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kann nicht alles sein“, erklärte er 2013 vor der BMW International Open in München bei einer denkwürdigen Pressekonferenz, zu der er ins Seehaus im Englischen Garten eingeladen hatte. Er brauche ein Stück deutsche Normalität, „ab und zu Wäsche, die nach Persil riecht“ oder Weihnachten „eine Gans essen mit Rotkohl und Knödel“. Und überhaupt wolle auch er „einmal Erdbeeren pflücken gehen wie alle anderen“.

      Es verging noch fast ein Jahr, bis sich das Blatt wieder wendete und aus Kaymer dem Haderer, wieder Kaymer der Sieger wurde.

      Als der Wechsel kommt, ist er wieder einmal fulminant. Der Deutsche gewinnt 2014 zuerst die Players Championship in Ponte Vedra Beach in Florida und legt dann noch den Sieg bei der U.S. Open in Pinehurst nach. Er ist zurück in der Weltspitze, mit zwei Majorsiegen einer der Besten, die Europas Golfszene aufzubieten hat. Und in Deutschland hofft man, der Glanz der Siege Kaymers könne ein wenig auf die ganze Sportart abfärben und dieser mehr Präsenz sowohl im Fernsehen als auch in der breiten Öffentlichkeit verschaffen.

      Kaymer ist längst Profi, was diese Erwartungshaltungen anbelangt. Bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro 2016 lieferte er eine erstklassige Vorstellung als Golfbotschafter ab. Bei der Eröffnungsfeier im Maracana-Stadium schob man den 31-Jährigen im deutschen Sportlerteam in die vorderen Reihen, damit ihn auch alle Fernsehzuschauer sahen. Golf mag in Rio de Janeiro ein relativ neuer Sport bei den Olympischen Spielen gewesen sein – der Golfer Martin Kaymer aber hatte im deutschen Fernsehen einen weit höheren Wiedererkennungswert als jeder Ruderer oder Leichtathlet.

      Für ihn selbst waren die Olympischen Spiele einer der Höhepunkte seiner Sportkarriere. All die anderen Sportler und Sportarten so nah zu verfolgen, das war ganz sein Ding. „Wenn da die Nationalhymne von allen Sportlern gesungen wird, das ist schon noch was anderes“, gab er zu. Eine Gänsehaut habe er bekommen. Der Golfer Kaymer – eigentlich verankert in seiner Individualsportart – spürte bei Olympia den Reiz einer Teamveranstaltung.

      Emotionen wie diese hat er sonst nur beim Ryder Cup kennengelernt, den er von 2010 bis 2016 vier Mal in Folge spielte. Ein überaus emotionaler Spieler war er auch da nie, keiner, der wie die Kollegen Rory McIlroy oder Ian Poulter aufgepumpt vom Adrenalin über die Fairways stürmte. Trotzdem war gerade er es, der 2012 in den USA den entscheidenden Putt zum Sieg Europas lochte, als er in seinem Einzel Steve Stricker besiegte. Der Rausch der Gefühle, den man im Anschluss bei dem Deutschen beobachten konnte, war ungewöhnlich. In die Deutschlandfahne gehüllt, ließ er sich feiern, jubelte Fans und Freunden zu. Es war ein ungewöhnlicher Emotionsausbruch für einen, der stets versucht, während seines Jobs als Golfprofi möglichst wenig nach außen dringen zu lassen.

      Nach mehr als 15 Profijahren gibt es längst den Golfer Kaymer und den Privatmann Kaymer, beide fein säuberlich getrennt. Der Sportler ist zwischendrin sogar aus den Top 150 der Weltrangliste gefallen, hat seinen letzten Turniersieg 2014 geholt und gelernt, ein Spieler in der zweiten Reihe zu werden. Die automatische Qualifikation für jedes Major-Turnier, jede World Golf Championship ist dann dahin. Verletzungen, Formtiefs, Rückschläge: Viele der Tiefs, die das Leben eines Berufssportlers ausmachen, erlebt der Deutsche nicht wie viele andere zum Beginn der Karriere, sondern erst jetzt nach einem langen Höhenflug.

      Blickt man aber hinter die Zahlen und Positionen, um die es in Ranglisten und Qualifikationen geht, so bleibt vor allem eine Erkenntnis: So tief der Absturz gewesen sein mag, so ungewöhnlich ist dieser Martin Kaymer trotzdem als Spieler, weil er mehrfach im Verlauf seiner Karriere Weltklasse war und aus dem großen Feld der Durchschnittsspieler deutlich herausragte. Der eine oder andere Athlet erreicht solch einen Zustand vielleicht irgendwann im Verlauf seiner Karriere, weil alle Umstände glücklich zusammenpassen. Wenn jemand wie Kaymer mehrfach und über einen längeren Zeitraum derartig überzeugt, ist es Können und nicht Zufall.

      Bei der U.S. Open 2014 zum Beispiel war der Deutsche schlicht unbesiegbar. Ein Ausnahmeathlet mit Drives, die auf den Punkt geschlagen wurden, viel Aggressivität und einem Riecher für das richtige Spiel. Allesamt Eigenschaften, die man sehr selten findet. Sie machen Majorsieger aus, solche wie Martin Kaymer.

