne draußen nützlich.

      »Der Nutzgarten macht sich, in den nächsten Tagen kannst wieder Bohnen und Salat ernten«, sagte Christian zu seiner Frau. »Und

      ab nächster Woche geht’s an die Kirschernte. Mei, ist das net schön? Wenn wir uns noch ein Wutzerl und ein paar Hühner halten würden, könnten wir uns gleich selbst versorgen.«

      »Ich fürchte nur, dann müssten wir Vegetarier werden. Oder denkst, du kannst einem Hühnderl den Hals umdrehen? Von einer Wutz ganz zu schweigen…«

      Der sportliche blonde Mann mit den tiefblauen Augen schaute Sabine kurz an, dann musste er herzhaft lachen. »Recht hast, wie immer. Manchmal komme ich halt ins Spintisieren, wenn ich mir die ganze Pracht hier anschaue.«

      »Bist eben mit ganzem Herzen dabei«, stellte die junge Frau wohlwollend fest. »So soll es sein. Aber ich würde gerne mal über was anderes mit dir reden, Chris. Darfst mir nur net bös’ sein. Versprichst es?«

      »Wie könnte ich dir böse sein, mein Engerl?« Er drückte ihr ein verliebtes Busserl auf die blühenden Lippen und nahm ihre Hände in seine. »Was hast denn auf dem Herzen? Nur heraus mit der Sprache, ich höre dir zu.«

      »Also, schau, ich weiß, wieviel dir die Anstellung im Internat bedeutet. Und ich hab’ mich ja auch gefreut, als es geklappt hat. Schließlich ist es net leicht, an so einen Job zu kommen.«

      »Und er hat uns das Häusel eingebracht. Mit Jobben und Aushilfe allein hätte ich das kaum geschafft«, gab er zu bedenken, denn er ahnte bereits, worauf sie hinaus wollte.

      »Das stimmt natürlich. Aber manchmal frage ich mich, ob es denn unbedingt ein Mädcheninternat hat sein müssen. Versteh’ mich net falsch, ich will dir gewiss nix unterstellen. Aber in so einer Umgebung ist ein fesches Mannsbild wie du halt ständig gewissen Versuchungen ausgesetzt, das kannst net leugnen.«

      Christian musste schmunzeln. »Ich weiß es zu schätzen, dass du allerweil noch eifersüchtig sein kannst, Engerl. Aber du musst dir keine Sorgen machen, es besteht nicht die geringste Gefahr. Auch wenn ich zugeben muss, dass die Madeln heutzutag’ schon recht kess daherkommen. Und manch eine legt es freilich darauf an, mit ein bissel nacktem Fleisch bessere Noten zu kriegen. Aber da sind die Damen bei mir an der falschen Adresse, das haben sie gewiss schon alle gespannt.«

      »Ach, Chris, ich mag es gar net, wennst so daherredest.«

      »Hast denn kein Vertrauen mehr zu mir? Ich dachte, darüber müssen wir uns nimmer unterhalten. Und wir haben doch auch zusammen die Entscheidung für Sankt Barth getroffen.«

      Sabine nickte. »Ja, das stimmt natürlich. Ach, vergiss einfach, was ich gesagt hab’. Ich möchte nicht, dass zwischen uns eine Missstimmung aufkommt. Nur manchmal, da…«

      »Ja? Sprich nur aus, was dir durch den Sinn geht, Liebes. Ich möchte nicht, dass sich da was aufstaut, das würde unserer Ehe nur schaden. Reden kann man schließlich über alles, gelt?«

      »Na schön, dann will ich es dir sagen. Als wir geheiratet haben, da bist Taxi gefahren und ich hab’ im Supermarkt gearbeitet. Für dich war das nur ein Übergang, aber ich hab’ eben net mehr gelernt. Und wenn ich mich jetzt hier so umschaue, dann kriege ich manchmal richtig Angst. Dann sag ich mir, dass mir soviel eigentlich gar net zusteht. Ein Mann wie du, so ein schönes Haus mit Garten… Dass du eigentlich eine ganz andere Frau brauchst, eine, die zu dir

      passt, verstehst?«

      »Na, wirklich net. Weil ich die nämlich schon hab’. Und um nix in der Welt würde ich sie fei wieder hergeben.« Er nahm Sabine in den Arm und küsste sie innig. »Ich hab’ dich von Herzen lieb, mein Engerl. Und ich möchte nie wieder so was Dummes von dir hören. Du bist für mich der wichtigste Mensch auf der Welt. Wenn es dir net recht ist, dass ich im Mädcheninternat arbeite, dann werde ich mich eben nach einer anderen Anstellung umschauen.«

