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sie mit Henrik und seiner Tochter zusammenlebte. Aber sie fühlte, dass sie gebraucht wurde, vor allem von Reni, die mit jedem Tag niedlicher und aufgeweckter wurde. Es war so schön, ein Kind zu haben. Leider war es nicht das ihre.

      Die Kleine bemerkte den Unterschied sicher nicht. Für sie war sie weiterhin die ›Itta‹. Und das klang beinahe so, als würde sie ›Mama‹ sagen.

      Amalie Hollstein freute sich über das neue Glück ihres Enkels und vor allem darüber, dass die kleine Urenkelin endlich eine richtige Mutter hatte.

      Die andere, die nun endlich ihr berufliches Ziel erreicht hatte und mehr oder weniger aufmerksamen Studenten die Bedingungen und Funktionen von Betrieben, vom Handel und der Kreditwirtschaft anschaulich erklären durfte und dafür ein entsprechendes Gehalt bekam, hatte ihr Kind noch nicht wiedergesehen. Aber sie zahlte jetzt zumindest regelmäßig die Alimente und vergaß auch den Geburtstag ihres Kindes sowie die üblichen Geschenke zu Weihnachten und Ostern nicht.

      Henrik vermutete allerdings, dass die Sekretärin der Frau Doktor für diese Pünktlichkeit verantwortlich war. Nun, ihm konnte es egal sein. Sein Leben war wieder in Ordnung, sein Kind meist gesund und die Oma zufrieden.

      Ich sollte Gitta einen Heiratsantrag machen, sagte er sich mitunter, konnte sich aber doch nicht dazu durchringen. Und schließlich und endlich ging es ja sehr gut auch ohne Trauschein.

      An Evelin dachte er nur selten und war davon überzeugt, dass seine Liebe zu ihr wirklich Schnee von gestern war. Und er bildete sich ein, sie nicht einmal mehr zu begehren.

      Ob er Gitta liebte, wusste er nicht. Aber er schätzte sie, ihre Zuverlässigkeit, ihren Humor sowie die Gabe der Gelassenheit in schwierigen Situationen und ihre Liebe zu seinem Kind.

      Über ihre Beziehung zu Reinhard Wagner wusste er nur wenig. Sie sprach nicht gern darüber und schien diesen Mann aus ihrem Leben gestrichen zu haben.

      Henrik fragte daher nicht und sagte sich, dass ihn dieser Kerl nichts angehen und dass er ihn niemals kennenlernen würde.

      Und Gitta war davon überzeugt, dass er mit seiner großen Liebe nun dauerhaft glücklich sei und keine Sehnsucht nach seiner damaligen ›Betreuerin‹ habe.

      Das war ein Irrtum!

      *

      Vor einer Woche hatten sie Renis vierten Geburtstag gefeiert. Sie, das waren natürlich nur Gitta, Henrik, seine Großmutter und das Geburtstagskind selbst. Andere Verwandte waren nun einmal nicht vorhanden, wenn man von der leiblichen Mutter und deren Eltern absah. Diese ließen so gut wie nichts von sich hören und sehen, hatten jedoch eine größere Summe als Geburtstags- und Weihnachtsgeschenk überwiesen. Nun ja, warum auch nicht?

      Henrik hatte nachsichtig gelächelt und sich vorgenommen, seine kleine Püppi neu einzukleiden. Sie war aus vielem ohnehin schon herausgewachsen.

      An ihr kleines Pflegekind dachte Gitta auch an diesem Nachmittag, als sie von der Arbeit nach Hause gekommen war. Ihr offizielles Zuhause war immer noch die armselige Wohnung auf dem Hinterhof, von der sie das größte Zimmer an eine sehr strebsame Studentin weitervermietet hatte. Sie hörte und sah nicht viel von ihr.

      Heute jedoch rief die junge Frau bei ihr an und erklärte nach kurzem Gruß: »Da ist ein Mann, der Sie sprechen möchte, Frau Wenzel.«

      »Und wie heißt dieser Mann?«

      »Das hat er nicht gesagt.«

      »Dann fragen Sie ihn.«

      Gitta wartete und vernahm dann: »Er heißt Reinhard Wagner und ist wohl ein alter Freund von Ihnen.«

      »Er ist nicht mein Freund. Und ich sehe keine Veranlassung, mit ihm zu reden. Schicken Sie ihn weg.«

      Die Studentin versprach, den ungebetenen Besucher vor die Tür zu setzen, während Gitta erleichtert aufatmete. Sie hatte wirklich kein Bedürfnis, ihren ehemaligen Freund wiederzusehen.

      Dieser war da ganz anderer Ansicht, meinte wohl, sie müsste sich freuen –, und klingelte dann an Henriks Wohnungstür.

