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Anspruch erheben darf.“ Er hielt plötzlich inne, als hätte er schon zu viel gesagt.

      Fredas Wimpern zuckten, doch sie hielt dem Blick Erich Dierssens stand.

      „Ach, lieber Herr Doktor, ich meine, man soll nicht zuviel an Später denken — und dann, mein Vater sagt, Sie hätten eine glänzende Zukunft.“

      Erich Dierssens Stolz und Selbstbewusstsein schwoll hoch auf. Sein scharfes Gesicht leuchtete, und einen beobachtenden Blick auf die abseits eifrig plaudernden Eltern des jungen Mädchens werfend, nahm er Fredas feste, nicht allzu kleine Hand zwischen seine Finger.

      „Glauben Sie auch an meine glänzende Zukunft, Fräulein Freda?“

      Leise und eindringlich fragte er es.

      Das Mädchen nickte eifrig.

      „Bestimmt glaube ich daran!“

      „Glauben Sie so bestimmt daran, Fräulein Freda, dass Sie den Mut hätten, diesen Weg in die Zukunft gemeinsam mit mir zu machen?“

      Er war nun doch etwas erregt, auf die Beantwortung dieser Frage kam so viel an, sie gab seinem Leben, seiner Zukunft einen festen, starken Rahmen. Freda Zander war nicht die Erstbeste, ihr Ja oder Nein gab Reichtum, Einfluss, Macht und Ehren. Auch allein kam er wohl zur Höhe, rascher und sicherer aber mit einer Weggefährtin wie sie.

      Fredas rosiges Gesicht wurde plötzlich blass vor Ernst, ihre Lippen bebten, als sie bekannte:

      „Ich kann mir nichts Schöneres denken, als mit Ihnen der Zukunft entgegenzugehen.“

      Da legte er seinen Arm um ihren Hals und küsste den frischen Mädchenmund.

      „Nanu?“ Professor Zander sprang auf. „Was gibt es denn da hinten?“

      Freds entwand sich dem Arm Erich Dierssens und sprang auf.

      „Eine Verlobung gibt es hier hinten, Vater und Mutter, eine richtige Verlobung!“

      Verlobung! Erich Dierssen erschrak, wie Fredas kräftige Stimme das Wort so vergnügt und sicher hinausschmetterte. Verlobung! Nun war das, was er erhofft und errechnet, also erreicht, er war der Verlobte der reichen Freda Zander, der Tochter des berühmten Mannes, der ihm auf der Ruhmesleiter ein gut Stück vorwärts helfen konnte.

      Er straffte seine hohe Gestalt auf und gab seinen Zügen die gewisse Feierlichkeit, die ihm für diese Stunde notwendig dünkte, dann ging er auf Fredas Eltern, die ihm entgegensahen, zu und sprach, sich tief verneigend, rasch:

      „Gnädigste Frau Professor, hochverehrter Herr Professor, ich bitte tausendmal um Vergebung, dass ich mich von meinem Gefühl hinreissen liess, so gewissermassen hinter Ihrem Rücken Ihrer Tochter eine Liebeserklärung zu machen, aber die Leidenschaft kümmert sich wenig um Form und Vorschriften. Deshalb seien Sie gütig und gewähren Sie mir das Glück, Freda mein nennen zu dürfen.“

      Der Professor sah ihn mit langem, ernstem Blick an; seine Augen hinter den scharfen Brillengläsern schienen dem Jüngeren bis auf den Grund der Seele blicken zu wollen. Dann wandte er sich seiner Frau zu, die sich nicht erhoben hatte, wie er.

      „Nun, Meta, was meinst du, wollen wir ihm unser bestes Besitztum abtreten, glaubst du, dass unsere Freda in treuer Hut bei ihm ist?“

      Die blonde, schlanke Frau Meta, deren Mund fast immer lächelte, hatte plötzlich all die Mütterlichkeit, die ihr sonst nach aussen völlig fehlte.

      „Ja, Josef, ich glaube, wir können es tun, haben wir doch seit langem beobachtet, dass Freda ihm gut ist.“ Plötzlich fragte sie laut: „Herr Dr. Dierssen, können Sie beschwören, unsere Freda mehr als alles andere auf der Welt zu lieben?“

      Erich hatte das unangenehme Gefühl, dass ihm von einem Richter völlig unvorbereitet ein schwerer Eid zugeschoben würde.

      Frau Meta Zander, die ihm bisher die Vertreterin der modernen grossstädtischen Gesellschaftsdame erschienen, dünkte ihm mit einem Male eine völlig andere. Ihre graublauen Augen hatten etwas Strenges, als wollten sie ihn warnen, die Unwahrheit zu sprechen.

