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       Der Kochkünstler weiß, wie Schnitzel zu Kunst wird

       PETER KUBELKA

       Wiener Schnitzel und seine Beilagen

       Die Original-Rezepte des Meissl & Schadn

       JÜRGEN GSCHWENDTNER

       Österreichisch-Deutsch-Glossar

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       Meissl & Schadn = Wiener & Schnitzel

      Wenn es eine Speise zum kulinarischen Wahrzeichen einer Stadt gebracht hat, dann ist es nur recht, ihr einen Tempel zu bauen, in dem sie nach allen Regeln der Kunst zelebriert wird. Für viele weltberühmte Delikatessen gilt das schon längst: Für das einzig wahre Carpaccio etwa, das es eben nur in Harry’s Bar in Venedig geben kann, für die wahrhaftige Bouillabaisse des legendären „Petit Nice“ in Marseille oder das Steak „Café de Paris“ des gleichnamigen Etablissements in Genf.

      Bei uns in Wien kann man an vielen Orten herausragend wienerisch essen. Was in der Welthauptstadt des Wiener Schnitzels aber lange gefehlt hat, ist eine Adresse, die sich über dieses einzigartige Gericht definiert und es mit Hingabe und Achtsamkeit auf jenes Podest hebt, das ihm gebührt. Im Meissl & Schadn am Schubertring stellen wir uns dieser noblen Aufgabe.

      In gewisser Weise steht das Restaurant mit dem traditionsreichen Namen nämlich für die ideale Erinnerung an alles, was die Wiener Küche einst groß und berühmt gemacht hat. Das Wien der Jahrhundertwende, in dem das historische Hotel und Restaurant Meissl & Schadn 1896 eröffnet wurde, war so etwas wie das Zentrum der Welt. Einst waren die großen Geister ihrer Zeit, von Stefan Zweig und Gustav Mahler bis zu Arthur Schnitzler und Sigmund Freud zu Gast, weil die Wiener Küche hier mit exemplarischer Eleganz und Leichtigkeit zu Tisch kam. Auch heute freuen wir uns, dass Künstler und Kreative das Meissl & Schadn schätzen – einige haben auch dieses Buch mitgestaltet.

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      Aber zurück zum Wiener Schnitzel: Es wird im Meissl & Schadn nicht irgendwo hinten in der Küche gefertigt, sondern am schönsten Ort des Etablissements: mitten im Gastraum, mit großer Auslage zum Schubertring. Es darf und soll jeder sehen, ob auch so gewissenhaft und sauber gearbeitet wird, wie man sich das als Gast und Gastronom gleichermaßen wünscht. Die Hintergrundmusik im Restaurant wird seitdem vom rhythmischen „tock, tock, tock!“ des Schnitzelklopfers bestimmt, einem Geräusch, das nicht nur bei Wienern sofortige Appetitsteigerung auslöst. Dass man sich gleichzeitig auch den einen oder anderen Kniff für das Schnitzel daheim abschauen kann, ist ein durchaus nicht zufälliger Nebeneffekt.

      Doch das Wiener Schnitzel ist in Wirklichkeit viel mehr als nur das berühmteste Gericht der Wiener Küche. Es ist längst zu einer Ikone des österreichischen Seins geworden und hat Dichter und Künstler inspiriert. Deshalb schien es uns hoch an der Zeit, dem spezifisch österreichischen Faszinosum des Gebackenen auf den Grund zu gehen und dem Wiener Schnitzel ein Buch zu widmen, das seine Herrlichkeit und Anziehungskraft in allen Facetten beleuchtet. Manche behaupten schließlich, dass der Wiener eine geradezu religiöse Beziehung zum Schnitzel habe. Einige der Texte in diesem Buch scheinen das nahezulegen. Ob’s stimmt, muss jeder für sich bestimmen, amüsant aber ist es in jedem Fall. Ich darf Ihnen in diesem Zusammenhang die „10 Gebote des Wiener Schnitzels“ ans Herz legen, die Wolfgang Kralicek auf Seite 48 ff. formuliert hat!

      In diesem Sinne wünsche ich Ihnen viel Vergnügen mit den Texten. Falls Sie zwischendurch ein unbändiger Schnitzelhunger packt, dann stehen wir bereit. Wenn Sie selbst Hand anlegen wollen: Ab Seite 160 sind die Originalrezepte des Meissl & Schadn in allen Details ausgeführt.

      Guten Appetit!