      »Deine Untermieterin hat mir gesagt, dass ich dich hier finde«, begann er unverfroren, als sie vor ihm stand, und verschwieg, dass er die junge Frau mit seinen Fragen so lange genervt hatte, bis sie ihm verraten hatte, wo Gitta eigentlich wohnte.

      »Ja, so ist es«, gab sie knapp zurück.

      »Henrik Hollstein?« Er wies auf das Türschild. »Ist das dein Neuer?«

      »Mein Großvater ist er nicht. So, und nun kannst du wieder gehen.«

      So kaltschnäuzig von ihr abgefertigt zu werden, verschlug dem smarten Reinhard zunächst einmal die Sprache. Er schaute sie verdattert an, fing sich aber gleich wieder, lachte gekünstelt und erklärte in gönnerhaftem Ton: »Du bist also noch eingeschnappt wegen damals. Ich kann das schon verstehen, andererseits kann niemand etwas dafür, wenn ihn die große Liebe erwischt.«

      »Und warum bist du jetzt nicht bei deiner großen Liebe?«

      »Weil ich hier dienstlich zu tun hatte«, entgegnete er scheinbar unbekümmert. »Und weil ich nun schon mal hier bin, habe ich bei dir im Büro angerufen. Du hättest schon Feierabend, hat deine Chefin mir gesagt, und wo du jetzt wohnst. Aber sag mal, willst du mich gar nicht reinlassen?«

      »Nein, ich will dich nicht hereinlassen. Es ist ja nicht meine Wohnung. Und meine habe ich vermietet, wie du schon bemerkt hast. Ich stehe also im Prinzip genauso auf der Straße wie damals, als du mich hinausgeworfen hast.«

      »Du bist von allein gegangen, weil du mit einem wie mir nicht mehr unter einem Dach leben wolltest«, belehrte er sie in spöttischem Tonfall. »Doch das ist schon lange her. Ich habe angenommen, du hättest mir inzwischen verziehen.«

      »Natürlich habe ich dir verziehen. Einem Egoisten verzeiht man gern, wenn man ihn endlich los ist. Schönen Abend noch.« Sie knallte ihm die Tür vor der Nase zu.

      In diesem Augenblick kam Henrik mit Reni auf dem Arm die Treppe herauf. Er stutzte, als er den ihm unbekannten Mann vor der Wohnungstür stehen sah, und fragte unwillkürlich: »Suchen Sie jemanden?«

      »Frau … Wenzel«, stammelte Reinhard Wagner geistesgegenwärtig. »Ich kenne sie schon lange und wollte etwas mit ihr besprechen, aber sie will nicht.«

      »Dann wird sie sicher auch einen Grund dafür haben.« Henrik musterte den elegant gekleideten und gut aussehenden jungen Mann kühl und schloss dann die Wohnungstür auf, ohne sich noch weiter um den ungebetenen Gast zu kümmern.

      Dieser ging verärgert in Richtung Ausgang. Nach einem erneuten und handfesten Krach mit seiner resoluten Frau hatte er sich an Gittas Fürsorge und sein bequemes Leben an ihrer Seite erinnert, hatte ein paar Tage Urlaub genommen und war einfach abgereist, um eine alte Liebe aufzuwärmen. Dass diese mit einem anderen Mann zusammenleben könnte, hatte er jedoch nicht bedacht, sondern war davon ausgegangen, dass sie ihn nach ein paar schönen Worten vorübergehend bei sich aufnehmen würde.

      Sollte er nun sofort wieder heimfahren?

      Nein, nur das nicht! Zänkisch und nachtragend, wie Monika nun einmal war, war das keine gute Lösung. Also nahm er sich ein Zimmer in einer billigen Pension, aß dort zu Abend, legte sich anschließend auf das Bett und dachte lange nach. Schließlich sollte ja nichts, was er sich so sorgsam ausgetüftelt hatte, umsonst gewesen sein. Aber so viel er auch grübelte, es fiel ihm nur noch ein, am anderen Morgen reumütig zu seiner Frau zurückzukehren.

      *

      Henrik hatte Gitta nicht nach dem Mann vor der Tür gefragt und war davon ausgegangen, sie würde ihm von ihrem alten Bekannten berichten, wenn sie die Kleine versorgt und zu Bett gebracht hatten. Doch sie erwähnte ihn nicht, saß mit ihm später vor dem Fernseher und schien sich auf die Nachrichten zu konzentrieren. Da hielt er es nicht mehr aus und fragte schroff: »Du hattest heute Besuch. Warum erzählst du mir das nicht?«

      »Weil es nicht wichtig ist.«

      »Und wer war der Mann?«

      Er ist ja eifersüchtig,

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