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Wünsche zu erlangen, so würde die Sache, wenn wir eine vollkommene Weisheit besäßen, nichts Fehlerhaftes haben. Allein wir reden von solchen Freunden, wie wir sie vor unseren Augen haben, die wir gesehen haben, oder von denen uns die Geschichte erzählt, das heißt Freunde, wie sie das gewöhnliche Leben kennt. Aus der Zahl dieser Männer müssen wir die Beispiele nehmen, und zwar hauptsächlich von denjenigen, welche sich der vollkommenen Weisheit am Meisten nähern.

      XII. 40. Das muß also in der Freundschaft als unverbrüchliches Gesetz festgestellt werden, daß man weder um etwas Unsittliches bitte, noch, wenn man darum gebeten wird, es thue. Denn schimpflich und ganz unstatthaft ist die Entschuldigung sowol bei allen anderen Vergehen als insbesondere gegen den Staat, wenn man um des Freundes willen gehandelt zu haben erklärt. Wir sind nämlich, Fannius und Scävola, auf einen Standpunkt gestellt, wo es unsere Pflicht erheischt auf die künftigen Schicksale des Staates weit hinauszuschauen. Denn das Herkommen unserer Altvordern ist schon ein wenig von seiner Bahn und seinem Geleise gewichen.

      43. Deßhalb darf ein solches Einverständniß der Bösgesinnten nicht mit dem Vorwande der Freundschaft bemäntelt, sondern vielmehr mit jeder Strafe geahndet werden, damit Niemand berechtigt zu sein meine einem Freunde selbst dann zu folgen, wenn er das Vaterland mit Krieg überzieht. Und dazu dürfte es vielleicht, wie die Sache sich zu entwickeln angefangen hat, einst auch wirklich kommen. Mir liegt es aber nicht minder am Herzen, wie die Lage des Staates nach meinem Tode sein wird, als wie sie jetzt ist.

      XIII. 44. Dieß muß also als das erste Gesetz in der Freundschaft festgestellt werden: Wir dürfen von Freunden nur Sittlichgutes erbitten und um der Freunde willen nur Sittlichgutes thun, auch nicht erst warten, bis man darum gebeten wird. Diensteifer soll immer vorhanden, Zögerung immer fern sein, und besonders sollen wir Muth haben freimüthig Rath zu ertheilen. Die höchste Geltung in der Freundschaft muß das Ansehen wohlmeinender Freunde haben, und sowie man dasselbe nicht nur zu offenen, sondern auch nach Erforderniß der Umstände zu nachdrücklichen Ermahnungen benutzen muß, so muß man auch andererseits demselben Folge leisten.

      τὸ δ' υπὲρ δισσω̃ν μίαν ωδίνειν

       ψυχὴν χαλεπὸν βάρος.

      habe.

      47. O, welch herrliche Weisheit! Wahrlich die Sonne scheinen die aus der Welt zu nehmen, welche die Freundschaft aus dem Leben nehmen, das beste und erfreulichste Geschenk, das wir von den unsterblichen Göttern haben. Wie sieht es nun mit dieser Gemüthsruhe aus? Dem Anscheine nach hat sie etwas Schmeichelndes, in der That aber ist sie aus vielen Gründen verwerflich. Denn es ist nicht vernunftgemäß eine sittlichgute

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