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Eine solch große Beeinflussung des eigenen Wesens bedarf regelmäßiger Kon­trolle und Verstärkung«, erklärte sie.

      »Wenn nicht mal Aldebaran an den Göttern vorbeikommt, wie soll mir das gelingen? Ich kann nicht gegen beide gleichzeitig kämpfen.«

      »Nein, das wäre selbst für dich zu viel.«

      »Kann ich ihr nicht einfach die Wahrheit sagen? Besteht die Chance, den Bann damit lösen zu können?«

      Selene legte den Kopf schief. »Das würde ich lassen. Womöglich sträubt sie sich gegen die Wahrheit und ihr vernebelter Verstand sperrt sich erst recht dagegen, zu erkennen.«

      »Wie lange muss sie von Zelos getrennt sein, damit der Bann verblasst?«, wollte Konstantin wissen.

      »Ein paar Tage dürften reichen.«

      »Tage? Heute hatte ich vielleicht zwei Minuten mit ihr allein.«

      »Es wird dir gelingen. Ich habe vollstes Vertrauen in deine Fähigkeiten. Bisher hast du mich noch nie enttäuscht. Denk in aller Ruhe darüber nach, dann wirst du eine Lösung finden.« Selene lächelte zärtlich.

      Konstantin spürte die uralte Verbindung, die sie untereinander hatten. »Hab Dank, dass du mich angehört hast. Ich werde dich nicht länger stören.« Konstantin erhob und verneigte sich schnell. Zum stillen Sitzenbleiben und die Hände in den Schoß legen war er nicht der Typ. Untätigkeit machte ihn unruhig. Wenn er nervös war, kam sein Naturell besonders schnell zum Vorschein. Nur selten hatten sein schwarzer Humor und die bissigen Kommentare ihm gute Dienste geleistet. Was weitere Gründe dafür waren, sich besser von den meisten seiner Gefährten fernzuhalten. Manche von ihnen waren etwas … empfindlich.

      »Scorpio!« An der Tür angekommen, rief Selene ihn zurück.

      Lächelnd drehte er sich um. »Kann ich noch etwas für dich tun?«

      »Leo kann dir helfen«, teilte sie ihm mit.

      Das war doch etwas. Normalerweise erlaubte Selene es den Zeichen nur ungern, den Rückzugsort zu verlassen. Die Gefahr, den Feinden in die Hände zu fallen, war zu groß. Was dann mit ihnen passieren konnte, sah man gerade am Beispiel von Taurus. Konstantin war der Einzige, dem es gestattet war, nach Belieben zu kommen und zu gehen, weil er Selenes Botengänge erledigte. Er neigte den Kopf. »Danke, er wird mir eine große Hilfe sein.«

      Sobald er die Tür hinter sich geschlossen hatte, schwirrte Antares zu ihm. »Was sagt sie?«

      »Wir sind für heute noch nicht fertig.«

      Antares’ Licht wurde ein bisschen schwächer. »Du bleibst dir also treu und weigerst dich nach wie vor zu lernen, was das Wort Feierabend bedeutet.«

      »Komm mit.« Gemeinsam gingen sie zu Leo, dem Zeichen des Löwen. Mit ihm verstand Konstantin sich am besten. Sie waren sich ähnlich und eine lange Freundschaft verband sie.

      Leo hatte sich neben Virgo auf eines der Sofas gesetzt. Im Fern­seher lief eine Krimiserie. Ganz offensichtlich gehörte ein Netflix-­Account zu den Annehmlichkeiten der Suite. Schlafmöglichkeiten, bester Zimmerservice rund um die Uhr und alle Blockbuster und Serien, die man sich nur wünschen konnte – bis zum Sommer wäre die Hälfte der Zeichen fett und man bräuchte ein Stemmeisen, um ihre Hintern vom Ledersofa zu lösen.

      Selene wusste, wie sie es ihren Getreuen bequem machte. Alle zogen nach ihrem Erwachen kurzfristig zu ihr. Die einzige Ausnahme bildeten für gewöhnlich Scorpio, gelegentlich Libra und die Fahnenflüchtigen Aquarius und Pisces.

      Gemeinsam lebten sie bis zu ihrem Einsatz sorgenfrei und sicher. Zelos und seine Geschwister wagten es nicht, den Stützpunkt der Mondgöttin offen anzugreifen. Das war verlockend. So müsste Kon­stantin sich keine Sorgen über die drohenden Geldprobleme machen. Doch kam es für ihn einfach nicht infrage. Er hatte das dringende Bedürfnis, nicht auf Selenes Gunst angewiesen zu sein, sondern sie sich zu verdienen. Das konnte ihm nur gelingen, wenn er alle Zeichen für sie versammelte.

      »Hey«, begrüßte er Leo knapp.

