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dem Got­tes­dienst in ein ent­fern­tes Dorf führ­te und zu ei­nem reich­li­chen Mahl ein­lud. Als Ge­rold den Sla­wen­fürs­ten auf­for­der­te, sich tau­fen zu las­sen, setz­te ihm die­ser die trau­ri­ge Lage sei­nes Vol­kes aus­ein­an­der. Sie wür­den von den christ­li­chen Fürs­ten so mit Ab­ga­ben über­for­dert, so aufs äu­ßers­te aus­ge­presst, dass für sie der Tod bes­ser als das Le­ben wäre. Das Land ver­las­sen und sich an­ders­wo an­sie­deln könn­ten sie nicht, denn über­all dro­he das glei­che Elend, sie wä­ren also ge­zwun­gen, auf das Meer zu ge­hen und Seeraub zu trei­ben. Ge­rold glaub­te die An­kla­ge ab­wei­sen zu müs­sen; sie soll­ten Chris­ten wer­den, sag­te er, wie die Sach­sen und alle üb­ri­gen Völ­ker, dann wür­de man sie nicht mehr quä­len. Pri­bis­law ent­geg­ne­te, wenn der Her­zog woll­te, dass sie den Glau­ben der Sach­sen teil­ten, sol­le er ih­nen auch die glei­chen Gü­ter ge­ben und die glei­chen Zehn­ten von ih­nen for­dern.

      Das Wort von der Lie­be Got­tes ver­hall­te in den mör­de­ri­schen Kämp­fen wie ein mensch­li­cher Hil­fe­ruf im To­sen von Meer und Sturm. Der­je­ni­ge, der ih­nen schließ­lich ein Ende mach­te, Hein­rich der Löwe, ließ Gott und Chris­ten­tum so ganz bei­sei­te, dass die Geist­li­chen sei­nen Weg nicht ohne Miss­bil­li­gung ver­folg­ten. Hein­rich der Löwe, 1129 wahr­schein­lich in Ra­vens­berg ge­bo­ren, er­leb­te als Kind die Ech­tung sei­nes Va­ters, den Sturz sei­nes Hau­ses und wur­de durch sol­che Ein­drücke be­son­ders früh zur Teil­nah­me an den all­ge­mei­nen An­ge­le­gen­hei­ten ge­führt. Mit zehn Jah­ren ver­lor er den Va­ter, mit zwölf Jah­ren die stol­ze, hoch­an­ge­se­he­ne Groß­mut­ter, die alte Kai­se­rin Ri­chen­za, die ihn zum Ver­tre­ter der säch­si­schen An­sprü­che und im Hass ge­gen die Stau­fer er­zo­gen hat­te. Mit acht­zehn Jah­ren trat er mit sei­ner For­de­rung, in die bay­ri­sche Her­zogs­wür­de wie­der ein­ge­setzt zu wer­den, her­vor, die sein Vet­ter, Fried­rich I., so­wie er konn­te, be­frie­dig­te. Ob­wohl dun­kel von Haar und Au­gen, war er mehr Sach­se als Schwa­be und mehr als das von dä­mo­ni­schem Ge­schlecht; un­ter sei­nem Griff und Schritt knis­ter­te die Erde. Der Name des Lö­wen, den er sich gab, stand ihm wohl an: sein Wil­le war ihm statt Recht, was er er­obern konn­te, ge­hör­te ihm. Der Jüng­ling er­griff die Re­gie­rung so­fort wie ein Mann; so­weit ihm sei­ne Ver­pflich­tun­gen ge­gen den Kai­ser Zeit lie­ßen, be­schäf­tig­te er sich mit der Stär­kung sei­ner her­zog­li­chen Macht und mit der Un­ter­wer­fung der Sla­wen. Vor­ur­tei­le in Be­zug auf Ras­se oder Glau­ben hat­te er nicht; wie er sich mit dem Kö­nig von Dä­ne­mark ver­bün­de­te, um die Sla­wen zu be­sie­gen, such­te er die Freund­schaft des Sla­wen­fürs­ten Pri­bis­law und spä­ter von des­sen Soh­ne Ni­klot, ohne sich an­de­rer­seits da­durch ge­bun­den zu füh­len, wenn es ihm nicht mehr nütz­lich schi­en. Dä­ne­mark die Hälf­te der ge­mach­ten Erobe­run­gen zu über­las­sen, wie ab­ge­macht wur­de, war wohl von An­fang an nicht sei­ne Ab­sicht. Auch ei­nem treu­en Freund und Mit­strei­ter ge­gen­über, wie Adolf von Schau­en­burg war, mä­ßig­te er sei­ne Herrsch­sucht nicht.

