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mein lieber junger Kollege, halte ich für mehr als unwahrscheinlich.« Professor Faber lächelte herablassend.

      »Weder ich noch Doktor Sturm pflegen uns zu irren.«

      Er überlegte einen Augenblick.

      »Geben Sie den Inhalt des Dünndarms noch dem Chemiker«, befahl er dann, »es wird zwar nichts dabei herauskommen, eine schwer an multipler Sklerose erkrankte Frau braucht man nicht zu vergiften, bevor man ihr den Hals durchschneidet, aber wir wollen genau vorgehen.« Während Dr. Michael Sturm sich daran machte, diese Anordnung zu erfüllen, wusch sich Professor Faber die Hände und bürstete sich gründlich die Nägel. »Bitte, arbeiten Sie das Gutachten aus, lieber Kollege Sturm«, sagte er, »und geben Sie es mir dann zur Unterschrift. Das Ergebnis der chemischen Untersuchung reichen wir nach. Ich muß so schnell wie möglich nach Berlin zurück. Ich kann doch meinen eigenen Vortrag nicht verpassen.«

      Als er gegangen war, nähten die beiden jungen Ärzte die Leiche wieder zu. Dr. Sturm zog auch die Mordwunde mit drei, vier Stichen zusammen und legte einen weißen Gazeverband um den Hals der Toten, um für die Angehörigen den Schrecken des gewaltsamen Todes zu mildern.

      8

      Kriminalinspektor Kramer war ein erfahrener Beamter und immer bemüht, ohne Vorurteile an eine Morduntersuchung heranzutreten. Aber Lilian Horn hatte auf ihn einen denkbar schlechten Eindruck gemacht, und er hätte sie, wenn sie kein Alibi aufzuweisen gehabt hätte, auf der Stelle verhaftet.

      Bei den Nachforschungen in der Kayserschen Villa in der Rheinallee hatte sich ergeben, daß tatsächlich nichts aus dem Zimmer der Verstorbenen oder aus dem Haus entwendet worden war. Natürlich konnte man das erst genau wissen, wenn Herr Kayser zurückkam. Aber auf Anhieb war Kriminalinspektor Kramer überzeugt, daß kein Raubmord vorlag. Vielmehr deutete alles darauf hin, daß die Kranke aus dem Wege geräumt worden war, weil sie störte. Wen? Ihren Mann und dessen Geliebte.

      Kurt Kayser traf am späten Samstagabend auf dem Flughafen Düsseldorf-Lohausen ein und wurde dort von Kriminalinspektor Kramer empfangen, der ihn im Polizeiauto nach Hause brachte. Der Gatte der Verstorbenen wirkte übernächtigt, die Tränensäcke hingen schwer unter den vorquellenden Augen herab. Er gab sich erschüttert, aber gefaßt, behauptete, sich nicht vorstellen zu können, daß irgend jemand seine Frau ermordet haben könnte, und fragte immer wieder, ob nicht doch ein Freitod vorliegen könnte.

      Als der Kriminalinspektor nach seinen Beziehungen zu Lilian Horn forschte, wischte er sich nervös mit dem Taschentuch über den kahlen Schädel, auf dem sich Schweißtropfen gebildet hatten.

      »Wir hatten nie ein Verhältnis miteinander, wenn Sie das meinen«, entgegnete er, »aber sie ist eine ausgesprochen attraktive Frau, und ich müßte lügen, wenn ich abstreiten würde, daß sie mich hin und wieder … nun eben … sehr gereizt hat. Haben Sie schon mit ihr gesprochen? Na, dann werden Sie sich ja vorstellen können, was ich meine.«

      Der Kriminalinspektor ließ es vorläufig damit bewenden und erkundigte sich, wann Kurt Kayser in Sylt eingetroffen war und wo und wie er die Nacht vom Freitag auf Samstag verbracht hatte.

      »Ich bin von der Firma aus direkt zum Flughafen gefahren und gleich darauf mit dem privaten Hubschrauber eines guten Freundes, der übrigens auch selbst mit an Bord war, weiter nach Sylt.«

      »Wann kamen Sie da an?«

      »Etwa halb neun. Wenn Sie es genau wissen wollen, müssen Sie den Piloten fragen. Am Wochenende pflege ich so wenig wie möglich auf die Uhr zu sehen.«

      »Und weiter?« fragte Kriminalinspektor Kramer.

