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den Peter bekritzelt hatte.

      Kyra sah zunächst verständnislos darauf, dann las sie den Namen in der Mail-Adresse. Interessiert beobachtete Antonia ihre Reaktion darauf: Sehr, sehr langsam wurde Kyra rot, während sie noch immer auf den Zettel starrte. Ihre Hand zitterte leicht.

      »Soll ich dir erzählen, was passiert ist?«, fragte Antonia.

      Kyra nickte, sah ihre Mutter aber noch immer nicht an.

      Das änderte sich jedoch, als Antonia die Szene schilderte, deren Zeugin sie geworden war, bevor Florian Ammerdinger und sie eingegriffen hatten. Kyras Kopf flog in die Höhe, fassungslos hörte sie dem weiteren Bericht ihrer Mutter zu.

      »Er hat geblutet und musste in die Klinik?«, fragte sie entsetzt, als Antonia geendet hatte.

      »Ja, Eckart hat die Wunde genäht, daraufhin hat Frau Stadler mit Peter die Klinik verlassen. Er soll ein paar Tage im Bett bleiben, weil er eine leichte Gehirnerschütterung hat. Er meinte, du würdest ihm vielleicht schreiben, was ihr in der Schule durchnehmt und welche Aufgaben ihr bekommt. Es hat ihm, glaube ich, nicht gefallen, dass er nicht zur Schule gehen darf.«

      »Klar schreibe ich ihm«, sagte Kyra eifrig. »Ich schreibe ihm jetzt gleich.«

      »Tu das. Und … Kyra?«

      »Ja?«

      »Vielleicht erzählst du das, was du jetzt von mir gehört hast, in der Schule nicht weiter. Ich glaube, das hätte Peter nicht so gern.«

      Kyra sah ihre Mutter aufrichtig verwundert an. »Manchmal hast du aber auch Ideen, Mami! Ich bin doch keine, die herumtratscht!«

      »Nein, natürlich nicht. Entschuldige bitte, ich wollte nur sichergehen, dass das unter uns bleibt«, sagte Antonia.

      Als sie sich zum Gehen wandte, saß Kyra bereits an ihrem Laptop. Lächelnd schloss Antonia die Tür hinter sich.

      *

      Florian versuchte vergeblich, sich zu beruhigen, als er aus der Kayser-Klinik rannte, denn er wusste, dass er sich unvernünftig verhielt. Es war schon unvernünftig gewesen, Dr. Laurin in seinem Büro zu überfallen und ihn mit Vorwürfen zu überziehen. Letzten Endes, das wusste Florian im tiefsten Inneren, lag das Problem bei ihm. Er musste es lösen, wenn er nicht sich – und Ella – ins Unglück stürzen wollte.

      Aber allein die Aussicht, sich mit jener Zeit auseinanderzusetzen, in der er sich selbst oft wie der ärmste Mensch auf dieser Welt vorgekommen war, versetzte ihn in Panik. So war es schon immer gewesen, wenn er an diesen Punkt gelangt war, denn es war ja nicht das erste Mal: Schon öfter hatte ihm klar vor Augen gestanden, dass es an ihm lag, sein Leben zu verändern, dass er es war, der etwas tun musste und dass er nicht weiterkam, wenn er stur an seinem vor langen Jahren gefassten Entschluss festhielt, niemals Vater zu werden. Das allein brachte nichts in Ordnung, gar nichts, auch wenn es ihm lange Zeit gelungen war, sich das einzureden.

      Aber nun war Ella weg – sie hatte ihn verlassen, eben wegen dieses Entschlusses, mit dem sie offenbar nicht leben konnte. Mit ihrem Weggang hatte sie ihm die Hoffnung genommen, dass es ihm mit ihr zusammen irgendwann doch gelingen würde, die Dämonen der Vergangenheit zu bannen. Sie war gegangen, vielleicht für immer.

      Wieder schwappte die Panik in ihm hoch, er bekam Atemnot, ihm wurde schwarz vor Augen, das kannte er schon. Dass er den nächsten Schritt auf die Straße machte, war ihm nicht bewusst. Er hörte etwas quietschen, er hörte eine Hupe, so laut, dass es ihm beinahe das Trommelfell zerriss – und er spürte einen schrecklichen Schlag im Rücken, als hätte ein Riese eine Betonwand nach ihm geschleudert.

      Er stürzte ins Bodenlose, und noch im Fallen dachte er: Vielleicht sterbe ich jetzt – und dieser Gedanke schreckte ihn nicht einmal.

