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Golfer und weit mehr ein Superstar als in Deutschland, ist in seiner Beharrlichkeit und Geduld vielleicht auch nur zu verstehen, wenn man seine Verankerung im Glauben berücksichtigt. „Wir sind da draußen, und die Uhr tickt. Wir versuchen, das Beste daraus zu machen“, versuchte er einmal seine Einstellung zu seiner Karriere als Profis bei den Senioren zu erklären. „Ich liebe Golf. Ich liebe den Wettbewerb. Ich bin zum Glück gesund, habe eine ordentliche Technik und einen soliden Kopf.“ Das ist perfekt, aber es muss nicht auf Dauer so bleiben: „Im Hinblick auf meinen Glauben kann es gut sein, dass ich morgen alles zusammenpacke und etwas ganz anderes tue, wenn mein Gott das von mir will. Im Moment ruft er mich aber da raus, damit ich Golf spiele.“ Welch ein Glück für diesen Sport.

      Martin Kaymer

      Der Majorsieger mit

      dem Promi-Problem

      Das Dasein als deutscher Weltstar im Golf hat zwei Seiten: Die erste ist eigentlich wundervoll. Weil Bernhard Langer, der einzige Star, den Golf-Deutschland lange vorzuweisen hatte, seit Längerem auf der Senioren-Tour spielt, bleibt für den zweiten Majorsieger im Lande, Martin Kaymer, eigentlich das gesamte Rampenlicht. Das ist schön, wenn man an den Abschluss von Sponsorenverträgen denkt oder Antrittsgelder bei Turnieren. Die Kehrseite der Medaille aber wird deutlich, wenn der Weltstar Kaymer zeitweise womöglich kein Weltklassegolf spielt. Dann nämlich steht er noch immer im Rampenlicht – und das ist manchmal nicht so angenehm.

      Wer einen Blick auf die Karriere des Martin Kaymer aus Mettmann in Nordrhein-Westfalen wirft, der als Jugendlicher ein wenig mit einer Fußballerkarriere liebäugelte und dann doch beim Golfsport blieb, wird immer wieder auf diesen einen Widerspruch stoßen: auf der einen Seite der Ehrgeiz und der Wille zu den Besten der Welt zu gehören – auf der anderen Seite das Unbehagen, mit den Nebeneffekten des Lebens als Prominenter zurechtkommen zu müssen. Martin Kaymer ist im Jahr 2020 für die deutsche Golf-Öffentlichkeit die Nummer 1: zweifacher Majorsieger, Ex-Weltranglistenerster, der Langer-Nachfolger. Er ist das Gesicht des deutschen Golfsports. Wenn er bei einem Turnier in Deutschland antritt, bedeutet das für ihn Pressekonferenzen in Serie, Autogrammjäger an jedem Loch, Anfragen nach Selfies, Zuschauertrauben an den Abschlägen.

      Solcherlei Aktivitäten aber sind eigentlich nicht sein Ding. Er war nie der Typ, der sich ins Rampenlicht drängte. Früher, zu Amateurzeiten, als er noch für die deutsche Nationalmannschaft spielte, stand er oft allein auf der Driving Range und trainierte vor sich hin. Er war ein erstklassiger Spieler, aber unauffällig – zumindest für Außenstehende, die sich nicht intensiv mit ihm befassten. Fanny Sunesson aber, lange Jahre Caddie des sechsfachen Majorsiegers Nick Faldo, die der Deutsche Golf Verband ab und an zu Lehrgängen der Nationalmannschaften verpflichtete, fiel Kaymer auf, weil er ihr Löcher in den Bauch fragte und auch dann noch beim Bälle schlagen auf der Driving Range stand, wenn es in Strömen regnete. Er arbeitete mit System und konstant – eine Herangehensweise, die ihn über die nächsten Jahrzehnte prägen sollte.

      2005, als er den Sprung ins Profilager machte, in der ersten Saison auf Anhieb auf der drittklassigen EPD-Tour eine 59er-Runde spielte, dann zwei Turniersiege auf der Challenge Tour holte und im Schnelldurchgang die Qualifikation für die PGA European Tour schaffte, wirkte er ein wenig erstaunt über sich selbst. „Damals hatte ich den Vorteil, dass ich noch nicht so viel gedacht habe wie heute“, resümierte er Jahre später in einem Interview, das wir führten. „Ich habe mir viel weniger Gedanken über mein Spiel und meinen Score gemacht.“ Und: „Das war einfach der Tag, an dem alles zusammenlief.“

      Der Hype um den hochgewachsenen, dünnen Nachwuchsgolfer aber nahm mit dieser Rekordrunde von 59 Schlägen seinen Anfang, auch wenn die Familie Kaymer den Ball erst einmal flach zu halten versuchte. Der Jungprofi hatte keinen Manager, keinen PR-Berater – Vater Horst übernahm die Geschäfte. Und der erste Winter vor dem Start auf der European Tour war vor allem eines für Martin Kaymer: Arbeit. „Ich habe (…) die Winterzeit dazu genützt, mehr zu trainieren als alle anderen. Die anderen denken ja immer, da könnte man mal in den Skiurlaub fliegen und sich entspannen, weil man so eine anstrengende Saison hatte. Das ist ein Riesenfehler. Das ist genau die Zeit, in der man hart arbeiten muss, weil alle anderen zu Hause auf der Couch sitzen und sich den Gänsebraten reinhauen. Da muss man arbeiten, um einen guten Saisonstart zu erwischen, sofort Motivation zu sammeln und den einen oder anderen Euro zu erspielen, damit man die Tourkarte behält“, analysierte er selbst seinen Start in die erste Liga, der außergewöhnlich war.

