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      »Sonst hätte ich mich doch gar nicht an einen coolen Typen wie dich rangetraut«, säuselte sie.

      »Spielst du öfter die Märchentante?« Milan lachte immer noch nicht. »Die Kombi aus Ecstasy und Hustentabletten wäre beinahe ins Auge gegangen. Ist dir das eigentlich klar?«

      »Meine Güte! Worüber regst du dich auf?« Muriel fiel zurück ins Kissen und drehte den Kopf weg. »Ich hab’s doch überlebt.«

      »Schon. Aber nur, weil ich zufällig neben dir gesessen bin.« Er griff nach dem Beutel mit der durchsichtigen Flüssigkeit, der auf seinem Schoß lag. »Häng’ dieses Ding mal an den Ständer da drüben.« Mit dem Kopf deutete er auf den Infusionsständer, an dem schon ein Beutel hing. »Schaffst du das?«

      »Kinderspiel.« Muriels angestrengte Miene strafte sie Lügen. Trotzdem baumelte kurz darauf der zweite Beutel am Ständer. Sie sah Milan dabei zu, wie er den Schlauch an ihrem Zugang befestigte. »Was ist das?«

      »Wenn du Dr. Norden zugehört hättest, wüsstest du es.«

      »Er hat ganz schön viel auf einmal gesagt, findest du nicht?«

      Milan Aydin hatte keine Lust auf eine Diskussion. Nicht um diese Uhrzeit.

      »Also noch einmal. Das Colchizin beeinträchtigt die Fähigkeit des Herzmuskels, sich zusammenzuziehen und Blut zu pumpen. Außerdem senkt es deinen Blutdruck.« Er stellte die Tropfgeschwindigkeit der Infusion ein. »Diese Antikörper hier sollen das Colchizin neutralisieren und dein Herz in die Lage versetzen, wieder in normaler Geschwindigkeit zu schlagen.«

      »Und wann wisst ihr, dass es funktioniert?«

      »Das tun wir jetzt schon.«

      Muriel drehte ihm den Kopf wieder zu. Lächelte wie ein Engel.

      »Da bekommt die Bezeichnung ›Leibwächter‹ doch eine ganz andere Bedeutung.«

      Milan spürte, wie sich sein Ärger schon wieder in einen Schwarm Schmetterlinge verwandeln wollte. Er räusperte sich.

      »Morgen früh machen wir als erstes ein CT und ein MRT, um Hirnschädigungen auszuschließen.«

      Muriel streckte die Hand aus. Ihre Finger streichelten über Milans Arm. Eine Berührung, sanft wie ein Windhauch. Die Härchen auf seinen Armen stellten sich auf. Muriel bemerkte es und lächelte.

      »So schlimm kann mein Hirn nicht geschädigt sein«, raunte sie ihm zu. »Zumindest erinnere ich mich noch genau an letzte Nacht. Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du eine Granate im Bett bist? Oder habe ich das nur geträumt? Ich glaube, ich muss das noch einmal ausprobieren.«

      Welcher Mann hätte solche Worte nicht gern gehört? Es fiel Milan schwer, noch länger grimmig dreinzublicken.

      »Das könnte noch dauern.« Sein Ton war nicht halb so streng wie gehofft. »Zur Überwachung werden wir dich noch einen Tag hierbehalten.«

      Muriel hustete.

      »Und gegen den Husten bekommst du etwas Anständiges«, fuhr er fort. »Aber mit Sicherheit kein Gichtmittel.«

      »Ich sagte doch schon, dass mir meine Mitbewohnerin dieses Zeug gegeben hat. Woher soll ich wissen, dass das ein Medikament gegen Asthma ist? Das habe ich auch schon diesem Dr. Norden gesagt.« Muriel machte einen Schmollmund.

      Milan wusste: Er hatte zwei Möglichkeiten. Entweder, er küsste sie. Jetzt. Sofort.

      Er entschied sich für die zweite Möglichkeit. Wandte sich ab und verließ das Zimmer, bevor sein schwaches Fleisch über seinen Verstand siegte.

      *

      Als sich Daniel Norden umdrehte, stand seine Frau vor ihm. Doch Fee sah anders aus als sonst. Die rote Hibiskusblüte in ihrem Haar leuchtete mit den Blumen auf ihrem Sommerkleid um die Wette. Sie hielt einen Cocktail in der Hand und kam auf ihn zu. Streckte die Hand aus und legte sie auf seine Schulter. Aber was war denn das? Warum schüttelte sie ihn wie einen nassen Sack, statt sich an ihn zu schmiegen, ihm Liebesworte ins Ohr zu flüstern?

      »Hör auf! Hör sofort auf damit!«, wehrte er sich empört.