      »Wir fuhren mit dem Taxi zum Haus meines Freundes, eines Hamburger Reeders. Wenn Sie Namen und Adresse wissen wollen …«

      Der Kriminalinspektor winkte ab. »Später. Sie waren also, wenn ich Sie recht verstanden habe, kurz vor neun im Haus Ihres Freundes?«

      »Ja, wir hatten gerade noch Zeit, uns ein wenig frisch zu machen, da kamen schon die übrigen der Korona. Im ganzen waren wir fünf Herren. Wir haben bis in den frühen Morgen hinein gepokert.«

      »Und Sie waren immer alle zusammen?«

      »Ja.«

      »Keine Frauen?«

      »Nein. Eine reine Herrenparty.«

      »Wenn ich Sie recht verstanden habe, waren Sie also nur allein in der Zeit zwischen etwa einundzwanzig Uhr und einundzwanzig Uhr dreißig.«

      Direktor Kayser dachte nach. »Ja, das stimmt. Da war ich auf meinem Zimmer. Hat das etwas zu bedeuten?«

      »Nein. Nicht, wenn Ihre anderen Angaben stimmen«, mußte der Kriminalinspektor zugeben.

      »Die können Sie nachprüfen.«

      Dazu war Kriminalinspektor Kramer entschlossen. Aber er war schon jetzt überzeugt, daß der Ehemann der Ermordeten die Wahrheit sprach. Direktor Kayser gehörte nicht zu dem Typ von Menschen, der sich in einen Haufen leicht zu entkräftender Lügen verstrickte.

      Er gab an, daß sich im Sterbezimmer weder Briefe, Geld, Schmuck oder irgendwelche anderen Dinge von Bedeutung befunden hatten, war aber nur zögernd bereit, in den Nachttisch der Verstorbenen zu sehen, um festzustellen, ob etwas fehlte.

      »Hm, ich glaube«, sagte er endlich, »meine Frau hatte da so ein Notizbuch, ein kleines grünes Notizbuch.«

      »Darüber brauchen Sie sich keine Gedanken zu machen«, versicherte der Kriminalinspektor, »das haben wir sichergestellt.«

      Kurt Kayser öffnete den Mund, als wenn er etwas fragen wollte, unterließ es dann aber doch.

      In Begleitung von Kriminalinspektor Kramer ging er durch das ganze Haus, schloß auch den Safe auf und stellte fest, daß alles an seinem Platz war.

      Als er bereits in der Haustür stand, schoß der Kriminalinspektor seine letzte Frage ab. »Gibt es in Ihrem Bekanntenkreis ein weibliches Wesen mit dem Anfangsbuchstabenl?«

      »Vor- oder Nachname?«

      »Egal. Beides kommt in Frage. Es kann auch eine Bekannte Ihrer Frau sein.«

      Direktor Kayser schob die dicke Unterlippe vor. »Ach, wissen Sie, meine Frau hatte eine Menge mehr oder weniger nahestehender Freundinnen, jedenfalls in der Zeit, als sie noch gesund war. Sollte mich wundern, wenn es unter denen keine mit dem Anfangsbuchstaben L geben sollte, aber so auf Anhieb könnte ich nicht sagen …«

      »Und was ist mit Lilian? Lilian Horn?«

      »Meine Sekretärin?« Direktor Kayser schnappte nach Luft.

      »Aber die hat meine Frau doch gar nicht gekannt … oder sagen wir besser: nur ganz flüchtig. Sie war ein einziges Mal hier im Haus.«

      »Ja, das wissen wir«, sagte Kriminalinspektor Kramer, »trotzdem glaubte die Verstorbene, Grund zur Eifersucht zu haben.«

      »Du lieber Himmel.« Kurt Kayser lachte ärgerlich auf. »Das waren doch Hirngespinste. Fantastereien einer ans Bett gefesselten Frau. Darauf würde ich an Ihrer Stelle keinen Pfifferling geben.«

      Der Verdacht Kriminalinspektor Kramers war durch dieses Gespräch nicht entkräftet worden. Es gab ein Indiz, das er weder Lilian Horn noch einem seiner anderen Zeugen gegenüber erwähnt hatte, eine Bemerkung, die die Verstorbene am Mordtag in ihr Notizbuch eingetragen hatte, mit der krakeligen Schrift einer Schwerkranken, die kaum noch den Bleistift halten konnte: »L. hat mich angerufen. Will mich besuchen. Wundere mich, daß L. nicht in S. ist. Wird ein interessantes Gespräch werden.«

      Kriminalinspektor Kramer war überzeugt, daß L. nur Lilian bedeuten konnte – Lilian Horn. Den ganzen Samstag und Sonntag versuchte er, ihre Alibi-Zeugen aufzutreiben. Ruth Fiebig und Herrn Kerst, den Leiter der Hostessen-Agentur, aber beide waren übers Wochenende verreist.

      Am Sonntag nachmittag um sechs Uhr wurde ihm gemeldet, daß Herr Kerst soeben mit seiner Frau und seinen drei Kindern nach Hause gekommen war.

      Kriminalinspektor

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