      »Aber, Chris, das geht doch net…«

      Er lachte jungenhaft. »Alles geht, wenn man sich lieb hat. Ich will ja nur, dass du zufrieden bist. Dann bin ich es auch, ganz egal, wo und wie wir zwei, respektabel wir drei, bald leben.«

      »Das hast schön gesagt.« Die junge Frau atmete ein wenig auf und schmiegte sich in die Arme ihres Mannes. Wenn Christian so bei ihr war, dann fühlte sie sich vollkommen glücklich, und es gab nichts, was dieses Glück trüben konnte. Aber leider war Sabine eben auch oft allein. Dann kamen die Zweifel. Und mit ihr die Angst, ihr besonderes Glück wieder zu verlieren. Sie bemühte sich, nicht darüber nachzudenken, denn sie ahnte, dass ihr Leben ohne Christian ganz sinnlos wäre…

      *

      »Was ist denn los? Wo bleiben Sie so lange? Ich brauche weitere Spritzen. Das Serum neigt sich auch dem Ende zu!« Dr. Tom Kennedy feuerte die leere Schachtel in eine Zimmerecke. »Frau Kollegin, Tempo, bitte!« Der schottische Arzt verabreichte im Minutentakt Spritzen, der große Krankensaal der Missionsstation Holy Spirit im ruandischen Hochland war bis auf das letzte Bett belegt. Seit Tagen kamen neue Fieberfälle hinzu, es gab kaum noch Platz auf der Station. Die Nonnen, die hier lebten und arbeiteten, waren bereits zusammengerückt, um weiteren Stauraum zu schaffen.

      »So schlimm war es noch nie«, murmelte Oberschwester Mary, die gerade mit einem Tablett voller Medikamente vorbeiging. »Es sieht schon fast nach einer Epidemie aus. Ich begreife nicht, dass es trotz der Impfaktionen so weit hat kommen können…«

      »Das Fiebervirus ist mutiert, dagegen hilft unser altes Serum nicht«, knurrte der Hüne mit dem brandroten Haar. »Verdammt noch mal, wo bleibt die Sörensen? Ich habe keine Spritzen mehr!«

      »Ich sehe rasch nach.« Die farbige Nonne stellte ihr Tablett ab und eilte in die Medikamentenkammer. Sie fand Grete Sörensen zusammengesunken auf dem Boden. Ihre Stirn glühte, und sie war ohne Bewusstsein. Mary legte die schmale Person auf eine Liege und kehrte dann mit Spritzen und neuem Serum zu Dr. Kennedy zurück. Eher beiläufig ließ sie ihn wissen: »Es hat Frau Doktor Sörensen ebenfalls erwischt. Sie liegt in der Medikamentenkammer und ist ohne Bewusstsein.«

      Tom Kennedy hob leicht die Augenbrauen. »Hat sie was genommen?« Er brauchte seine Worte nicht zu konkretisieren, denn Schwester Mary wusste, was gemeint war. Dr. Sörensen war nicht sonderlich beliebt auf der Station, nachdem sie versucht hatte, Julia Bruckner wegzumobben. Dass sie zudem krankhaft ehrgeizig war und ein Problem mit Medikamenten hatte, machte die Situation für alle Beteiligten nicht eben einfacher.

      »Kann ich nicht sagen.« Schwester Mary nahm ihr Tablett wieder auf. »Aber es muss wohl so sein, sonst hätte das neue Serum sie vor einer Ansteckung geschützt, nicht wahr?«

      »Ich dachte, eine fromme Schwester darf nicht hämisch sein.« Tom Kennedy musste grinsen, als Mary ihn nur mit einem sehr ausdrucksvollen Blick bedachte und sich dann entfernte.

      Der Schotte schaute sich nach Julia Bruckner um und fand sie auf der Terrasse, wo sie die leichteren Fälle ambulant behandelte. »Sehen Sie bitte mal nach der Kollegin Sörensen. Schwester Mary sagt, es hat

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