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setzte er sich mit Feuereifer dafür ein, dass diese Neuausrichtung des Ordens auch nördlich der Alpen Fuß fassen konnte. Er engagierte sich vor allem im hochschulischen Kontext, half abgehalfterten Universitäten wie Ingolstadt und Wien wieder auf die Beine und überwachte die Übernahme von Lehrstühlen und ganzen Universitäten durch die Gesellschaft Jesu. Vor allem sorgte er in erster Linie im süddeutsch-österreichischen Raum für die Gründung zahlreicher Jesuitenkollegien, die mit Vorliebe an den verschiedenen Hochschulorten errichtet wurden. Diese Kollegien wurden zum Katalysator für die erfolgreiche Wiederbelebung des am Boden liegenden katholischen Schulwesens im römisch-deutschen Reich. Mit dem Großen Katechismus von 1555 verfasste er sogar selbst das wichtigste theologische Schulbuch für seine Studenten. Er war damals gerade 34 Jahre alt.

      Ähnlich atemlos – wenn nicht sogar noch atemloser – wie bis zu diesem Zeitpunkt ging es für ihn weiter. 1556 wurde er von Ignatius von Loyola in einem der letzten Erlässe vor seinem Tod im Juli dieses Jahres zum ersten Provinzial der neuerrichteten oberdeutschen Jesuitenprovinz ernannt. Als seinen Hauptsitz suchte er sich Augsburg aus, nach seiner Einschätzung eine „herausragende Burg, von der aus wir ganz Deutschland überblicken und unterstützen können unter Mithilfe Gottes“52. Das war eine Entscheidung mit Ansage: Nicht nur war nämlich der bei weitem überwiegende Teil der Bürger der Reichsstadt Augsburg protestantisch und das katholische Bekenntnis erst kürzlich durch militärischen Druck überhaupt wieder erlaubt worden. Vor allem war die Stadt als Ort des Augsburger Bekenntnisses von 1530 einer der wichtigsten symbolischen Erinnerungsorte des deutschen Protestantismus überhaupt. Punktgenau von hier aus wollte Petrus Canisius auch die Wiedergeburt des deutschen Katholizismus in die Wege leiten. Er sollte damit wider Erwarten erfolgreich sein.

      Seine Augsburger Jahre waren auch so etwas wie der Höhepunkt seines tätigen Lebens, mindestens von außen betrachtet. Das hatte nicht zuletzt damit zu tun, dass er in Augsburg ab 1559 auch sehr erfolgreich als Domprediger wirkte. Er war schon vorher ein beliebter Prediger gewesen, aber hier feierte er geradezu atemberaubende Erfolge. Schon nach einem Jahr wurden in Augsburg beinahe tausend Konversionen zur katholischen Kirche gezählt und für die als Finanziers und Bankleute weltberühmten und auch politisch höchst einflussreichen Augsburger Fugger wurde er eine Art familieneigener geistlicher Ratgeber.53 Der Augsburger Domdekan schrieb geradezu euphorisch an den Erzbischof von Mainz, Petrus Canisius habe „in so kurzer Zeit so glänzende und unverhoffte Erfolge bei der Regierung wie bei der städtischen Bevölkerung erzielt, […] daß sich das Angesicht Augsburgs veränderte.“54 Besonderes Aufsehen erregte er damit, dass die vorher protestantischen Fugger-Frauen unter seinem Eindruck zu heißblütigen Katholikinnen wurden. Im städtischen Klatsch und Tratsch wurde das je nach religiösem Geschmack entweder als ein regelrechtes Wunder verhandelt oder als Verführung schwacher Frauen durch die „weibische“ Jesuitensekte. Nach seinem nicht ganz freiwilligen Rückzug zuerst als Domprediger 1566 und dann als Provinzial 1569 wurden Dillingen, Ingolstadt und Innsbruck seine hauptsächlichen Wirkungsstätten. Damit begann bei allen anhaltenden literarischen Erfolgen, die er als nun quasi hauptberuflicher Autor mehr denn je feierte, doch auch so etwas wie ein Rückzug auf Raten.

      Dieser Rückzug auf Raten in den 1570er Jahren hatte besonders mit einem schmerzhaft bitteren Konflikt mit seinem Nachfolger als Provinzial Paul Hoffaeus zu tun.55 Petrus Canisius hatte Ende 1567 von höchster päpstlicher Stelle den Auftrag erhalten, gegen die berühmten Magdeburger Centurien des kämpferischen Protestanten Flacius Illyricus und seiner Mitstreiter anzuschreiben, in denen die Geschichte der katholischen Kirche und vor allem des Papsttums als eine unablässige Abfolge von Götzenkult, Blasphemie und Widergöttlichkeit dargestellt wurde. Um diesem Vorwurf fundiert zu kontern, griff er ganz massiv auf die personellen Ressourcen in der oberdeutschen Provinz zurück. Zahlreiche Mitbrüder hatten ihn über viele Jahre hinweg bei der Recherche, bei der Strukturierung und bei der Korrektur dieser Bücher unterstützen müssen, die 1571 und 1577 in Form eines Bandes zuerst über Johannes den Täufer und dann über die Jungfrau Maria erschienen. Paul Hoffaeus, mit dem er sich zeitlebens in einer sehr komplizierten Beziehung befand, sah das immer kritischer. Dem Orden wurden durch dieses Unternehmen seiner Meinung nach wertvolle Kräfte entzogen, die woanders viel dringender gebraucht würden. Die Stimmung zwischen den beiden verschlechterte sich von Jahr zu Jahr. Im Jänner 1578 beklagte sich Hoffaeus in einem Brief an den jesuitischen Ordensgeneral Everard Mercurian zum wiederholten Mal über diesen unmöglichen Petrus Canisius. Dieser sei mit seinen mehr oder weniger sinnlosen schriftstellerischen Abenteuern „die drückendste Last für diese Provinz durch acht oder neun Jahre“56 gewesen. Er war mit dieser Einschätzung nicht allein. Sogar Derick Canisius, der als Halbbruder von Petrus Canisius ebenfalls Jesuit geworden war, stellte fest, es sei „kaum zu glauben, wie sehr der gute Pater bei dieser Arbeit sich und zugleich viele andere abplagt und abquält“57.