      Die scharfe Sprache lag wie ein Hindernis auf ihm, und er musste sich zusammenraffen, um darüber hinwegzukommen. Und wieder, wie schon zweimal heute in diesem Hause, schien etwas Süsses, Knospenzartes vor ihm aufzusteigen, Margarete Römers holde Anmut flehte: Schwöre nicht falsch, du liebst sie ja nicht, diese kluge, sichere Freda Zander, du liebst mich, nur mich.

      Er strich sich unbewusst über die Stirn.

      „Gnädige Frau,“ begann er, und nochmals „Gnädige Frau —“

      Da eilte Freda herbei und stand wie eine Beschützerin an seiner Seite. Ihr gutes, ehrliches Gesicht war tief gerötet.

      „Aber Mama, quäle Erich doch nicht unnötig! Wozu Schwüre und Versprechungen! Wenn er mich nicht lieben würde, hätte er es mir nicht gesagt. Ein Mann wie Erich Dierssen findet reichere und schönere Frauen als wie mich, wenn er will und ich, ich liebe ihn über alles.“

      Er lächelte sein altes Siegerlächeln, und fast übermütig kam es aus seinem Munde:

      „Ich schwöre, dass ich sehr glücklich sein werde, wenn sich Freda meine Braut nennen darf!“

      So, nun hatte er sich klug um den verzwickten Schwur herumgedrückt.

      Da lächelte auch Frau Meta und reichte ihm impulsiv beide Hände.

      „Lieber Doktor, eigentlich sollte ich schon aus Eitelkeitsgründen „nein“ sagen, denn so ein mächtig erwachsener Schwiegersohn macht einen alt.“

      „Nun besitze ich Glückspilz die schönste und jüngste Schwiegermutter in ganz Berlin.“

      Ein Tag des Glücks.

      Erich Dierssen war es sehr angenehm, dass ihm Frau Meta eröffnete, morgen, Sonntag, solle er noch einmal all seine Verliebtheit und Bräutigamswünsche zurückdrängen und sich den ganzen Tag nicht sehen lassen, man habe eine Verabredung mit Freunden, die man innehalten müsse, und das junge Paar dürfe sich jetzt nicht eher zusammen öffentlich zeigen, bis die Verlobungskarten versandt seien, was frühestens am Dienstag geschehen könne.

      Erich Dierssen fügte sich scheinbar schwer in diese Bestimmungen, doch freute er sich innerlich darüber. Nun blieb ihm sein Sonntag mit Margarete Römer, dieser Sonntag, der ihm so viel geben sollte. Hatte er Margarete doch bisher nur des Abends ein knappes Stündchen in irgend einer kleinen Konditorei sehen können. Zu dumm war das gewesen, und er war sich stets vorgekommen wie ein verliebter, dummer Schuljunge, der eine Heldentat zu vollbringen glaubt, wenn er mit einer höheren Tochter heimlich zusammentrifft.

      Am Sonntag früh traf man sich am Potsdamer Bahnhof. Margarete war pünktlich, und Erich Dierssen meinte, sie niemals vordem so schön gesehen zu haben. Sie hatte heute den grossen Trauerschleier von dem einfachen, runden Hütchen entfernt, und ein kleiner weisser Tüllstreifen an Kragen und Aermel gab dem düsteren Kleid eine lichte Note.

      Sie fuhren nicht nach Potsdam, sondern weiter. Potsdam schien Erich Dierssen plötzlich gefährlich, er konnte Bekannte treffen und musste sich doch jetzt in Acht nehmen, Dienstag flogen ja seine Verlobungskarten durch Berlin.

      Er sass in etwas gedrückter Stimmung neben Margarete in dem überfüllten Abteil, und sie wechselten nur ab und zu einen belanglosen Satz. Auch Margaretes Stimmung war unfrei. Sie hatte Onkel und Tante belogen, um sich den heutigen Ausflug zu verschaffen, das lastete auf ihr. Sie schämte sich dessen. Weshalb war die Lüge nötig und die allabendlichen Ausreden wegen des Zuspätkommens? Erich liebte sie und er hatte es ihr oft genug gesagt, weshalb schuf er dann nicht klare, reine Verhältnisse und kam zu ihrem Vormund, ihm von seiner Liebe zu ihr zu sprechen? Sie wollte ihm das sagen, heute sagen — irgendwo draussen im Wald, wenn die allein waren mit ihrem Glück. Dieses Lügen und Vertuschen lag ihrer Natur nicht.

      In Potsdam stiegen viele Fahrgäste aus, auch auf den nächsten Stationen, endlich verliessen auch sie den Zug. Wo? Margarete achtete nicht einmal darauf, welcher Name an dem kleinen Bahnhofsgebäude stand.

      Arm

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