      Den Schau­en­bur­gern, ei­nem rei­chen und tap­fe­ren Ge­schlecht, von de­ren Stamm­burg in der Ge­gend von Min­den noch Rui­nen vor­han­den sind, ver­lieh Kon­rad II. die Gra­fen­wür­de. Lo­thar be­lehn­te als Her­zog von Sach­sen den Gra­fen Adolf I. mit der Graf­schaft Hol­stein, die von den Hol­s­ten, Stor­marn und Dith­mar­schen be­wohnt war und an das sla­wi­sche Nor­dal­bin­gi­en grenz­te. Ihm folg­te sein Sohn Adolf II., der ur­sprüng­lich zum Geist­li­chen be­stimmt ge­we­sen war und in­fol­ge sei­ner Er­zie­hung nicht nur eine gründ­li­che­re Bil­dung, son­dern auch eine tiefe­re Auf­fas­sung sei­ner Pf­lich­ten hat­te, als bei den welt­li­chen Fürs­ten üb­lich war. Er sprach ge­läu­fig la­tei­nisch und ver­stand auch das Sla­wi­sche. Er be­müh­te sich, die un­ter­wor­fe­nen Sla­wen für das Chris­ten­tum zu ge­win­nen und kul­ti­vier­te das neu­ge­won­ne­ne Land in groß­ar­ti­ger Wei­se durch An­sied­lung von Frie­sen, Hol­län­dern und West­fa­len, de­nen er es un­ter vor­teil­haf­ten Be­din­gun­gen über­ließ. Auf ei­ner In­sel zwi­schen den Flüs­sen Wa­cke­nitz und Tra­ve, wo die Sla­wen in ei­nem hei­li­gen Hain die Göt­ter ver­ehrt hat­ten, grün­de­te er die Stadt Lü­beck, die die güns­ti­ge Lage an der Ost­see schnell er­blü­hen ließ. Da Hein­rich durch sie sei­ne bin­nen­län­di­sche Stadt Bar­de­wiek be­nach­tei­ligt fand, ver­lang­te er, dass Adolf ihm Lü­beck ab­tre­te, als sich Adolf wei­ger­te, ver­nich­te­te er Lü­becks Han­del; das Ende war, dass Adolf um der Stadt und um des Frie­dens wil­len nach­gab und sie dem Her­zog schenk­te. Graf Adolf, den der Chro­nist so­wohl we­gen sei­ner Her­zens­gü­te wie we­gen sei­ner Klug­heit rühmt, fiel im Jah­re 1164 in der großen Sla­wen­schlacht bei Dem­min, die über sei­nem Leich­nam in ei­nem voll­stän­di­gen Sie­ge en­de­te. Wenn Hein­rich der Löwe ihm, sei­nem vä­ter­li­chen Freun­de, an ver­stän­di­ger und mensch­li­cher Ge­sin­nung nach­stand, so über­rag­te er ihn an Wil­lens­ge­walt und Macht der Per­sön­lich­keit. Da er sich als Kö­nig ge­bo­ren fühl­te, be­han­del­te er alle, die sich wei­ger­ten, ihm un­ter­tan zu sein, als Re­bel­len. Un­ter­war­fen sie sich, sorg­te er für sie als Kö­nig. Bei sei­nen Städ­te­grün­dun­gen, Lü­beck und Schwe­rin, ver­fuhr er mit au­ßer­or­dent­li­cher Weit­her­zig­keit; denn er be­hielt sich nur die hohe Ge­richts­bar­keit vor, üb­ri­gens ge­stand