      »Dr. Norden! Aufwachen!«

      Die Stimme war weiblich. Damit hörten die Ähnlichkeiten mit Fee aber auch schon auf. Daniel riss die Augen auf. Sah sich verwirrt um.

      »Was … wie … wo … ?«, stammelte er. Das Licht der Morgensonne blendete ihn. Seine Augen tränten.

      »Sagen Sie bloß, Sie haben hier geschlafen?« Andrea Sander hatte die Hand von der Schulter ihres Chefs genommen. Sie stand vor ihm und versuchte, sich einen Reim auf die Situation zu machen. »Hat Ihre Frau Sie etwa rausgeworfen?«

      »Was? Fee?« Daniel fuhr sich durch das wirre Haar. Er drehte den Kopf nach links und rechts, hob und senkte die schmerzenden Schultern. »Warum sollte Sie?«

      »Aus welchem Grund sollten Sie sonst hier übernachten?«, stellte Andrea eine Gegenfrage, die sehr berechtigt war, wie Daniel nach einigem Nachdenken feststellte.

      »Heute Nacht war ganz schön viel los.« Kaffeeduft stieg ihm in die Nase. Dankend nahm er die Tasse, die seine Assistentin ihm reichte.

      »Erzählen Sie mir keine Märchen!« Ihre Stimme verriet, was sie von dieser Ausrede hielt. »Ich habe doch genau gesehen, wie Sie gestern Abend die Klinik verlassen ­haben. Zusammen mit dem Kollegen Aydin.« Ein schrecklicher Verdacht kam ihr. »Sagen Sie bloß, Sie waren gemeinsam mit ihm auf der Jagd?«

      Dank der Lästerschwestern hatte sich Aydins Leidenschaft für Frischfleisch schnell in der Klinik herumgesprochen.

      Daniel trank einen Schluck. Langsam kehrten seine Lebensgeister zurück.

      »Stimmt. Wir haben ein Feierabendbier getrunken. Im Gegensatz zu dem geschätzten Kollegen bin ich allerdings zeitig nach Hause gefahren, um noch zu arbeiten. Aber dann hat meine Frau angerufen. Sie hatte ihr Handy zu Hause vergessen.«

      Andrea Sander verzog das Gesicht. Das Ende der Geschichte konnte sie sich an zwei Fingern abzählen.

      »Ein Glück, dass Sie beide in der Klinik arbeiten. Sonst würde ich nicht auf Ihre Ehe wetten.«

      »Ich auch nicht.« Daniel lächelte. Er leerte seinen Kaffee und drückte sich aus dem Stuhl hoch. Höchste Zeit, sich an die Arbeit zu machen. Nach einer Katzenwäsche am Waschbecken war er bereit, sich den Herausforderungen des Tages zu stellen. Er trat an Andreas Schreibtisch, der aussah, als hätte sie ihn seit Tagen nicht verlassen. Doch im Augenblick gab es wichtigere Dinge, als sie auf Bonbonpapier und leere Kaffeetassen aufmerksam zu machen. »Bitte rufen Sie die Kollegen Weigand und Gruber an. Ich will beide sehen, bevor sie das Haus verlassen. In einer halben Stunde bin ich zurück.«

      »Wird gemacht, Chef.«

      Ihre Worte begleiteten ihn hinaus auf den Flur und verhallten dort.

      *

      Matthias Weigands Kittel wehte hinter ihm her. Die Aufregungen der Nacht hatten sein Blut mit Adrenalin geflutet. Es wirkte immer noch und hielt ihn wach. Er bog um die Ecke, klopfte im Vorbeigehen zur Begrüßung mit den Knöcheln auf die Theke. Bei seinem Anblick verstummte das Tuscheln und Kichern.

      »Guten Morgen, die Herrschaften«, rief er und lächelte in mehr oder weniger verschlafene Gesichter, die so ähnlich aussahen wie sein eigenes. Auch dann, wenn sie nicht gerade eine Nachtschicht hinter sich hatten.

      »Guten Morgen, Dr. Weigand!«, kam es mehrstimmig zurück.

      Der Notarzt war gleichermaßen bekannt und beliebt. Die Tatsache, dass er wieder Single war, steigerte seinen Beliebtheitsgrad enorm.

      Eine Stimme übertönte die der Kollegen.

      »Gut, dass Sie hier sind!« Schwester Astrid winkte ihn zu sich. »Gerade sind die Blutplasmaergebnisse von Nina Schön aus dem Labor gekommen.« Sie drückte ihm ein Tablet in die Hand und lächelte aufreizend.

      Deshalb also das Getuschel! Er hätte es sich gleich

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