      Rory McIlroy

      Ball-Artist

      und Businessman

      Es gibt diese Geschichte vom kleinen, wildgelockten Rory McIlroy, der eines Tages in der St. Patrick’s Primary School im nordirischen Holywood nicht wirklich bei der Sache wirkte und auf diese Unaufmerksamkeit von seiner Lehrerin Miss McCullough angesprochen wurde. Die Antwort des Schülers, der bekanntlich schon als Dreijähriger ziemlich gekonnt Golfbälle passgenau in die Waschmaschine seiner Mutter schlug, klang so: „Keine Angst Miss McCullough, ich werde schon zurechtkommen.“ Jahre später, McIlroy kam inzwischen tatsächlich finanziell gut zurecht und war außerdem ein Superstar des Golfsports, traf er seine alte Lehrerin bei einem Golfturnier wieder. Miss McCullough half bei dem Golfturnier in Nordirland am Platz als Marshall aus, bei dem ihr einstiger Schüler der Zuschauermagnet war. Als McIlroy seinen Ball dorthin schlug, wo die Lehrerin stand, schaute er kurz zu ihr auf, lachte und sagte. „Hallo, Miss McCullough, wie geht’s denn so?“

      Der Multimillionär und Superstar ist sich in vielerlei Hinsicht treu geblieben. Seine Frau Erica ist Amerikanerin, längst lebt er in Florida auf Jupiter Island – aber an der Heimat Nordirland, seinen alten Freunden, den bekannten Orten hängt er noch immer.

      Für die Menschen in Holywood ist McIlroys Karriere eine fantastische Geschichte: Ein begnadeter kleiner Golfer, für dessen Karriere Eltern Nachtschichten einlegen und doppelte Jobs absolvierten, wird zu einem der größten Verdiener im Golfsport und einem der 50 Topverdiener im Sport des Jahres 2019. Als er in diesem Jahr mit gerade einmal 30 Jahren zum zweiten Mal die Tour Championship in Atlanta gewann und den Jackpot von 15 Millionen Dollar abräumte, war seine Reaktion nüchtern. „Das war bisher eine ganz gute Saison“, sagte er.

      Rory McIlroy, so heißt es aus dem Kreis der Kollegen und deren Coaches, habe das Selbstbewusstsein eines Riesen – aber eben auch ein einfach begnadetes Spiel. Er ist eines jener Naturtalente, die mit dem Ball schier nach Belieben zaubern – einer wie Severiano Ballesteros: ein Künstler mit eigenem Kopf. Mentales Training, Ausruhen, Strategieplanung – all das war nie sein Ding. Schon als Kind daheim im Holywood GC war er einfach ein Spieler, der schon als Achtjähriger mit den älteren Jungs auf dem Platz zockte. Als Zehnjähriger fuhr er zur Callaway Junior World Championships und wurde Neunter. Ein Jahr später gewann er das Turnier.

      Wer eine glasklare, perfekte Amateurkarriere verfolgen will, muss sich seine ansehen. Er spielte Junior Ryder Cup, gewann 2006 die Europameisterschaften der Amateure, stellte als 16-Jähriger einen Platzrekord mit 61 Schlägen in Royal Portrush auf. Bei der British Open in Carnoustie 2007 war er ein leicht übergewichtiger, wildgelockter Teenager, der beherzt diesen doch so schweren Championship-Platz angriff. Er gewann die Silver Medal für den besten Amateur. Wer, wenn nicht er?

      Als er 2007 ins Profilager gewechselt war, begann eine Karriere im Schnelldurchgang, die Experten längst vorausgesehen hatten. McIlroy bekam einen hochdotierten Vertrag beim Sportmanager Chubby Chandler und seiner Firma International Sports Management, Geld war schnell kein Thema mehr. 2009 gewann er sein erstes Turnier, die Dubai Desert Classic. Am 22. November 2009 war er unter den Top Ten der Welt angelangt – mit gerade einmal 20. Ein Jahr später gab er sein Debüt beim Ryder Cup. Wer glaubte, hier trete ein schüchterner Debütant an, täuschte. Für diesen Teamwettbewerb voll der Emotionen war dieser junge Mann wie gemacht. Er avancierte von Beginn seiner Ryder-Cup-Karriere an zu einer Führungsfigur und ist dies bis heute geblieben. Europas Ryder-Cup-Team ohne einen Rory McIlroy scheint im Moment undenkbar, zumal der junge Mann zwischendrin immer wieder mit aufsehenerregenden Extraeinlagen punktet. 2012 beim Ryder Cup im amerikanischen Medinah Country Club verpasste er beinahe seine Startzeit um 11.25 Uhr in den alles entscheidenden Einzeln. Er hatte eine Stunde Zeitverschiebung übersehen, morgens am Sonntag in Ruhe ein wenig Fernsehen geschaut, bevor die Organisatorin des Shuttle-Dienstes im Spielerhotel bemerkte, dass McIlroy nicht wie beabsichtigt schon Richtung Platz unterwegs war. Um elf Uhr klingelte man ihn aus seinem Zimmer, er bekam einen Platz in einem Polizeiauto, das ihn mit Sirene und Blaulicht zum Golfplatz fuhr. „Ich glaube nicht, dass ich mir jemals hätte verzeihen können, wenn ich mein Team und meinen Kapitän

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