      »Na, was gibt’s?« Sein Kumpel grinste fröhlich und ließ die strahlend weißen Zähne sehen. Mit der blonden Lockenmähne und den goldbraunen Augen sah er wirklich wie ein Löwe aus. Hallo, Klischee! Trotzdem mochte Konstantin ihn, sein Herz war am rechten Fleck – ebenfalls ein Klischee. Was man von seiner großen Klappe nicht behaupten konnte. Oder doch? Immerhin waren Löwen für ihr Gebrüll bekannt.

      »Du darfst mir helfen, Taurus zurückzubekommen.«

      »Bin dabei. Aldebaran ist wirklich außer sich. Wenn ich nur dran denke.« Leo machte würgende Geräusche. Virgo streckte angewidert die Zunge raus.

      »Wo ist der Stern?«, fragte Konstantin, dem erst jetzt das Fehlen des roten Lichtes bewusst wurde.

      »Sie ist zurück zu Taurus«, erklärte Virgo. »Wie willst du ihr helfen?«

      Mit dem Zeichen der Jungfrau hatte Konstantin kein Problem. Deshalb weihte er beide in den Plan ein. Zumindest in den Teil, der während der vergangenen zehn Minuten in seinem Kopf bereits Gestalt angenommen hatte.

      Von da an beschattete Konstantin täglich den Blumenladen und kaufte einen Blumenstrauß. Dummerweise kamen ihm die Oster­feiertage dazwischen und er verlor wertvolle Zeit. Die Tage, an denen Ariannas Laden geschlossen hatte, waren für ihn nur schwer zu ertragen gewesen. Er musste herausfinden, wie lange es dauerte, bis die Götter ihn bemerkten. Es vergingen nur Minuten, bis Nike auf ihn aufmerksam wurde. Von diesem Zeitpunkt an waren es exakt fünf weitere, bis auch Zelos dazukam. Das Zeitfenster war winzig, obwohl Konstantin verschiedene Uhrzeiten ausprobierte. Arianna störte sich nicht an seinen täglichen Besuchen.

      Nike hingegen erdolchte Konstantin mit Blicken, tat davon abgesehen jedoch nichts Verräterisches. Auch wahrte sie einen gewissen Abstand, um weiteren Magenbeschwerden vorzubeugen. Es war ihm nur recht. Bis Antares die Brandblasen nachts geheilt hatte, waren sie ziemlich schmerzhaft gewesen.

      In der Zwischenzeit traf Leo die nötigen Vorkehrungen. Diese waren fast abgeschlossen und morgen Nachmittag würden sie zuschlagen. Wäre er gläubig gewesen, hätte er dafür gebetet, dass alles nach Plan verlaufen würde. Doch da er wusste, bei welchen Göttern ein solches Gebet im Zweifelsfall ankäme, sparte er es sich.

      Die Tür fiel klappernd ins Schloss und Konstantin entfernte sich ein paar Schritte vom Laden. Er blieb in der Fußgängerzone stehen, schloss die Augen und genoss die Sonne. Sollte er Selene gleich Bericht erstatten oder erst später am Abend?

      »Hey, Kon«, grüßte ihn jemand.

      Wie vom Blitz getroffen riss er die Augen auf. »Julia!« Überrascht drehte er sich zu seiner Ex um.

      Sie sah nicht gut aus. Ihr fehlte das übliche Strahlen und sie war blass. Außerdem wirkten ihre Haare strähnig, und das, obwohl sie immer auf ihr Äußeres und besonders ihre Frisur achtete.

      »Was machst du hier?«, fragte er.

      »Die Frage ist wohl eher, was machst du hier eigentlich jeden Tag? Stalkst du diese Blumenverkäuferin oder ist sie deine neue Freundin? Stehst du jetzt auf den einfachen Typ?«

      Konstantin war perplex. Wieso wusste Julia von den täglichen Besuchen? »Davon abgesehen, dass dich das nichts mehr angeht, woher willst du das wissen?«

      »Ich hab dein Handy geortet, Einstein. Seit Tagen pendelst du von einem Hostel in Bornheim zu einem Luxushotel oder diesem Laden und wieder zurück. Bitte komm wieder nach Hause. Ich vermisse dich und Lukas auch.«

      Innerlich stöhnte er. In den Zeiten vor GPS und Smartphones war es definitiv leichter gewesen, in einer großen Stadt unterzutauchen und dem bisherigen Leben aus dem Weg zu gehen. »Ich komme nicht mehr zurück. Vergesst mich einfach.«

      »Machst du irgendeine Krise durch? Ist dir das Studium vielleicht zu viel geworden? Kon, ich will dir beistehen, nur musst du mich auch lassen. Ich bin nicht die Einzige, die sich um dich sorgt. Deiner Familie geht es ebenso.«

      Konstantin

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