er den Bür­gern vol­le Selbst­ver­wal­tung zu, in der Mei­nung, so am si­chers­ten das Ge­mein­we­sen zur Blü­te zu brin­gen. Ent­spre­chend dem ger­ma­ni­schen Be­griff der Ei­gen­kir­che er­hiel­ten die Bür­ger das Recht der Pfar­rerwahl für die Pfarr­kir­che. Es ist nicht un­mög­lich, dass Hein­rich in sei­ner Städ­te­po­li­tik durch sei­nen Schwie­ger­va­ter Kon­rad von Zäh­rin­gen be­ein­flusst war, der schon vor Jahr­zehn­ten mit großer Li­be­ra­li­tät die Stadt Frei­burg ge­grün­det hat­te; aber vor al­lem lei­te­te ihn der si­che­re po­li­ti­sche Blick, sein na­tür­li­ches Erbe. Den küh­nen Geist der säch­si­schen Kauf­leu­te, die mit ih­ren Han­dels­rei­sen ein wirt­schaft­li­ches Netz über das Meer nach Eng­land und Skan­di­na­vi­en und im Os­ten bis Russ­land spann­ten, er­kann­te er als dem sei­ni­gen ver­wandt, er ver­band sich mit ihm und mach­te ihn sich zu­nut­ze. Auch in der Be­zie­hung zu den Sla­wen zeig­te er großen Sinn. Kam es ihm mehr auf ihre Ab­ga­ben an als auf ihr See­len­heil, so woll­te er sie auch nicht als Hei­den ver­nich­ten, und an dem Kreuz­zu­ge, der ge­gen sie un­ter­nom­men wur­de, be­tei­lig­te er sich nur un­gern. Na­tio­na­le Ab­nei­gung lag ihm fern, er über­ließ dem Sla­wen­fürs­ten Pri­bis­law, der ihm treu blieb, einen Teil Meck­len­burgs als Fürs­ten­tum. Pri­bis­law ist der Ahn­herr der Dy­nas­tie, die bis 1918 in Meck­len­burg re­giert hat. Zwar wenn man liest, dass Graf Gun­ze­lin von Schwe­rin, des Her­zogs treu­er Die­ner, je­den Sla­wen, der an­ders­wo als auf der rich­ti­gen Stra­ße an­ge­trof­fen wur­de, ohne sich aus­wei­sen zu kön­nen, auf­hän­gen ließ, so sieht man, dass der un­will­kür­lich ver­drän­gen­de Druck, den die ar­beits- und ord­nungs­ge­wöhn­te­ren Deut­schen auf die Sla­wen aus­üb­ten, durch ge­walt­tä­ti­ge Maß­re­geln ver­stärkt wur­de. »Al­lent­hal­ben sind die Sla­wen auf­ge­rie­ben und ver­trie­ben wor­den; vom Ozean ist star­kes und un­zäh­li­ges Volk ge­kom­men, das der Sla­wen Land ge­wann.« So, mit we­ni­gen Sät­zen be­schließt der Pfar­rer Hel­mold zu Bösau am Plö­ner See, der Chro­nist die­ser Kämp­fe, die Ge­schich­te vom Un­ter­gang der Sla­wen in Deutsch­land. »Die kläg­li­chen Über­res­te der Sla­wen sa­hen sich in­fol­ge des Ge­trei­de­man­gels und der Ver­hee­rung ih­rer Fel­der ge­zwun­gen, sip­pen­wei­se zu den

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