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Petrus Canisius. Mathias Moosbrugger
Читать онлайн.Название Petrus Canisius
Год выпуска 0
isbn 9783702239312
Автор произведения Mathias Moosbrugger
Жанр Документальная литература
Издательство Bookwire
Trotz eines früh eingeleiteten Seligsprechungsverfahrens wurde Petrus Canisius erst 1864 seliggesprochen, die Heiligsprechung erfolgte 1925. Das hielt die Freiburger Jesuiten nicht davon ab, sein Sterbezimmer bereits 1636 in eine Kapelle umzugestalten.
Es ist ein sehr schöner Zufall, dass man die Umrisse des Lebens von Petrus Canisius von seinem Geburtsort Nimwegen bis in seine letzte Lebensphase im schweizerischen Freiburg (und mehr als Umrisse waren es bisher nicht) anhand der beiden von ihm überlieferten Porträts entwerfen kann. Man kann dieses Leben mit ihrer Hilfe quasi aus seinem eigenen Blickwinkel ins Auge fassen, und zwar sogar zweimal. Einmal vom Blick nach vorn auf dem Jugendbildnis des Nimwegener Familienaltars aus den späten 1520ern: ein Blick, den der versonnene, noch nicht zehnjährige Peter Kanis mit seiner schon damals kaum zu bändigenden spirituellen Neugier in eine noch weitgehend ungewisse Zukunft wirft. Und dann vom Blick zurück auf dem Freiburger Altersbildnis des Kupferstichs aus den späten 1590ern: ein Blick, den der inzwischen berühmt gewordene alte Petrus Canisius auf ein intensiv gelebtes geistliches Leben auf der Bühne der frühneuzeitlichen Weltgeschichte wirft. Zwischen diesem erwartungsvollen Blick nach vorn und diesem resümierenden Blick zurück hat sich mehr abgespielt, als eigentlich in ein einzelnes Leben hineinpasst. Auf jeden Fall mehr, als man in ein möglichst kurz gefasstes biographisches Porträt über diesen Wanderer zwischen den Welten hineinschreiben kann. Versuchen wir es trotzdem.
Ein Beinahe-Kartäuser: Petrus Canisius und der mystische Drang nach innen
Aus Petrus Canisius wäre ein ganz ausgezeichneter Kartäusermönch geworden. Sein spiritueller Mentor Nikolaus van Essche, der ihn 1536 unter seine Fittiche genommen hatte, als er als kaum Fünfzehnjähriger zum Studium nach Köln gekommen war, dürfte schon sehr früh erkannt haben, dass er es mit einem jungen Mann zu tun hatte, dem es mit seinem Entschluss zu einem religiösen Leben blutig ernst war. Und wo hätte so jemand ernsthafter religiös leben können als in einem Kartäuserkloster!
Da war einmal die kompromisslose spirituelle Disziplin der Kartäuser, die der religiösen Leistungsbereitschaft des jungen Peter Kanis sehr entgegenkam. Peter Kanis war zutiefst davon überzeugt, dass zu einem echt religiösen Leben nicht nur das gläubige Vertrauen in die Gnade Gottes gehörte. Ein religiöses Leben umfasste auch und sogar in erster Linie die mühsame praktische Vorbereitungsarbeit auf diese Gnade Gottes. Martin Luthers vehement vertretene Option, dass man ganz von der „Leistungsfrömmigkeit“ weg- und „zur Glaubens- und Gnadenfrömmigkeit“98 hinkommen müsse, hat er dementsprechend für eine grundlegende Verirrung gehalten. Religion bedeutete nach seinem Verständnis vor allem unermüdliche harte Arbeit an sich selbst – eine Arbeit, die man nicht einfach durch den Verweis auf die alleinwirksame göttliche Gnade aushebeln durfte. Noch nicht zwanzigjährig hat er im Jänner 1541 in diesem Sinne an seine Schwester Wendelina geschrieben, „daß Gebete Deine vollkommene Besserung nicht bewirken werden, wenn Du nicht Dein träges Herz auf die Gnade vorbereitest, um die Du Gott bittest“. Es waren, wie er sie ermahnte, ernsthafte „geistliche Übungen“ notwendig, um „zu verkosten, wie süß und liebenswürdig Gott ist“99.