      Dieser berühmte und einst höchst einflussreiche Jesuit war also im Laufe der 1570er Jahre nicht nur seinem Provinzial, sondern auch vielen anderen Mitbrüdern lästig geworden. Ein theologischer Streit zwischen Petrus Canisius und Hoffaeus um die Frage, ob es erlaubt sei, Zinsen zu nehmen,58 brachte dann das Fass zum Überlaufen.59 Während Hoffaeus das Zinsennehmen unter gewissen Umständen für theologisch legitim hielt, vertrat Petrus Canisius den mittelalterlichen Standpunkt, demzufolge Zinsen dem göttlichen Gebot widersprachen. Dieser konservative Standpunkt war in der anbrechenden Neuzeit kaum noch mehrheitsfähig und vergrämte zudem wichtige Förderer der Jesuiten wie die Fugger, die als Bankiers auf Zinsen angewiesen waren. Hoffaeus sah in Petrus Canisius dementsprechend eine endgültig untragbare Belastung für seine Ordensprovinz. Ihm blieb trotz römischer Protektion bis hinauf zum Papst schließlich nur noch der Rückzug aus dem innersten Zirkel der Macht in der oberdeutschen Jesuitenprovinz. Er ergab sich in seiner typischen Art und Weise in sein Schicksal. Schon Anfang 1578 hatte er an seinen Ordensgeneral geschrieben: „Ich anerkenne meine Schwäche und […] werde daher sehr gern dem Urteil des P. Provinzial beistimmen und den Rest meiner Tage im Frieden des Gehorsams und religiöser Einfachheit zubringen.“60 Diese Tage im Frieden des Gehorsams und der religiösen Einfachheit sollte er nach dem Willen von Provinzial Hoffaeus in Freiburg im äußersten Westen der oberdeutschen Jesuitenprovinz verbringen und damit so weit entfernt von ihm wie möglich.

      Ende 1580 war es dann schließlich so weit. In Begleitung des päpstlichen Nuntius Giovanni Bonomi trat Petrus Canisius seine letzte große Reise an. Er wurde nunmehr zwar im wahrsten Sinn des Wortes an den Rand gedrängt, aber er war auch als Exilant immer noch eine Berühmtheit, und das nicht nur in der katholischen Welt. Als er auf dem Weg nach Freiburg mit dem Nuntius einen Zwischenstopp im tiefprotestantischen Bern machte, wusste man dort sehr genau, mit wem man es zu tun hatte. Die Berner Stadtchronik bezeichnet ihn als „aller Jesuiteren Grossvattern“61, also als die Wurzel des Jesuitenübels, das die katholische Kirche in weiten Gebieten nördlich der Alpen fatalerweise wieder auf die Beine gebracht hatte. Er und sein Begleiter konnten von Glück sagen, dass die Berner Stadtväter es mindestens verhindern konnten, dass die aufgebrachte Volksmenge die beiden ohne langes Federlesen am Galgen aufknüpfte. Sie retteten sich mit Müh und Not und unter einem Regen aus faulem Gemüse aus der Stadt.

      Die Berner hatten in ihrer antikatholischen Erregung nicht Unrecht: Petrus Canisius war wirklich so etwas wie der Großvater der Jesuiten im deutschsprachigen Raum. Er war der Allererste aus dem Gebiet des römisch-deutschen Reiches gewesen, der in die Gesellschaft Jesu eingetreten war. Das war im Jahr 1543 gewesen. Von da an hatte er ohne Pause für die Verbreitung seines Ordens gearbeitet. Er hatte Kollegien gegründet, hatte Bischöfe und Fürsten als Unterstützer der jesuitischen Anliegen gewonnen und sich in Rom bei seinen Ordensoberen stur und nachdrücklich um mehr und immer noch mehr Jesuiten für die Aufgaben im deutschen Norden bemüht. Er hatte das mit solch unerbittlicher Regelmäßigkeit und Penetranz getan, dass seinem Ordensgeneral einmal der Kragen platzte. Francisco de Borja rügte ihn scharf und empfahl ihm mit unmissverständlichen Worten, dass er endlich „mit den Männern, die Ihnen nach Deutschland gesandt wurden, zufrieden sein“ sollte, weil ohnehin „keine Provinz freigebiger behandelt wird als die Ihrige“62. Aber Petrus Canisius war nicht zufrieden. Er warb auch weiterhin mit unermüdlichem Nachdruck darum, dass die römischen Jesuitenoberen nicht vergessen sollten, dass die Mission im häretischen Deutschland mindestens so wichtig sei wie die Mission im heidnischen Indien.

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