      Er gewann 2007 sofort den Sir Henry Cotton Rookie of the Year Award für den besten Newcomer auf der European Tour und beendete die Saison auf Platz 41 der Geldrangliste mit mehr als 750.000 Euro Preisgeld. Die nächsten acht Jahre rutschte er nicht aus den Top 50 der Welt. 2008 holte er den Titel bei der BMW International Open in München kurz nach dem Tod seiner Mutter, sein „emotionalster Sieg“, sagt er noch immer. Kaymer gehört inzwischen zur Spitzengruppe Europas – und sein Majorsieg 2010 im amerikanischen Whistling Straits veränderte endgültig alles: „Ich habe nicht von mir erwartet, dass ich mit 25 Jahren ein Major gewinne“, rekapitulierte er den Erfolg 2014, als er auch noch die US Open gewonnen hatte. „Ich war erstaunt über mich selbst.“

      Deutschlands Golfszene war es auch. Vor allem aber war sie begeistert: Martin Kaymer war der Erfolgsmann mit System, ein junger Typ, der so gar keine Flausen zu haben schien, auf den man sich verlassen konnte. „German machine“ nannte ihn der eine oder andere amerikanische Journalist. Dieser ruhige Profi aus Mettmann war kein verrücktes Balltalent wie Bubba Watson, den er im Playoff der US PGA Championship von Whistling Straits besiegt hatte, sondern ein systematischer Spieler mit erstklassigem langem Spiel, großer Beharrlichkeit sowie einer ziemlich schnellen Auffassungsgabe.

      Letztere führte dazu, dass Kaymer im Verlauf seiner jungen Profikarriere sehr schnell seine Defizite erkannte und anfing sie auszumerzen. „Ich will mehr Golf in Amerika spielen“, ließ er im November 2010 wissen. „Um ein besserer Spieler zu werden, muss ich auf unterschiedlichen Kontinenten, in unterschiedlichen Staaten und verschiedenen Ländern spielen.“ Er nahm die volle Mitgliedschaft auf der US PGA Tour an und drehte Europa erst einmal den Rücken. Das unbekannte Putten und Chippen auf dem in den USA üblichen Bermudagras war eine Herausforderung – Kaymer zog nach Arizona und begann wie verrückt zu trainieren.

      Den Anschluss an die Weltspitze schaffte er wie im Flug. 2011 war er die Nummer 1 der Welt. Der Rummel um seine Person war riesig. Zu viel für einen, der keinen Wert auf viel Präsenz in der Öffentlichkeit legt. „Ich konnte mit vielen der Dinge, die in Deutschland passierten, nicht umgehen“, gab er zu. „Das war alles viel zu viel. Um ehrlich zu sein, das alles zu verkraften und gleichzeitig gutes Golf zu spielen, war extrem schwierig.“ Kaymer verlor den Fokus und die Form. Sein Start beim Masters in Augusta im April 2011 geriet zu einer Katastrophe, was auch damit zu tun hatte, dass ihm der Platz sowieso bis heute nicht sonderlich liegt. Es ist, wie er selbst sagt, die „größte sportliche Herausforderung, die ich je hatte“, mit einem Layout fertigzuwerden, das seinem Spiel von Grund auf eigentlich nicht entgegenkommt. Kaymer verpasste also den Cut – und das Versagen des deutschen Weltranglistenersten wurde in sämtlichen Golfgazetten der Welt aus jedem nur möglichen Blickwinkel beleuchtet.

      Nach einem Aufstieg, der wie ein Golfmärchen erschien, erlebte der junge Deutsche zum ersten Mal Ernüchterung. Er fing an seinen Erfolg zu relativieren, die Position des Weltranglistenersten, so erkannte er, hat seine Tücken. „Fest steht, dass, wenn man wirklich auf die Weltrangliste achtet und wenn einem die Weltrangliste wichtig ist, man dann da sehr schnell sehr viel Druck aufbauen kann. Und den Druck von außen, den spürt man auch. Der kommt von den Medien, von den anderen Spielern, weil einfach immer darüber gesprochen wird. Das Gefühl ganz oben an der Spitze ist also eigentlich kein anderes, aber es ist einfach sehr schwer, konstant immer sehr gutes Golf zu liefern. Da baut sich Druck von anderen auf, der sich aber durchaus auf das eigene Spiel auswirken kann.“ Als Kaymer dies 2011 bei der PGA Championship in Wentworth in einem Gespräch erzählt, hat er die Spitzenposition bereits wieder abgegeben.

      Die nächsten Jahre werden schwierig, weil ein Konflikt offenkundig wird: Martin Kaymer will internationales Spitzengolf spielen – aber nur bedingt das damit verbundene Leben führen. Die Begehrlichkeiten von Fans, Turnierveranstaltern, Sponsoren und Presse sind ihm oft zu viel. Er weiß,

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