      Ihr Florian Weitzer

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       Was ein echter Wiener ist, hat eine religiöse Beziehung zu seinem Schnitzel - behauptet

       SEVERIN CORTI

       Schnitzel ist Religion

      Wenn der Pfarrer in der Sonntagsmesse den heiligen Ritus der Wandlung zelebriert, dann hebt er das Brot mit den Worten „Dies ist mein Fleisch“. Für ordentlich katholische Wiener – und die erdrückende Mehrheit ist zumindest als solche groß geworden – erscheint diese Wandlung keineswegs so wundersam wie für den Rest der Menschheit. Schließlich gehört es zum Wesen des definierenden Gerichts ihrer Heimatstadt, zwar wie Brot auszusehen, tatsächlich aber Fleisch zu sein. Im Wiener Schnitzel wird der zentrale Glaubenssatz des Christentums Realität, zumindest aus kulinarischer Sicht: Aus Fleisch Brot zu machen – oder war es umgekehrt? – ist für einen Koch in Wien sozusagen tägliches Geschäft.

      Der Katholizismus mit seinen zahlreichen Fastenregeln und der durchaus definierenden Aversion gegen die allzu fleischlichen Freuden des Lebens erwies sich in Wien aber auch aus einem anderen Grund als idealer Nährboden, um einer Köstlichkeit wie dem Schnitzel ans Licht zu helfen: In die Hülle aus Ei und Brösel gepackt wird die Sünde des Fleisches gnädig verhüllt, sodass sie keusch und doch knusprig den Gaumen des Genießers erfreue. In Wien wird nämlich bei Gott nicht nur Fleisch in Ei und Brösel gehüllt herausgebacken: Von Fisch über Leberkäse und sogar Wurst bis zu dicken Ziegeln vom Emmentaler Käse, von allerhand Gemüse wie Karfiol (vulgo Blumenkohl), Spargel, Champignons oder blanchiertem und in Scheiben geschnittenem Knollensellerie bis zu Gulasch und Frikadellen wird in Wien so gut wie alles paniert, was bei drei nicht auf den Bäumen ist. In Zeiten, da die Fastengesetze noch etwas galten, war dem Verwirrspiel somit Tür und Tor geöffnet – wer konnte schon sicher sein, ob das goldbraun panierte Etwas, das der Nachbar am Fasttag so lustvoll zu einem Teil seiner Selbst machte, nun wahrhaftig kein Fleisch war?

      Aber auch sonst bietet das Wiener Schnitzel, diese aus Kalbfleisch, Mehl, Ei und Weißbrotbröseln (sowie, ganz wichtig, reichlich Frittierfett) bestehende Legende der österreichisch-ungarischen Küche Stoff zur religiösen Auseinandersetzung. Nicht wenige Wiener würden sogar dafür plädieren, ihm den Status einer eigenen Religion zu verleihen, inklusive Gotteslästerung, Schisma und allem, was dazugehört. Daraus zu schließen, dass es sich um einen biblischen Tanz um das Goldene Kalb handle, nur weil das Wiener Schnitzel aus Kalbfleisch besteht und, wenn korrekt paniert, einen goldenen Schimmer hat, wäre freilich zu billig. Während der Rest der zivilisierten Welt sich dem Schnitzel nicht mehr als zwei-, dreimal im Jahr hingibt, tut dies der durchschnittliche Wiener zwei-, dreimal die Woche. Dementsprechend familiär ist sein Umgang mit dem Allerheiligsten: Im täglichen Sprachgebrauch wird das Wiener Schnitzel denn auch zum Bröselteppich oder gar Bröselfetzen verunglimpft – erst in der Gotteslästerung wird die Kraft des Glaubens schließlich offenbar.

      Schön langsam aber wird es Zeit zu definieren, was genau das Objekt der Anbetung eigentlich darstellt und wie es orthodox zuzubereiten ist. Das Ausgangsmaterial ist eine nicht zu dünn, aber keinesfalls dick geschnittene, etwa 140 Gramm schwere Scheibe aus dem Schlögel des Milchkalbs, konkret aus den nach Wiener Fleischhauer-Tradition Fricandeau, Nuss oder Schale genannten Teilstücken. Dieses Schnitzel wird mittels Plattiereisen oder der nicht schraffierten Seite eines Schnitzelprackers (vulgo Fleischhammers) auf etwa einen halben Zentimeter Dicke geklopft. Keinesfalls dünner, da es ansonsten beim Backen austrocknet und zu nichts weiter als einer faserigen Trägermasse für die Panade aus Mehl, Ei und Bröseln würde. Diese wird auf gut Wienerisch

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