Das war nicht nur ein frommer (und etwas altkluger) Ratschlag an seine Schwester, das war auch der Grundsatz seiner eigenen religiösen Praxis. Während seiner Kölner Studienzeit hielt er sich in einem Merksatz dementsprechend immer und immer wieder selbst vor, dass rastloses „Streben und Mühen“ notwendig waren, wenn man wie er den Ehrgeiz hatte, „Gott gefallen zu wollen“100. Dieses Streben und Mühen beinhaltete dem katholischen Zeitgeschmack entsprechend auch körperliche Selbstdisziplinierung. Peter Kanis war hier ganz ein Kind seiner Zeit: Er griff ganz selbstverständlich auch auf Techniken der körperlichen Selbstdisziplinierung zurück, um in sich Neigungen abzutöten, von denen er vermutete, dass sie ihn von seinen geistlichen Ambitionen ablenken könnten. Sein teilweise exzessives Fasten ist vielfach belegt; schon als Kind hat er freiwillig ein härenes Büßerhemd getragen. Den postmodernen Kult um körperliche Gesundheit und Leistungsfähigkeit als Inbegriff eines gelungenen Lebens hätte er dementsprechend nicht verstanden. Ein gelungenes Leben war nach seiner Überzeugung vielmehr ein unermüdliches geistliches Leben auf der Suche nach Gott – und wenn einen körperliche Bedürfnisse von dieser Suche ablenkten, musste man selbstverständlich mit allen möglichen Mitteln gegen sie ankämpfen. Man konnte dabei eigentlich nicht streng genug sein. Was er 1586 im Alter von 65 Jahren an die adligen Stiftsdamen in Hall in Tirol schrieb, war auch schon in seiner Jugend seine tiefste Überzeugung gewesen: „Je strenger aber der mensch gegen jm selber ist […], souil mer thailt jme der gütig Got sein barmhertzigkhait, vnd verzeicht jme desto volkhumenlicher seine sind“101. Wirklich religiös zu leben, war harte Arbeit.
Die Kartäuser als die religiösen Spitzenathleten ihrer Zeit waren geradezu der Inbegriff dieser religiösen Leistungsbereitschaft des jungen Peter Kanis. Die üblichen Mönchsgelübde von Armut, Keuschheit und Gehorsam allein waren ihnen in ihrer religiösen Praxis seit jeher zu wenig gewesen: Das Leben eines Kartäusermönchs sollte grundsätzlich nichts anderes sein als eine große und unermüdliche geistliche Übung. Er musste sich zu diesem Zweck durch eiserne Selbstdisziplin ganz von der Welt abwenden und in immer neuen Anläufen bereitmachen für das eine große Ziel: die Begegnung mit Gott. Dabei durfte er sich von nichts und niemandem ablenken lassen – nicht von der sündigen und verdorbenen Welt, noch nicht einmal von seinen Mitbrüdern im Orden. Darum lebten, aßen, arbeiteten und beteten die Kartäuser im Wesentlichen allein. Sie waren keine Kirchenfürsten, keine Grundherren und auch keine Hofkapläne; sie waren keine Prediger, keine Seelsorger und auch keine Lehrer. Sie waren einsame Gottsucher, die bereit waren, sich rund um die Uhr nichts anderem zu widmen als einer rigorosen religiösen Praxis in Gebet, Meditation und geistlicher Lektüre. Diesem Programm war der Kartäuserorden, dieser „durch strenge Askese und Schweigegebot strengste Orden überhaupt“102, seit seiner Gründung am Ende des 11. Jahrhunderts und damit beinahe ein halbes Jahrtausend lang beharrlich treu geblieben, als Peter Kanis ihm in den 1530er Jahren begegnete. Andere Orden mochten regelmäßige und oft sehr schmerzhafte Reformen nötig haben, um immer wieder zu sich selbst und ihrer spirituellen Berufung zurückzukehren, weil sie sich zu sehr auf die Welt und zu wenig auf Gott eingelassen hatten; die Kartäuser nicht. Das wurde sogar sprichwörtlich: „Der Kartäuserorden wurde niemals reformiert, weil er niemals deformiert wurde.“103
Die Kartäuser waren für Peter Kanis aber nicht nur wegen ihrer außerordentlichen asketischen und spirituellen