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die Meister Eckhart beschäftigt und die auch Broch in seinem Roman stellt. Beide stimmen darin überein, dass es etwas im Menschen gibt, das ewiges Leben hat. Beide sind auch Platoniker in dem Sinne, dass sie in der vergänglichen Kreatur die unvergänglichen Urbilder zu erkennen suchen, wobei das vollkommene Sein, das Göttliche, an sich nicht zu begreifen ist. Die These Eckharts, dass man Göttliches als „Fünklein im Seelengrunde“ (KW 1, 532; KW 6, 65) schweigend erspüren könne, findet sich wiederholt im fiktionalen wie essayistischen Werk Brochs.

      In einem frühen Brief von 1925 formuliert Broch Gedanken zum Zusammenhang von Tod, Unsterblichkeit und Erkenntnis. Er unterscheidet nicht lediglich zwischen Körper und Seele, sondern kennt ein Körper-Ich und ein Denk-Ich. Während ersteres sterblich sei, könne man bei letzterem nicht im gleichen Sinne von einem Ende durch den „Tod“ sprechen. Im „Ich-Bewusstsein“ liege vielmehr – das erinnert an Platons Phaidon – „der logische Rückhalt eines jeden Unsterblichkeitsglaubens“. Würde das Ich-Bewusstsein „vom Körperlichen losgelöst sein und faktisch die gesamte Wirklichkeit [...] erkennen können, so hätte es das Bewußtsein eines Gottes“ und müsste als solches „unsterblich“ sein. Das sei zwar unmöglich, doch nähere sich das Bewusstsein mit jedem Schritt „in der Erkenntnisarbeit“ diesem „Ziel“ an. Daher rühre „das unerhörte Glücksgefühl“, wenn man eine „neue Erkenntnis“ gefunden habe. „Ich bin fest überzeugt“, schreibt Broch in diesem Brief von 1925, „daß ein stetes Arbeiten um die Erkenntnis der Welt am Schluss des Lebens nicht verloren geht, nicht nur, weil man der Welt eine neue Erkenntnis gebracht hat, die unverloren bleibt, sondern weil sich das Ich eine Annäherung an die Unsterblichkeit erkämpft hat.“ (KW 13/1, 63)

      Broch weicht hier offensichtlich von der Unsterblichkeitsvorstellung der christlichen Erlösungsreligion ab. Nicht gute Werke im Sinne der Parabeln und Gebote Christi oder der Gnadenakt Gottes vermitteln ein ewiges Leben der Einzelseele, sondern die Erkenntnisleistung des indivuellen Ich-Bewusstseins. Gott ist gleichsam die Totalerkenntnis, und menschlich-partielle Erkenntnisdurchbrüche bedeuten für den erkennenden Menschen eine Annäherung an Gott und seine Ewigkeit. Im Tod des Vergil hat Broch diese elitäre, den Mitgliedern von Wissenschaft und Kunst vorbehaltene Aufnahme in eine Art Erkenntnishimmel ergänzt durch einen christlichen Weg hin zur Unsterblichkeit. Da geht es um Nächstenliebe, um faktische Freiheitserweiterung für andere. Während der sterbende Vergil weiß, dass sein literarisches Werk keinen Erkenntnisdurchbruch markiert, ist er sicher, dass er mit der Sklavenbefreiung den richtigen praktischen Schritt zur Entgrenzung der Ethik seiner Zeit getan hat.

      Beeinflusst durch Paracelsus entwickelte Leibniz seine Vorstellung der Monade, die den Mikrokosmos des Universums spiegelt und die Verbindung zur göttlichen Zentralmonade garantiert. Für die Leibniz-Generation war die Unsterblichkeit der Seele eines der großen philosophischen Themen. Die menschliche Seele wird als unzerstörbare Monade verstanden, die zu Gott als „Urmonas“ ein Verhältnis hat wie das Kind zum Vater und sich im Sinne der Vervollkommnung auf das göttliche Urbild hinentwickelt. Broch steht in einer Tradition des Leibnizschen neuplatonischen Denkens über Unsterblichkeit, da hier philosophische Überlegungen die theologischen abgelöst haben, ohne die Idee der Perfektibilität der Einzelseele aufzugeben.

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