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      Max Kretzer

      Kreuz und Geißel

      Soziale Auferstehungsgedichte und Zeitsatiren

      1. bis 3. Tausend

      Saga

      Kreuz und Geißel

      German

      © 1919 Max Kretzer

      Alle Rechte der Ebookausgabe: © 2016 SAGA Egmont, an imprint of Lindhardt og Ringhof A/S Copenhagen

      All rights reserved

      ISBN: 9788711502945

      1. Ebook-Auflage, 2016

      Format: EPUB 3.0

      Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach Absprache mit Lindhardt und Ringhof und Autors nicht gestattet.

      SAGA Egmont www.saga-books.com – a part of Egmont, www.egmont.com

      Vorbemerkung

      Die markanten der hier folgenden Sozialen Auferstehungsgedichte sind, wie die beigefügte Jahreszahl ergibt, schon während des Krieges entstanden, konnten aber mit Rücksicht auf die militärische Zensur erklärlicherweise nicht erscheinen. Die Gedichte sind als Niederschlag meiner immer rein gebliebenen Empfindungen für die Armen und Bedrückten zu betrachten, wie ich sie im Laufe von 40 Jahren in meinen grossen sozialen Romanen „Die Verkommenen“, „Die Betrogenen“, „Drei Weiber“, Meister Timpe“, „Die Bergpredigt“, „Das Gesicht Christi“ usw. und in zahlreichen Erzählungen und Skizzen zum Ausdruck gebracht habe.

      Die als zweiter Teil beigefügten Zeitsatiren wolle man freundlich als Gelegenheitsverse gelten lassen. Die zum Teil scharfen Revolutionsvierzeiler entheben mich des Verdachtes, vor den sozialpolitischen Auswüchsen meine Verbeugung zu machen. Dagegen habe ich von jeher den Standpunkt vertreten, dass die Arbeiter, in weitestem Sinne auch die geistigen, ewig die Betrogenen bleiben werden, so lange sie sich nicht selbst aus eigener elementarer Kraft von der ökonomischen Fesselung befreien. Hier ist das Wort von der kompakten Masse einfach eine ethische Notwendigkeit. Braucht man sich zu wundern, dass diese kompakte Masse, der man Jahrelang mit aller schmeichelhaften Überredungskunst das Paradies versprochen hat, nun, da sie am Erlösungstage die Pforte verschlossen findet, den Versuch unternimmt, sich mit Gewalt Eingang zu verschaffen, um sich die Früchte ihrer Gutgläubigkeit zu holen? Um diese Pforte mit einem goldenen Schlüssel zu öffnen — dazu hätte es allerdings eines zweiten Lassalles bedurft. Sein Flammengeist hätte den historisch sowohl wie sozial missbrauchten Empörungsnamen Spartakus zur Sonne führen können. Seine Epigonen als bequeme Bodenkleber sind dazu nicht im Stande.

      Charlottenburg, Ostern 1919.

      Max Kretzer.

      Erster Teil:

      Soziale Auferstehungsgedichte

      Widmung.

      An die Befreier.

      (1919)

      So steig ich denn in der Erinnerung Schacht,

      Wo Dämm’rung liegt auf meinen Jugendtagen,

      Und hol’ ans Licht aus harter Arbeitsnacht,

      Was früh in Fron erstickte meine Klagen.

      Novemberstürme fegten durch die Stadt,

      Tief schwarz in Nebel reckte sich der Morgen,

      Und was von Abendvöllerei noch satt,

      Das träumte süss, noch ledig aller Sorgen.

      Scheu ging die Dirne ihren letzten Weg,

      Der Bäckerjunge pfiff sich warm beim Trotten,

      Ein Bummler taumelte auf trunk’nem Steg,

      Ernüchtert durch der Männer rauhes Spotten.

      In langen Wogen zogen sie dahin,

      Die dunkle Flut geformt aus Menschenleibern,

      Noch sprach der schwere Schlaf aus ihrem Sinn,

      Der kurze Abschiedsgruss von gramverhärmten Weibern;

      Der flücht’ge Kuss auf blassen Kindermund,

      Der, traumbefangen, lächelnd sich beklagte,

      Wenn sich des Vaters Seele, trennungswund,

      Mit Bangen nach dem Wiedersehn befragte.

      Denn das war des Enterbten Sklavenfest:

      Dass er am Ruhetag erst seinen Namen hörte,

      Weil früh und spät im warmen Kindernest

      Bei Fort- und Heimgang ihren Schlaf nichts störte.

      So wollt’s von Geldes Gnaden alter Brauch,

      Der lange Tagesschicht aus Macht begehrte.

      Weit war der Weg von Schlot zu Herdesrauch

      Und kurz die Nachtrast, die an Kräften zehrte.

      Das Tor der Arbeitsfeste klaffte weit,

      Dem hohlen Maul des Untiers zu vergleichen,

      Das seinen Schlund zur Beute hält bereit,

      Sobald die Pfeife gellt als Sammelzeichen.

      Es zog auch mich in seinen finstern Bauch,

      In seiner Räderwerke hast’ges Treiben,

      Wo stickerfüllt in Qualm und Rauch

      Sich stiessen Mensch und Ding bei hartem Reiben.

      So ging ich auf denn in der schwarzen Masse

      Als schwache Welle in der Sklavenflut,

      Ein Knabe noch, doch der Enterbten Klasse

      Als Glied nun eingefügt zum Schachergut.

      Aus Not. Von Unrechtswegen deklassiert,

      Dem Spiel der freien Kräfte preisgegeben;

      Noch hat kein Reicher je sich echauffiert,

      Wenn rauh sein Fuss zertrat den Keim im Leben.

      Und dreizehn Stunden ging die Tagesfron,

      Von morgens sechs bis Feierabends sieben,

      Und wog ich dann den Taler Wochenlohn,

      So war die leere Schale mir geblieben.

      Denn schwerer wog die Arbeit meiner Hände,

      Die zehnfach häuften an dem Silberschatz

      Des strengen Herrn, der stolz inmitten seiner Wände

      Nur suchte für den Reichtum einen neuen Platz.

      So wurde meine Jugend früh zertreten,

      An Gott gesündigt, den der Reiche trog;

      Und wenn mir Zeit blieb, still zu beten,

      War’s nur mein zäher Glaube, der nicht log;

      Der Glaube an den ewigen Erlöser

      Der Armen, die das Kreuz ihm abgenommen,

      Und der als seines Wundenmals Entblösster

      Die Ausgleichsstunde selig hiess willkommen!

      Heilandsaugen.

      Als Christus ward ans Kreuz geschlagen,

      Da hörte sterbend man ihn sagen:

      „Es ist vollbracht.“ Der Himmel wurde finster,

      Und in dem fahlen, blutgetränkten Ginster

      Erstarb der Blumen frische,

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