      *

      »Sie müssen sofort kommen, Chef«, rief Schwester Marie außer Atem. »Ein Notfall – schwerer Verkehrsunfall, ganz hier in der Nähe. Der Mann ist gerade in die Notaufnahme gebracht worden, Herr Dr. Sternberg sagt, er hat innere Verletzungen. Er wird Ihnen assistieren, ein OP steht schon bereit.«

      Ade, Abendessen mit der Familie, dachte Leon. »Moni, rufen Sie bitte bei mir zu Hause an und sagen meiner Frau, dass wir einen Notfall haben und ich nicht vorhersehen kann, wie lange ich bleiben muss.«

      »Wird sofort erledigt«, versprach seine Sekretärin.

      Leon eilte in die Notaufnahme, wo zwei Pfleger den Verletzten gerade aus dem Behandlungsraum zum nächsten Fahrstuhl schoben. Leon sah das Gesicht des Mannes und wandte sich seinem Kollegen zu. Sein Entschluss stand sofort fest, er musste nicht einmal darüber nachdenken.

      »Du wirst operieren, Eckart«, sagte er. »Ich bin in diesem Fall befangen.«

      »Befangen? Wieso das denn?«

      »Der Patient ist Florian Ammerdinger, der Mann, der auf keinen Fall Vater werden will – ich habe dir doch neulich von ihm erzählt. Er war eben noch bei mir im Büro und hat mich wüst beschimpft, weil seine Frau verschwunden ist. Ich assistiere dir. Glaub mir, es ist besser so.«

      Eckart Sternberg nickte nur. Während sie sich steril wuschen, informierte er Leon über die bisherigen Ergebnisse seiner Untersuchung. »Er hat auf jeden Fall innere Verletzungen, ich habe Angst, dass er uns verblutet, bevor wir ihn überhaupt auf dem OP-Tisch haben, aber ich wollte es nicht riskieren, ihn in der Notaufnahme zu operieren.«

      Sie betraten den OP, in dem bereits mehrere OP-Schwestern und eine Anästhesistin bereitstanden. Als Eckart den Bauchraum eröffnete, schoss eine Blutfontäne heraus, die die beiden Ärzte über und über besudelte. Sie blieben ruhig, es war nicht die erste kritische Situation, die sie gemeinsam meisterten.

      »Blutdruck fällt«, sagte die Anästhesistin.

      Du wirst nicht in meiner Klinik sterben, dachte Leon, während er nach der Ursache der Blutung suchte.

      »Mehr Tücher, wir sehen ja nichts. Und wir brauchen weitere Blutkonserven. Schnell, viel Zeit, um den Mann zu retten, bleibt uns nicht!«

      Konzentriert suchte Leon den Bauchraum ab, er blendete die Umgebung vollkommen aus. Endlich spürte er ein Sprudeln unter seiner rechten Hand. Er kniff zu, und zumindest eine Blutungsquelle versiegte, aber jetzt sahen sie, dass es noch mindestens eine andere geben musste. »Klemme«, sagte Leon. »Hier, ja, genau hier.«

      Der Bauchraum füllte sich jetzt langsamer mit Blut, und wenig später hatte er auch das zweite verletzte Gefäß gefunden und abgeklemmt. Er blickte hoch, sah Eckart kurz lächeln.

      »Blutdruck steigt wieder«, sagte die Anästhesistin.

      Im Operationssaal war danach nichts mehr zu hören außer gelegentlichen leisen Kommandos der beiden Ärzte und dem Surren der Maschinen. Der Patient bekam Blutkonserve um Blutkonserve, mehr als einmal sah es so aus, als würden alle Bemühungen vergeblich bleiben, aber jedes Mal erholte sich Florian Ammerdinger in letzter Sekunde wieder. Einmal setzte sein Herz aus, aber sie konnten es wieder zum Schlagen bringen und schließlich, nach einer Zeitspanne, die ihnen wie eine Ewigkeit vorkam, war es doch so weit, dass Eckart Sternberg sagte: »Ich glaube, wir können schließen.«

      Leon und ihm standen Schweißperlen auf der Stirn. Der Patient hatte die Notoperation überlebt, aber sie wussten, dass Florian Ammerdingers Leben noch mindestens in der folgenden Nacht, wahrscheinlich sogar noch länger, an einem seidenen Faden hängen würde.

      *

      »Sie hat mir geschrieben, Mama«, sagte Peter. »Kyra, meine ich. Sie will mir alle Aufgaben schicken und mir genau aufschreiben, was sie durchgenommen haben. Und …« Er stockte.

      »Und?«, fragte Britta.

      Sie saßen am Küchentisch, um die Spaghetti zu essen, die Peter sich gewünscht hatte. Er war ein bisschen unsicher auf den Beinen, aber sonst schien es ihm schon wieder recht gut zu gehen. Britta hatte seine Brille bereits zum Optiker gebracht, jetzt saß eine ziemlich unförmige Ersatzbrille auf seiner Nase.

      »Und sie hat gefragt, ob sie mal vorbeikommen soll.«

      »Klar

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